Mordprozess Hanna W.: Verteidigerin Regina Rick liefert sich scharfes Rededuell mit der Staatsanwaltschaft

Es war der 30. Verhandlungstag im Mordprozess Hanna W. vor dem Landgericht Traunstein und es sollte der letzte Tag werden, an dem Beweisanträge gestellt werden können. Doch wie schon so häufig in diesem Prozess: Es  kam gestern ganz anders. 

In der Annahme, dass an diesem 30. Verhandlungstag die letzten Beweisanträge gestellt werden dürfen, wartete die Verteidigung allein mit neun Anträgen auf, über deren Zulässigkeit das Gericht nun wird befinden müssen. Sechs der neun Beweisanträge haben die Todesursache von Hanna W. zum Thema. Die Verteidigung wollte damit das Gericht davon überzeugen, dass sich Hanna W. durch das Treiben im Bärbach und in der Prien Verletzungen zugezogen habe, die ihren Tod verursacht hätten.

Mit diesen Anträgen versuchte die Verteidigung, allen voran Rechtsanwältin Regina Rick, das Gutachten des Wasserkundlers Prof. Dr. Andreas Malcharek zu widerlegen, der vor Gericht einen Unfall als mögliche Todesursache im Grunde ausgeschlossen hatte. Diesen Gutachter hatte Regina Rick allerdings seinerzeit selbst angefordert, um die Unfalltheorie zu erhärten. Nunmehr wird offensichtlich versucht, neue Theorien auszuloten, die die Möglichkeit eines Unfalls plausibel erscheinen lassen könnten.

Außerdem bemühte sich die Verteidigung in ihren Anträgen, den Zeitverlauf der Geschehnisse in jener Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 2022 zu widerlegen, und zwar mit dem Hinweis, dass die vorgelegten Geodaten sehr ungenau seien. Staatsanwalt Wolfgang Fiedler schüttelte bei diesem Antrag der Verteidigung nur den Kopf.

In einem weiteren Antrag wollte die Verteidigung das Gericht davon überzeugen, die Todesursache wie bei einem Präzedenzfall anzunehmen, zum Beispiel von einem Mann, der bei einem Sturz in den Bärbach in Aschau zu Tode gekommen sei. In Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt, so führte die Verteidigerin Regina Rick aus, habe die Gerichtsmedizin eine Leiche untersucht, die ähnliche Kopfverletzungen aufgewiesen habe wie Hanna W.

Regina Rick beantragte die Einvernahme des dort zuständigen Gerichtsmediziners. Und schließlich wies die Verteidigung noch auf den Fall eines 19-Jährigen hin, der am Neujahrstag 2022 nach einer Silversterfeier in die Traun gestürzt sei und ähnliche Verletzungen wie Hanna W. erlitten haben soll.

An dieser Stelle wurde es im Gerichtssaal emotional. Staatsanwalt Wolfgang Fiedler warf ein: „Ihr Beharren auf der Unfallthese ist erbärmlich.“ und wurde von Regina Rick sofort unterbrochen, die es sich zur Angewohnheit machte, jedem, auch der Richterin, über den Mund zu fahren, wenn es ihr geboten erschien. Das wiederum veranlasste die Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler zu der Bemerkung, dass Rick doch „so viel Anstand“ haben möge, dass sie die anderen ausreden lasse. Der Rechtsbeistand der Nebenkläger, Walter Holderle, ergriff in diesem Moment das Wort und zeigte sich über die emotionalisierte Debatte verwundert.

Regina Rick holte nunmehr zum Schlag aus, als sie meinte, dass die „Wuttiraden“ von Staatsanwalt Fiedler sie sehr verwunderten. Man sei zwar vor der Jugendkammer, „aber doch bitte nicht im Kindergarten“.

Ihre Angewohnheit, jedem ins Wort zu fallen, behielt Regina Rick in der Folge des Verhandlungsverlaufes allerdings bei, die Hinweise von Richterin Aßbichler verfehlten wenigstens in dieser Hinsicht ihre Wirkung.

Daran anschließend wurde nochmals einer der ermittelnden Beamten der Polizei vernommen. Er ließ ein, dass der Angeklagte Sebastian T. in der fraglichen Nacht auf seinem smartphone das Internetspiel „clash of clans“ gespielt habe. Der Beamte sagte es vor Gericht nochmals deutlich, ja Sebastian T. habe gespielt, aber nicht zur Tatzeit, sondern erst zehn Minuten danach. Viel später in der Nacht habe er noch ein Video angeschaut. Zur Tatzeit habe es auf seinem Smartphone keinerlei Zugriffe gegeben. Damit war das Alibi, das sich die Verteidigung erhofft hatte, geplatzt.

Das Spiel „clash of clans“, das der Angeklagte schon seit fünf Jahren gespielt hatte, habe er , so führte der ermittelnde Beamte weiter aus, unter dem Pseudonym „Jojo“ gespielt und als Avatar habe er sich eine weibliche Spielfigur mit rosa Haaren und leuchtenden Augen gewählt. Richterin Aßbichler wies darauf hin, dass es auch starke Typen als Avatare gegeben habe, Muskelprotze und Wikingertypen. An dieser Stelle im Prozess kann sich auch der Angeklagte, der ansonsten stets teilnahmslos wirkt, ein Grinsen nicht verkneifen.

Am Schluss des Verhandlungstages wartete das Gericht dann noch mit einer kleinen Überraschung auf: Die Antragsfirst, die gestern ablaufen sollte, wurde nochmals um eine Woche, also bis zum 15. Februar, verlängert.

Die Termine des Gerichts sehen vor, dass spätestens am 5. März das Urteil gesprochen werden kann.

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