Auf der Fraueninsel eine 1000 Jahre im Erdboden schlummernde Kultstätte entdeckt

Bei Radarmessungen auf der Fraueninsel im Chiemsee stießen Geophysiker auf den bisher völlig unbekannten Grundriss eines romanischen Zentralbaus. Handelt es sich dabei um das Grab der Seligen Irmengard? Vielleicht muss die Geschichte der Abtei Frauenwörth auf der Fraueninsel im Chiemsee nun umgeschrieben werden … Heute gibt es dazu eine Pressemitteilung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege.

Die Bauentwicklung des wohl durch Herzog Tassilo III. um 782 gegründeten Klosters gilt als gut erforscht, doch über den Rest der Insel ist relativ wenig bekannt. Bis jetzt. Nun ist ein Team des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege bei Bodenradarmessungen unerwartet auf die Grundmauern eines Zentralbaus gestoßen, der bisher nicht überliefert war – weder in Schriften, noch auf historischen Karten.

Im Rahmen von Untersuchungen für ein Kommunales Denkmalkonzept fanden im Sommer 2023 Messungen auf dem Dorfanger nördlich der bekannten Tassilolinde statt. In einer Tiefe von 50 bis 70 Zentimetern stießen die Denkmalpfleger auf Fundamente, deren Grundriss mit der Ansicht der bekannten Kirche St. Martin auf dem 1701 veröffentlichten Stich von Michael Wening übereinstimmte.

Die Radardaten zeigten aber auch, dass es an dieser Stelle noch einen älteren Bau gegeben hat: In einer Tiefe von 80 bis 100 Zentimetern zeichneten sich überraschend, aber sehr deutlich weitere Grundmauern ab und ließen einen oktogonalen Zentralbau mit einem durch acht Stützen gebildeten Umgang und vier kreuzförmig angeordneten Anbauten erkennen.

„Bayerns reiches kulturelles Erbe ist immer für eine Überraschung gut – das beweist der Sensationsfund im Chiemgau einmal mehr! Die bei Radarmessungen entdeckten Grundmauern auf der Fraueninsel zeigen, den fachkundigen Blicken unserer Denkmalpfleger entgeht wirklich nichts. Ein derartiger Grundriss eines romanischen Zentralbaus hat nördlich der Alpen absoluten Seltenheitswert. Es bleibt also spannend, wie die Wissenschaft diesen Fund historisch einordnet“, betont Kunstminister Markus Blume. 

„Zentralbauten sind in der vorromanischen und romanischen Sakralarchitektur nördlich der Alpen selten und damit eine sehr individuell gestaltete Bauform,
die oftmals in der Nachfolge der Pfalzkapelle zu Aachen oder als Imitation der Grabeskirche in Jerusalem gedeutet wird. In Bayern sind achteckige Zentralbauten mit innerem Säulenumgang bislang lediglich mit St. Andreas in Bamberg, um 1050, und St. Gallus in Würzburg, um 1130, archäologisch nachgewiesen. Wir sprechen hier also von einer absoluten Seltenheit“, so Mathias Pfeil, Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege.