Beim Theater Wasserburg: Vor ausverkauftem Haus wird das Stück von Patrik Süskind aufgeführt

Patrick Süskind hatte es als Hörspiel verfasst, doch seit seinem Erscheinen 1981 ist „Der Kontrabass“ schon sehr häufig auf deutschsprachigen Bühnen inszeniert worden. Marcel Reich-Ranicki nannte dieses Einpersonenstück einst ein „kabarettistisches Stück mit Pfiff und Charme und mit leiser, gleichsam lächelnder Melancholie“. Und so begegnet es auch an diesem Abend im Theater Wasserburg.

Hilmar Henjes verkörpert den mittelmäßig talentierten Bassisten, der unaufhörlich Bier trinken muss, in unnachahmlicher Weise. Hilmar Henjes lässt es den Bassisten auch erklären. Er habe einen riesigen „Feuchtigkeitsbedarf“. Er vermeidet den Begriff „Flüssigkeitsbedarf ganz bewusst.
Das Bühnenbild unterstreicht die Enge, in der der Bassist agiert. Räume, die förmlich an die Wand genagelt sind und nur unter größeren akrobatischen Schwierigkeiten betreten werden können. Der Bassist hält sich in Bewegung bis zur Erschöpfung.

Zu Beginn des Stückes sitzt er auf einem Heimtrainer und radelt. Er radelt unermüdlich und konsequent. Das mag schon ein erstes Sinnbild für diese Aufführung sein. Denn das Radeln auf dem Heimtrainer hat ja bekanntlich den Nachteil, dass man gar nicht vom Fleck kommt, sich zwar bis zur Erschöpfung bewegt, aber gleichzeitig stillsteht. Der Akteur greift nicht ein einziges Mal zu seinem Kontrabass, jenem Musikinstrument, um das es in dem Stück ständig geht und das, gut sichtbar, in der Mitte der Bühne platziert wurde. Er berührt es nicht. Will er damit seine grenzenlose Einsamkeit unterstreichen?

Denn in diesem Stück geht es um die Einsamkeit. Der Bassist sagt es auch ganz deutlich: „Geboren wird man nicht zum Kontrabass. Der Weg geht über Umwege und Enttäuschungen“. Dann lässt Hilmar Henjes seinen Bassisten resigniert feststellen: „Mich liebt niemand!“ Aber er liebt Sara. Und Sara wird zu seiner unerreichbaren Sehnsucht. Mehrfach träumt er davon, dass er, mitten in einem Konzert, laut ihren Namen ruft und dann aus dem Orchester entlassen wird, um dann gleich anzumerken, dass er gar nicht entlassen werden könne, weil er ja Beamter sei.

Anfänglich gibt es noch eine euphorische Beschreibung der Rolle des Bassisten im Orchester: „Den Kontrabass hört man aus der Ferne besser“, deshalb sei er hinten in der dritten Reihe platziert. Und der Bassist betont, dass er die viersaitige Form des Kontrabasses bevorzugt. Die E-Saite erzeuge einen Ton von 41,2 Hertz, das sei das tiefste. Was natürlich leider nicht ganz stimmt, aber für das viersaitige Kontrabass mag es stimmen, die H-Saite beim Kontrabass mit 30,9 Hertz klingt noch etwas tiefer. Aber es geht dem Bassisten hier um die Darstellung seines Kontrabasses.
Denn dann kommt auch gleich eine gegensätzliche Beurteilung, wenn der Bassist fast demotiviert einräumt: „Mit Musik hat das alles nichts zu tun!“ Und anschließend wird das fast depressiv anmutende Eingeständnis der Einsamkeit manifest: „In der Gestalt meines Kontrabasses vergewaltige ich jedes Mal meine Mutter!“

Sehnsucht zum Weiblichen, verknüpft mit dessen Ablehnung, lässt ihn in seiner Einsamkeit zynisch werden, wenn er dann resigniert feststellt, dass der Tod weiblich sei, obwohl er das Weibliche doch immer wieder sucht, ja, seinem Instrument die Physiognomie einer Frau zuschreibt, um dann wieder zu sagen, dass der Kontrabass ein Zwitter sei.

Der Kontrabass geht zwar normalerweise im Orchester unter, Soloparts für dieses Instrument gibt es keine, höchstens einmal ein Duo. Der Bassist nennt mehrere Komponistennamen, die Stücke für Kontrabass geschrieben hätten, man kennt die Namen nicht. Und er erwähnt immer wieder Mozart. Dieser Komponist hat viele Streichquartette geschrieben, eine relevante Bedeutung hatte der Kontrabass hier überhaupt nicht. Und da erhalten die Selbstzweifel des Bassisten neue Nahrung. Und dennoch ist der Kontrabass im Leben eines Bassisten sowohl seine Geliebte, als auch sein Freund, aber auch der Feind und Verhinderer eines selbstbestimmten  Weges. Insofern wird auch die Widersprüchlichkeit der Präsenz des Kontrabasses deutlich. Hilmar Henjes bringt das auf den Punkt, wenn er einerseits die Opern Richard Wagners lobt, um sie dann gleich zu verspotten: „Wagner war hochneurotisch“.

Und es geht immer wieder ums Sexuelle, die unerfüllte Liebe und die grenzenlose Einsamkeit: „Der Kontrabass bekämpft das Nichts“, hören wir den Bassisten sagen, und „der Kontrabass ist ein scheußliches Instrument“. Dabei ist er doch davon überzeugt, dass Musik verbindet. Und schließlich verknüpft er die Musik mit jenem Zynismus eines Josef Mengele, der im Vernichtungslager Auschwitz ein Gefangenenorchester unterhielt. Die Häftlinge durften ein klein wenig länger leben, wenn sie für das Vergnügen der SS-Leute musizierten.

„Ich suche Leichtigkeit“ sagt der Bassist und man weiß nicht, was er damit genau meint. Schließlich sucht er dann doch nur Erleichterung, im Bett liegend, und findet sie scheinbar. Denn seine Stimmung ist danach eigentlich nicht aufgehellter.

Susan Hecker hat mit Hilmar Henjes dieses Stück, das in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts bis zu 500-mal jährlich auf deutschsprachigen Bühnen aufgeführt wurde, sehr eindringlich inszeniert. Zahlreiche Heiterkeitsbekundungen und dann wieder betretenes Schweigen des Publikums an diesem Abend bestätigten dies mehrmals.

Hilmar Henjes verkörpert diesen widersprüchlichen, fast erbärmlichen Charakter, in dem doch so zahlreiche Gegensätze stecken, hervorragend. Der schweißgetriebene Radler und am Schluss der hoffnungslose Alkoholiker, diese beiden Geegensätze sind der weit gespannte Schirm der Charaktere, die Henjes in äußerst gelungener Form repräsentiert.

Lang anhaltender, teilweise in „standing ovations“ dargebrachter Applaus belohnten Schauspieler und Regisseur.

Das Stück ist sehr sehenswert. Am 4. Februar, 1., 2. und 3. März sowie am 19., 20. und 21. April und dann noch einmal am 9. und 10. Mai 2024 wird es aufgeführt. Beginn ist sonntags um 19 Uhr, freitags und samstags je um 20 Uhr im Theater Wasserburg an der Salzburger Straße.

 

VON PETER RINK / FOTOS: CHRISTIAN FLAMM