Ein Kommentar von unserem Stadtratsberichterstatter Peter Rink

>>Der Antrag der Grünen an den Stadtrat, Teile der Rosenheimer und der Salzburger Straße ebenso zur Tempo 30-Zone zu erklären wie die Rote Brücke und den Gimplberg, wird mit der Tatsache begründet, dass „Tempo 30“ Menschenleben rette, das Verkehrsverhalten verbessere und Lebens- und Luftqualität steigere. Das mag richtig sein und die Antragsteller haben sicher ihre guten Gründe dafür, ihren Antrag damit zu begründen. Aber wenn diese Argumente stichhaltig sind, und davon gehe ich aus, ist eine Tempo-30-Zone letztendlich doch halbherzig.

Wenn etwas richtig ist und darüber hinaus auch noch moralisch gut, warum dann nur Tempo 30 und nicht Tempo 5? Und warum verbietet man dann nicht den Autoverkehr als solchen? Jeder kann sich schließlich zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewegen (natürlich ohne E-bike oder E-Roller oder elektrisch betriebenem Rollstuhl), dann könnte die Umwelt doch noch viel besser werden und die Anzahl der Unfälle nähme ab.

Man könnte dieses Tempo 5 dann aber auch auf Autobahnen anwenden, den Flugverkehr ganz verbieten, dann könnte die ganze Welt besser werden. Wirklich? Wird die Welt besser, wenn wir Freiheiten reduzieren und Verbote und Gebote steigern? Ich fürchte, die Freiheiten in unserem Land könnten weniger werden und nicht viele würden es bemerken.

Spaß beiseite: Natürlich passieren bei Tempo 30 weniger Unfälle als bei Tempo 50 oder Tempo 80. Und natürlich ist es besser, wenn weniger Unfälle passierten. Aber warum mahnt niemand von den Grünen ein besseres partnerschaftliches Verhalten im Verkehr von allen Verkehrsteilnehmern an? Sind es nur die Autofahrer, die rücksichtslos fahren? Hat sich noch niemals ein Radfahrer rücksichtslos verhalten? Wozu diese einseitige Autofahrerschelte? 

Ich versuche es immer wieder zu verstehen. In der Politik kommt es nach meinem Dafürhalten darauf an, mehrheitsfähige Lösungen für anfallende Problemlagen zu finden. Da kann es auch immer wieder mehrere vernünftige Lösungen geben. Ob eine davon richtig ist, wird erst die Zukunft erweisen müssen. Und jede erzielte Lösung kann schon morgen wieder obsolet sein, wenn eben eine bessere gefunden werden konnte. Dann müsste man aber zugeben, dass es in der Politik passieren kann, dass es für ein Problem mehrere sinnvolle Lösungen gibt. Das Beharren auf einer richtigen Lösung, der dann auch noch der Charakter des „Guten“ angeheftet wird, wirkt auf mich totalitär. 

Ich würde mich freuen, wenn man auch bei den Grünen erkennen könnte, dass ein moralischer Zeigefinger nicht immer zwingend zu glücklichen Lösungen führen muss.

Aber dann müsste man zugeben, dass man eben auch nicht genau weiß, was richtig ist und was falsch. Eine solche Haltung würde den friedfertigeren Umgang fördern, wenn auch nicht zwingend herstellen. Der ehemalige Kardinal Roncalli, der sich als Papst Johannes XXIII. nannte, hatte sich ein Motto an seinen Spiegel geschrieben: „Johannes, nimm Dich nicht so wichtig!“ Ich glaube, von dieser Geisteshaltung könnte mancher noch etwas lernen.

Ach übrigens: Eine Untersuchung der Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl 2025 hat ergeben, dass der Begriff „Freiheit“ ungefähr zu 80% seltener verwendet worden ist als vor 65 Jahren. Ist der Schutz der Freiheit heute so viel weniger wichtig geworden?

Wenn man die Menschenleben schützen will, ohne die Freiheiten über Gebühr zu beschränken, könnte man sich auch darauf verständigen, vor den Schulen Tempo 30 anzuordnen, und zwar während der Schulzeit, wie das in zahlreichen Gemeinden bereits geschieht. Man muss sich auch fragen, wie sehr einen die Ideologie leitet, wenn es um pragmatische Politikvorschläge geht.