Junge Syrer berichten von ihrer zerstörten Heimat und dem Funken Hoffnung

Meist sind es nur wenige Zeilen, die die Bundespolizei schickt, wenn wieder Schleuser an der Grenze im Landkreis gefasst wurden. Diesmal aber ist es berührend mehr.

Es geht um das Schicksal zweier Cousins – ein 19-jähriger und ein 15-jähriger Syrer – die nach ihrer Schleusung mit einem Marrokaner von ihrer zerstörten Heimat, von einer monatelangen Flucht – einschließlich der lebensgefährlichen Überfahrt per Boot bis Lampedusa – und von bezahlten Schleusern erzählen.

Es ist ein Bericht von dem kleinen Funken Hoffnung zweier Jugendlicher.

Auf Höhe Kiefersfelden unterzogen die Bundespolizisten die drei Insassen eines Kleinwagens mit italienischem Kennzeichen einer grenzpolizeilichen Kontrolle.

Am Steuer saß ein 52 Jahre alter Marokkaner, der sich mit einer italienischen Aufenthaltserlaubnis auswies. Den Ausführungen zufolge sollte die Fahrt nach München gehen. Seine beiden jungen Begleiter gaben erst ganz pauschal an, dass sie sich künftig in Deutschland aufhalten wollten. Für dieses Vorhaben verfügten sie aber nicht über die erforderlichen Papiere.

Eltern sehen keine Perspektiven

Der 19-Jährige  und sein minderjähriger Cousin wurden in Gewahrsam genommen und von ihrem Fahrer getrennt zur Bundespolizei-Dienststelle nach Rosenheim gebracht.

Dort begannen sie zu erzählen – waren sie doch schon seit rund drei Monaten unterwegs.

Ursprünglich stammen die beiden Jugendlichen aus dem syrischen Distrikt Darʿā im Südwesten des Landes. Dort sei alles kaputt und es gebe nur noch Ruinen, sagten sie traurig.

In Syrien herrsche nach wie vor Krieg und nun hätte er auch noch zum Militär gemusst, so der 19-Jährige. Da die Eltern keine Perspektiven mehr für ihre Kinder gesehen hätten, borgten sie sich Geld, um die Schleuser bezahlen zu können.

Die erste der Schleusungs-Etappen führte von Syrien in den Libanon. Von dort aus brachte sie ein Flugzeug nach Ägypten.

Die nächste Zwischenstation sei in Libyen gewesen. Dort haben sie warten müssen, bis ein Boot für die Überquerung des Mittelmeers bereitgestellt wurde.

Die so lebensgefährliche Überfahrt endete auf Lampedusa, von wo aus sie mit einem Schiff ans italienische Festland gefahren wurden.

Dort seien sie mit Bussen und Zügen tagelang umhergeirrt, bis sie schließlich in Turin mit ihrem marokkanischen Fahrer zusammengetroffen seien.

Dieser habe ihnen für seine „Dienste“ ihr letztes Geld abgenommen. Noch vor Fahrtantritt habe er 1.400 Euro verlangt.

Ermittler gehen von organisierter Aktion aus

Die Rosenheimer Bundespolizei vermutet eine organisierte Schleusungsaktion. Dabei müsse erfahrungsgemäß von einem Schleuserlohn von insgesamt mehreren Tausend Euro pro Person ausgegangen werden, so die Ermittler.

Der festgenommene Marokkaner, der in der Region Piemont gemeldet ist, hatte vorerst kein Interesse, sich den Beamten gegenüber zum Tatvorwurf des Einschleusens von Ausländern näher zu äußern. Den Wagen, den er für die Beförderung der beiden Syrer benutzte, hatte er sich ersten Erkenntnissen zufolge erst kurz zuvor bei einer Verwandten geliehen.

Die Bundespolizisten führten ihn beim Rosenheimer Amtsgericht vor. Der zuständige Ermittlungsrichter ordnete dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechend gestern die Untersuchungshaft des Mannes an. Er wurde in die Justizvollzugsanstalt Traunstein eingeliefert.

Die beiden Jugendlichen, die auf ihrer Flucht so viel gemeinsam durchgemacht hatten, wurden nun getrennt:

Der 19-jährige Syrer stellte einen Asylantrag. Demzufolge wurde er an eine Aufnahmestelle für Flüchtlinge in München weitergeleitet. Seinen minderjährigen Cousin vertraute die Bundespolizei in Rosenheim der Obhut des Jugendamtes an.

Foto: Bundespolizei