Morgen gibt es nur den Notdienst - Es reicht den Heilberuflern - Deutliche Gründe für den Protest

„Irgendwann reicht es“, sind sich viele Apothekerinnen und Apotheker aus der Region einig mit ihren bundesweiten Kollegen. Deshalb wird auch im Altlandkreis am Mittwoch, 14. Juni, nicht alles so laufen, wie gewohnt: Die Apotheken bleiben überwiegend geschlossen. Nur die Notapotheke in Haag (Grafschaft Apotheke) hat offen. Ein PROTESTTAG soll für mehr Aufmerksamkeit sorgen.

IN DRINGENDEN FÄLLEN KANN DIE NOTAPOTHEKE ANGESTEUERT WERDEN.

Alle anderen Apotheken im Altlandkreis Wasserburg bleiben geschlossen. Auch die telefonische Erreichbarkeit ist nicht gewährleistet, etwa um ein Medikament zu bestellen.

Die leidgeplagte Apothekerin Viktoria Battran aus Pfaffing erläutert im Gespräch mit der Wasserburger Stimme, um was es ihr und den vielen Kolleginnen und Kollegen eigentlich gehe. „Wir streiken nicht. Wir kämpfen für die Versorgung unserer Kunden“, betont Battran in Vertretung für die Schar an Apotheker aus dem Altlandkreis. Schnell wird deutlich, dass es weit mehr, als um mehr Geld für die Leistungen geht, sondern für eine funktionierende Arzneimittelversorgung gekämpft wird. Am Mittwoch bleiben deshalb die meisten Apotheken in der Region zu. Während einige zu zentralen Plätzen kommen, um sich an Demonstrationen zu beteiligen, wollen andere Apotheken vor ihren Räumlichkeiten einen Infostand präsentieren. „Die Kunden sollen natürlich auch mehr Details erfahren, warum diese Aktion stattfindet“, betont die Pfaffinger Apothekerin weiter. Es sei nicht mehr tragbar, einen kundenorientierten Betrieb aufrechtzuerhalten.

„Als Heilberufler haben wir uns diesen Schritt nicht leicht gemacht. Aber wir wünschen uns eine bessere Zukunft für unsere Apotheken und unsere Kundinnen und Kunden. Wir möchten auch in Zukunft Zeit haben, unseren Kunden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen“, erklärt die enttäuschte Apothekerin gegenüber der Wasserburger Stimme. Alle würden ihren Job gerne machen und es sei immer noch ihre persönliche Berufung, Apothekerin zu sein, so Battran. Doch die Gefahr koche über, die Kunden bald nicht mehr richtig versorgen zu können und genau das ist ein wichtiger Punkt, warum jetzt um Aufmerksamkeit geworben werde.

Darum geht es

Auf dem Protest-Plakat stehen viele Fachausdrücke. Doch einleuchtend erklärt, kann sich die Bevölkerung durchaus vorstellen, was den Apotheken auf dem Herzen liegt:

Auf verschreibungspflichtige Medikamente, die über ein Kassenrezept eingereicht werden, erhält der Apotheker ein Honorar. Dieses werde vorgegeben und ist seit nahezu zehn Jahren nicht erhöht worden. Es fehlt eine Anpassung. „Wir haben quasi noch die Preise, wie wir sie vor zehn Jahren hatten“, betont Viktoria Battran. Natürlich gehen in einer Apotheke auch frei verkäufliche Produkte über den Ladentisch und hier sind die Preise freilich aktuell und angepasst. Doch die verschreibungspflichtige Medizin sei doch auch ein wesentlicher Teil der Berechtigung einer Apotheke. „Bei uns im Umkreis sind 80 Prozent Rezeptumsätze“, informieren die Apotheker.

