Maxi Pongratz zeigte gestern in der Kinowerkstatt in Wasserburg, wie lustig Melancholie sein kann
Grau war der Tag gestern in Wasserburg. Eisigkalt. Der Hochnebel killte jeden Sonnenstrahl, der versuchte, bis in den Talkessel der Halbinsel vorzudringen, unbarmherzig schon auf den ersten Metern seines Weges. Und so war das, was sich abends in der ausverkauften Kinowerkstatt von Rainer Gottwald abspielte, nahezu die einzig mögliche Rettung für erstarrte Winterherzen an diesem tristen Februartag in der Altstadt. Ein herzerwärmender, liebenswerter und gleichermaßen virtuoser Auftritt von Maxi Pongratz, dem Akkordeonspieler, Texter und Liedschreiber der bekannten und beliebten bayerischen Band „Kofelgschroa“.
„Kofelgschroa“ macht schon seit sechs Jahren Pause. Maxi Pongratz tut das nicht. Er muss musizieren. Die Musik muss raus aus ihm. Sonst zerreißt es ihn. Ihn, der ohnehin schon „ziemlich ausgefranst“ ist, wie er selbst von sich sagt. Das ureigene Akkordeonspiel von Maxi Pongratz, seine Kompositionen und nicht zuletzt seine dadaistisch- und valentinesk genannten Texte prägten Sound- und Erscheinungsbild von „Kofelgschroa“. Und sie sind jetzt, bei seinen Soloauftritten, sein ganz eigenes, markantes Markenzeichen. Wie der legendäre Fredl Fesl jongliert er dabei mit Worten, bringt sie beim Reden ein bisschen holprig und mit Pausen raus, was sehr charmant wirkt und dem Publikum Zeit zum Verschnaufen verschafft. Ponkratz, das verrät er auch an diesem Abend selbst, ist „Stotterer“. Und er hat deshalb ein „Stotterlied“, was eigentlich widersinnig ist, denn beim Singen ist vom Stottern nichts zu merken.
Konventionen sind Pongratzs Sache nicht. Da wird aus einem Liebeslied schon mal ein „Lied des Akzeptierens“ – frei nach dem alten bayerischen Motto: Ned gschimpft, is globt gnua. Beim Singen fordert der Virtuose dann die grauen Zellen des Publikums heraus, wenn er in dem Lied von „meiner engsten, meinen Ängsten, meiner engsten Vertrauten“ singt, oder das Augenlied über das Augenlid zum Besten gibt, nicht ohne dem Publikum vorher „Gute Unterhaltung“ zu wünschen.
Alles ist an diesem Abend in herzzerreißendem Moll, alle Instrumentalstücke, alle Lieder, alle Texte – und doch kann man sich vor Lachen bisweilen kaum halten. Ein Lächeln, ein Schmunzeln in Dur geht bei Pongratz ohnehin immer. Dafür sorgte gestern auch das ungestimmte Klavier in der Kinowerkstatt. „Morgen wird’s gestimmt, hab‘ ich erfahren. Ausgerechnet. Ich hätte vielleicht erst morgen hier auftreten sollen“, bedauert Pongratz schmunzelnd, der am verstimmten Klavier genauso virtuos ist, wie an seinem Akkordeon, das ihm an den Oberkörper angeschweißt ist. Man braucht eine Flex, um es ihm zu entreißen. Und wenn’s nicht gut klingt? „Egal. Wenn alle Stricke reißen, kann ich sagen, ich bin Gärtner“, verrät Pongratz. Was tatsächlich seiner beruflichen Erstausbildung entspricht und was er mit seinem Lied „Topfen mit der Topfmaschin“ untermauert (topfen als Verb, nicht als Hauptwort für den österreichischen Quark).
Je später der Abend, desto intimer die Stimmung. In der Kinowerkstatt bringt Pongratz gestern das Publikum wie von selbst zum Mitsingen. So traurig, dass’s scho wieder schee is. Es zieht einen rein in seine Lieder. Und damit man nicht angefüllt voll purer Melancholie ins Bett gehen muss, gibt er noch Anekdoten aus seinem Heimatort Oberammergau und den Passionsspielen zum Besten. Und so geht man mit einer Mischung aus breitem Lachen und warmer Melancholie nachhause. Danke, Maxi Pongratz …
HC
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