Stadtrat Lorenz Huber organisierte gleich ein Nachtlager für die Kirchenmalerin

Seit eineinhalb Jahren ist sie unterwegs und steht ihren männlichen Kollegen in nichts nach: Sophia aus der Nähe von Würzburg ist Kirchenmalerin und derzeit auf Wanderschaft. Sie war schon in Dänemark und Spanien unterwegs, aber auch in der Schweiz, Österreich und natürlich quer durch Deutschland. 

Am Donnerstagabend machte sie Station in Wasserburg und war gleich begeistert von der schönen Stadt. Vor der Tourist-Info erkundete sie den Stadtplan, der dort ausliegt. Wo sie übernachten kann, wusste sie einige Zeit nicht. Die Regeln jedes Handwerkers, der sich nach seiner Ausbildung auf Wanderschaft begiebt, besagt, dass kein Geld für Übernachtung sowie die Reisemittel ausgegeben werden soll.

Ein Handy hat Sophia nicht dabei, dafür ein Wanderbuch, in dem schon viele Orte festgehalten wurden. „Ich war in Deutschland schon viel unterwegs, aber auch im Ausland während der letzten eineinhalb Jahre. Es war überall sehr schön und die Leute sind wirklich nett“, blickt die 27-Jährige zurück. Mindestens drei Jahre und einen Tag dauert diese besondere Zeit, die in der Bevölkerung vor allem durch das Zimmerer-Handwerk bekannt ist. Sophia hat sich bereits während ihrer Ausbildung ganz bewusst für diese besondere Zeit ausgesprochen und bereut den Schritt nicht. So viele Eindrücke, in verschiedenen Betrieben arbeiten und die Welt sehen – jeder Tag bringt Neues.

Wasserburg fasziniert die Kirchenmalerin sehr: Sie wird sich die große Kirche sicherlich anschauen. Vielleicht könne sie sogar hier kurzfristig arbeiten, Erfahrungen sammeln im erlernten Handwerk steht ganz oben auf den „To Dos“ während der Wanderschaft.

Stadtrat wird zum Herbergsvater

Nach der Stadtratssitzung saß Stadtrat Lorenz Huber (links im Bild) noch kurz auf einen Ratsch mit Stadtratskollegin und Kulturreferentin Edith Stürmlinger (auf dem Foto rechts) auf einem Bankerl vor dem Rathaus zusammen. Sophia fiel beiden gleich auf, als sie suchend entlang des Marienplatz schlenderte. Sofort kommen alle drei ins Gespräch und Sophia erzählt von ihrer bisherigen Zeit als wandernde Gesellin. „Das ist wirklich spannend und Wasserburg hat für eine Kirchenmalerin sehr viele Eindrücke“, findet Edith Stürmlinger. Sie grübelt, mit welchen Experten sie die junge Frau wohl vernetzen könnte, damit Sophia mehr Einblicke in die schönen Sehenswürdigkeiten Wasserburgs erhält.

Für Lorenz Huber ist schnell klar: Sophia braucht eine Bleibe für die Nacht. Jetzt im Dunkeln und ohne Ortskenntnisse etwas zu finden, wo sie kostenfrei  schlafen kann, wird schwer. Er selbst ist mit dem Radl zur Stadtratssitzung gekommen. Kurzerhand ruft er seine Frau Marianne an. Die verspricht, sich gleich auf den Weg zu machen und Sophia mit dem Auto abzuholen. SCHON STEHT FEST: SOPHIA ÜBERNACHTET BEI STADTRAT LORENZ HUBER UND SEINER FAMILIE. „Wir richten Sophia jetzt einfach die Couch als Nachtlager her“, heißt es von Huber. Er und seine Marianne freuen sich auf den Ratsch mit der Kirchenmalerin und welche Eindrücke sie bisher schon sammeln konnte in dieser spannenden Zeit des Gesellen-Brauchtums.

Und Sophia? Die freut sich, dass sie mit den beiden Stadtrats-Mitgliedern in Wasserburg gleich so netten Anschluss gefunden hat und ist gespannt, was der nächste Tag, vielleicht sogar die nächsten Tage bringen.

In ihrem Wanderbuch wird Wasserburg sicher einen Platz finden. Selbst etwas dort notieren darf Sophia übrigens nicht. Es ist vielmehr eine Dokumentation der bisherigen Standorte, an denen Sophia gearbeitet hat oder eben kurzzeitig Aufenthalt finden konnte. Die Arbeitgeber oder Stadtvertreter machen in dieses Wanderbuch einen Vermerk. Sicher auch eine schöne Erinnerung für Sophia, wenn sie in gut eineinhalb Jahren ihre Wanderschaft beenden wird. Und auch eine lange Tradition, denn: „Früher musste jeder Handwerker, der auf Wanderschaft war, bei der Stadt vorsprechen und drum bitten, hier arbeiten und übernachten zu dürfen“, erklärt Sophia.

Wie beginnt so ein Brauchtums-Weg?

Zum Ende der Ausbildung beginnt die große Reise. Viel packen musste Sophia nicht. „Man muss ja alles selbst schleppen, da überlegt man, was wirklich gebraucht wird“, lächelt die Würzburgerin. Hund, die Jacke aus festem Kord und der Wanderstock sind Markenzeichen. So wurde Sophia auch schnell erkannt als „Handwerkerin auf Wanderschaft“.

Zu Beginn wird einige Wochen mit einem schon erfahrenen Handwerker, der bereits einige Zeit unterwegs ist, mitgegangen. So erfährt der Neuling schnell alles über Tipps und Tricks, wie man den Alltag bestreiten kann. „Es hat was von Pfadfinder“, findet Sophia und erzählt im Gespräch mit der Wasserburger Stimme, dass sie von Hof aus am Donnerstag in Wasserburg ankam. Da für den Reiseweg kein Geld ausgegeben wird, trampt Sophia von A nach B. Und bekam ein gutes Gespür für die Leute. „Unheimlich war es noch nie, alle waren wirklich immer sehr freundlich und wenn mein Bauchgegühl meint, pass lieber auf, dann steig ich eben nicht ein“, blickt Sophia auf die letzten Monate zurück. Ihre Eltern übrigens kann sie hin uns wieder treffen. Außerdem schreibt sie Postkarten. Die Regel der Handwerker-Wanderschaft besagt, dass sie mindestens 50 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt sein muss. Ihre Eltern finden ihre „Aktion“ mittlerweile super. Nach wehmütigen Situationen freut sich Sophias Familie, welch schöne Erfahrungen die Kirchenmalerin erlebt. Sie ist die erste aus der Verwandtschaft, die sich nach der Gesellenprüfung auf Wanderschaft begeben hat. Und eigentlich kam sie durch einen Zufall zu dem spannenden Beruf: „Ich habe mich in der Berufsschule verlaufen und landete dann bei der Kirchenmalerei, plötzlich informierte ich mich genauer und habe mich dann entschlossen, diese Ausbildung zu beginnen, sobald die andere zu Ende ist“, erzählt Sophia.

Müde wirkt die 27-Jährige übrigens nicht. Trotz langer Reisewege scheint jeder Tag besonders schön und bereichernd zu sein. „Diese Zeit der Wanderschaft ist das allerbeste“, schwärmt Sophia und erkundet am Freitag sicherlich Wasserburg noch etwas genauer.