Die Lieferengpässe liegen den Apothekern schwer im Magen. „Wir haben enorme Arbeit, um den Kunden in irgendeiner Weise überhaupt versorgen zu können, mit Medikamenten, die er oder sie aber dringend braucht. Darum kämpfen wir hier für unsere Kundschaft“. Es sei gar nicht mehr in Worte zu fassen. Die Krankenkassen legen für Medikamente anderer Pharmaunternehmen zusätzlich Steine in den Weg. Die Regelung, die gegolten habe, dass ein Medikament, das nicht im Rabattvertrag der jeweiligen Krankenkasse gelistet sei, lief zum Karfreitag aus. Das Problem blieb aber. Erst Mitte Mai trat ein Gesetz in Kraft, das erlaube, ein verfügbares Produkt einer anderen Firma an die Kunden weiterzugeben.

„Uns zahlt die Arbeit, etwa aufgrund der Recherche wegen der Lieferengpässe natürlich niemand, aber wir wollen den Kunden ja auch gut versorgen, er braucht das Medikament doch jetzt und nicht irgendwann“, schütteln die Betroffenen den Kopf. „Die Idee von Herrn Lauterbach, 50 Cent für einen Einsatz bezüglich eines >Nicht-lieferbar-Produkts< vergüten zu wollen, ist doch eigentlich ein totaler Witz“, wettern manche Apotheker.

Die Apotheken werden es schon „richten“?

„Wir reißen uns jeden Tag sprichtwörtlich gesagt den Hax aus, aber hier wird einfach nie zum Wohle einer guten Versorgung gedacht“, findet die Apothekerin der Glocken-Apotheke aus Pfaffing. Den Protesttag sehe sie als Chance, ebenso wie ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Region. Deshalb beteiligen sie sich auch daran und hoffen, auf mehr Verdeutlichung, welche Missstände es gibt.

Jeder Apotheker liebe seinen Beruf, aber nur von Luft und Liebe leben könne man auch nicht, positioniert die erfahrene Apothekerin im Namen vieler den weiteren Fakt, weshalb es den Protesttag gebe. „Welches Unternehmen hat denn seit zehn Jahren die gleichen Verkaufspreise“, gibt Battran zu bedenken. „Durch das Gesundheitssystem wird vieles kaputt gespart“, sind sich die aufgebrachten Heilberufler einig. Oftmals sei es nicht einleuchtend, wohin das Geld eigentlich fließe. „Die Krankenkassenbeiträge steigen, wir Apotheker erhalten definitiv nichts davon“. Es müsse sich etwas ändern, um die Kunden zuverlässig versorgen zu können. Auch auf dem Land bleibe es wichtig, dass die Bevölkerung eine Apotheke in der Nähe habe. „Unser Ziel ist es, unsere Kunden gut zu versorgen. Das wird uns aber mittlerweile genommen“. Nachwuchsfördernd sei die aktuelle Situation nicht, sind sich die Apotheker aus dem Altlandkreis einig. Nachgefragt heißt es, dass man als Arbeitgeber im Moment keine wirklich guten Voraussetzungen habe, um junge Kolleginnen und Kollegen für den Beruf zu begeistern. „Es wäre schön, wenn dieser tolle Job besser honoriert werde“.

Man möchte sich Gehör verschaffen, damit das Eckpunkte-Papier mit den Forderungen überhaupt angesehen werde. Die Beteiligung der Apotheken am Protesttag liegt bei über 80 Prozent, eine beachtliche Zahl.

Wie der Protesttag verläuft und welche Reaktionen es dann von denjenigen geben wird, die hier Verbesserungen auslösen können, bleibt abzuwarten.

Hinweis für die Kundinnen und Kunden: Nach aktuellen Informationen hat am Mittwoch, 14. Juni, die Grafschaft Apotheke in Haag als Notapotheke geöffnet. Dies dient lediglich einer Notfall-Versorgung. Die Apotheken im Altlandkreis bleiben geschlossen, auch die telefonische Erreichbarkeit ist nicht gegeben.