Juliane Günther stellt beim Heimatverein Forschungsergebnisse zur Geschichte während der NS-Diktatur vor

Juliane Günther ist in Wasserburg gut bekannt, hat sie doch von 2014 bis 2016 als wissenschaftliche Volontärin im Museum Wasserburg mitgearbeitet. Danach führte sie ihr Weg auch an die KZ-Gedenkstätte Dachau, wo sie 2019 die Aufgabe einer Sammlungsbetreuerin wahrnahm. Derzeit betreut sie das Forschungsprojekt „Opfer des Nationalsozialismus in Ingolstadt“ beim Stadtarchiv in Ingolstadt.

Seit 2021 arbeitet sie im Auftrag der Stadt Wasserburg an einer Studie zur Geschichte der Stadt Wasserburg während der Zeit der NS-Diktatur. Diese Studie soll im Herbst diesen Jahres erscheinen.

Nun hat Juliane Günther beim Heimatverein in Wasserburg im Gimplkeller einen Vortrag zu diesem Themenkomplex gehalten. Der Gimplkeller war vollbesetzt, die Dritte Bürgermeisterin, Edith Stürmlinger, begrüßte die Anwesenden im Namen der Stadt und wies in ihrer Begrüßung auf das enge Zusammenwirken zwischen Stadt Wasserburg, Stadtarchiv, Museum und dem Heimatverein hin und gab ihrer Freude darüber Ausdruck, dass diese Institutionen zum Wohle der Stadt so gut zusammenarbeiteten.

Juliane Günther begann ihren Vortrag mit der Frage der Motivation für dieses Thema. Es gebe zwar ein Denkmal in Wasserburg für die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur, die Geschichte der Zeit zwischen 1933 und 1945 sei aber wohl noch nicht ausreichend aufgearbeitet worden.

Günther referierte, dass auch in Wasserburg, wo vor 1933 die Bayerische Volkspartei eine stabile Mehrheit in der Wählergunst besaß, es die Nationalsozialisten letztlich nicht schwer hatten, die ganze Macht an sich zu reißen. Das erste Augenmerk galt den Kommunisten und hier zeigte man sich in Wasserburg kaum solidarisch mit den Verfolgten. Zu groß war die Angst, selbst verfolgt zu werden. Nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 wurde jedwedes politisches Engagement für die Kommunisten sofort geahndet: „Kommunistische Aufwiegler kommen sofort in Arrest!“ zitierte die Referentin aus einem Schreiben vom 3. März 1933. Auch Josef Estermann, der 1945 von den Alliierten kurzzeitig als  Bürgermeister eingesetzt wurde, war unter denen, die in diesen Tagen verhaftet wurden. Estermann wurde zunächst für längere Zeit im Gefängnis „Auf der Burg“ interniert und dann im August 1933 nach einer erneuten Verhaftung in das neu eingerichtete KZ in Dachau gebracht.

In Wasserburg griff in der Folgezeit die Verbotswelle um sich: Nach der KPD sei auch die SPD verboten worden und darüber hinaus Vereine, die diesen Parteien nahe standen, wie z.B. der „Radfahrerbund“ oder der „Naturfreundeverein“.

Reichspräsident Paul von Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler wurden Ende März 1933 zu Ehrenbürgern der Stadt Wasserburg ernannt.

Im April 1933 wurde der 69-jährige Oberförster Carl Keller 2. Bürgermeister in Wasserburg. Als im Juni 1933 die SPD verboten wurde, wandte sich Keller an die Stadträte der Bayerischen Volkspartei und warnte sie vor kritischen Äußerungen über die „neue Bewegung“. Daraufhin beschloss die Bayerische Volkspartei in Wasserburg, sich selbst aufzulösen, sodass im August 1933 feierlich verkündet werden konnte, dass es nur noch Nationalsozialisten im Stadtrat gebe.

Am 7. Mai 1933 feierten die Nationalsozialisten am Marienplatz in Wasserburg euphorisch die Verbrennung aller Bücher, die einem „undeutschen Geist“ anhingen. Werke von Albert Einstein, Sigmund Freud, Heinrich Heine, Bertolt Brecht und vielen anderen wurden öffentlich verbrannt. Die anwesenden Menschen jubelten, als der Satz, „Die Deutsche Jugend ist nun frei von marxistischen Ideen“ am Marienplatz ertönte.

Doch es gab auch kritische Stimmen, die sich aber nicht durchsetzen konnten.

Juliane Günther berichtete, dass der frisch zum 2. Bürgermeister ernannte Carl Keller schon im September 1933 eine „Opposition wachsen“ sah.

Am 23.10.1933 informiert der neue Bürgermeister Wölfle den Stadtrat vom Rücktrittsgesuch Kellers. Am nächsten Tag hat er dann auch den Betroffenenen Carl Keller davon informiert, dass er ein Rücktrittsgesuch geschrieben habe. Wölfle wird in der Folge auch NS-Kreisleiter in Wasserburg, verschwindet aber 1938 vollkommen aus Wasserburg und geht nach München. Die NSDAP verstand es geschickt, auch innerparteiliche Kritiker gezielt mundtot zu machen.

Den Höhepunkt der nationalsozialistischen Herrschaft dürfte aber das Jahr 1938 darstellen, als mit großem Pomp die 800-Jahr-Feier der Stadt Wasserburg gefeiert wurde.

Nach ihrem Vortrag applaudierten die Zuhörer Juliane Günther lang und anhaltend. 

Man darf auf die Studie im Herbst 2025 über die NS-Zeit in Wasserburg wirklich gespannt sein.

Am kommenden Dienstag, 28. Januar, findet um 11 Uhr auf dem Gelände des Inn-Salzach-Klinikums die Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus statt. Dr. Charlotte Knobloch wird anwesend sein und Gedenkworte sprechen.

Interessierte sind herzlich zu dieser Veranstaltung eingeladen, die von der Stadt Wasserburg gemeinsam mit dem Inn-Salzach-Klinikum durchgeführt wird. Unter dem folgenden link gibt es hierzu nähere Informationen:

https://www.wasserburg.de/index.php?id=519&no_cache=1&publish[id]=1576435&publish[start]=

PETER RINK

SA-Aufmarsch in Wasserburg 1933, StadtA Wasserburg a. Inn, Bildarchiv, SM-Ive2-M1

  1. Mai 1933: Erster Feiertag der „nationalen Arbeit“ in Wasserburg, StadtA Wasserburg a. Inn, Bildarchiv, SM-Ive2-M2

Bücherverbrennung durchgeführt von der Hitlerjugend am 7.5.1933, StadtA Wasserburg a. Inn, Bildarchiv, SM-Ive2-M2

3. Bürgermeisterin Edith Stürmlinger bei der Begrüßung