Wasserburger Theatertage: Hans Falladas sozialkritischer Roman als Figurentheater inszeniert

Im Rahmen der 19. Wasserburger Theatertage stellte das Nürnberger Theater „Salz+Pfeffer“ eine Dramatisierung des Romans „Kleiner Mann, was nun?“ von Hans Fallada als Puppentheater vor. In dem Roman werden detailliert die Lebensumstände eines einfachen Angestellten der späten 20-er Jahre des 20. Jahrhunderts dargestellt. Fallada bezeichnete die Figur des Johannes Pinneberg so: „Ehe und Wehe von Johannes Pinneberg, Angestellter, er verliert seine Stellung, bekommt eine Stellung, wird endgültig arbeitslos. Er ist einer von sechs Millionen, ein Garnichts, und was der Garnichts fühlt, denkt und erlebt.“

Pinneberg verliebt sich in Emma, die er „Lämmchen“ nennt, und versucht mit ihr ein gut bürgerliches Leben zu begründen und finanziell über die Runden zu kommen. Emma wird schwanger, was ihr zusätzliche soziale Probleme beschert, ist sie doch noch nicht mit Pinneberg verheiratet. Pinneberg verliert seine Anstellung und gewinnt eine neue in einem Bekleidungsgeschäft, in dem er aber eine Verkaufsquote erzielen muss. Die Lebensumstände von Pinneberg und Lämmchen mit ihrem kleinen Sohn Horst, den sie „Murkel“ nennen, werden genau dargestellt. Die Rechtslage während der Wirtschaftskrise 1929 bis 1933 wird ebenfalls geschickt einbezogen. Kündigungen waren nicht schwer umzusetzen, die soziale Not der Betroffenen anschließend wirkte dafür umso gravierender.

Und trotz aller Widrigkeiten, trotz aller Intrigen, mit denen selbst vermeintlich nahestehende Menschen ihnen ihr Leben noch schwieriger machen wollen, als es ohnehin schon ist, halten Lämmchen und Pinneberg fest zusammen.

Die Dramatisierung eines Romans ist eigentlich immer schwierig, durch den Umbau in ein Figurentheater löst das Ensemble allerdings viele Probleme, schafft sich aber auch neue. 

Das Bühnenbild wirkt anfänglich recht minimalistisch, entfaltet aber bald seine Wirkung. Mehrere weiße Quader stehen auf der Bühne, die mal als Sitzgelegenheit für die beiden Puppen dienen, die von Jennifer Quast und Roland Klappstein gekonnt bewegt werden. Dann wird einer der Quader auf die kurze Seite gestellt und aufgeklappt und verwandelt sich in eine Umkleidekabine mit aprikot- oder orangefarbenem Vorhang.

Zwischendurch dürfen die beiden Darsteller auch einmal selbst spielen und das tut der Inszenierung wirklich gut. Herausragend hierbei Roland Klappstein, wie er den schmierig wirkenden Jachmann darstellt, der sich Lämmchen auf eine wahrhaft halbseidene Art nähern will und sie damit in große Verlegenheit bringt. Aber auch Jennifer Quast darf ihre schauspielerischen Fähigkeiten zeigen, als sie den fetten Abteilungsleiter im Bekleidungsgeschäft genüsslich an seiner Zigarre schmatzen lässt. Dadurch zeigt das Nürnberger Theater sehr anschaulich, wie herablassene Sattheit und flehender Hunger nebeneinander existieren und der Verzweifelte fast daran zerbrechen kann.

Und dann ist da noch die Mutter von Pinneberg, die stets mit ihrem Galan beschäftigt ist, immer nur in höchst egozentrischer Weise auf sich bezogen ist und von der das Publikum schließlich erfährt, dass sie recht wohlhabend sei, aber hiervon wohl nichts abgeben wolle.

Die Einspielungen der Sportpalastrede von Joseph Goebbels vom 18.2.1943, parallel mit einem aktuellen Interview mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel sollten wohl darauf aufmerksam machen, dass die Gefahren von 1932/1933 auch heute keine abgeschlossene Geschichte darstellen dürften. 

Das Theater „Salz+Pfeffer“ hat den Roman von Fallada zu einem Schauspiel mit Puppen umgewandelt. Dabei konnten die beiden Darsteller geschickt zahlreiche Rollen bedienen, ohne sich umziehen zu müssen, waren andererseits in der Verlegenheit, wegen der notwendigen Umbauten an der minimalistischen Bühne immer wieder das Tempo aus der Dynamik in diesem Spiel herauszunehmen. Dadurch gerät allerdings auch ein wenig die gesellschaftliche Bedrohung durch die existentielle Krise aus dem Zentrum der Aufmerksamkeit.

Und so ist den Akteuren wohl ein ansprechendes, filigranes Puppenspiel gelungen. Das Publikum ging mit Sicherheit aber auch nachdenklich nach Hause.

PETER RINK / Fotos: Christian Flamm

 

Schaufenster