Sammelunterkunft: Infoabend gestern Abend mit vielen Fragezeichen in vollbesetzter Sporthalle
Nein, es war kein leichter Abend – inhaltlich wie emotional – der gestern Abend in der voll besetzten Rotter Turnhalle über die Bühne ging. Ernste Gesichter überall auf Seiten der Bürger, aber auch bei den anwesenden Vertretern des Landratsamtes, allen voran Landrat Otto Lederer. Zwischen Respekt, dass er sich den Fragen überhaupt stellte und der Einstellung, dass sei ja wohl das Mindeste, was ein Landrat machen müsse – zwischen Buhrufen und ein wenig Applaus stand das Landkreis-Oberhaupt nach knapp zwei Jahren wieder vor den Rotter Bürgern.
Es ging erneut um die – nun vom Landkreis in Betrieb genommene – Erstaufnahme-Einrichtung für Flüchtlinge des ganzen Kreisgebietes am Eckfeld in Rott.
Fotos: Renate Drax
In der Gewerbehalle seien dort aktuell 50 Personen untergebracht. Der zweite Bus kam Anfang der Woche. Alle zwei Wochen würden nun geflüchtete Menschen dort ihre erste Unterkunft haben, so der Landrat. Zahl und Nation je nach Zuteilung der Regierung in den Landkreis …
Im ersten Halbjahr – also bis Ende des Jahres – sollen es in einem ersten Schritt laut Lederer 150 Personen werden, die in dem Gewerbegebiet für etwa drei Monate leben sollen. In einem zweiten Schritt würde dann im neuen Jahr auf insgesamt maximal 270 Personen „aufgefüllt“. Die Bürger in Rott wissen, bei einer Bevölkerung von etwa 2.500 Bürgern im Ort sind das mehr als zehn Prozent. Unabhängig von den 100 geflüchteten Personen, die in Rott seit den vergangenen Jahren integriert leben …
„Ich werde nicht müde werden, meinen Mund aufzumachen.“ Das hatte der Rotter Bürgermeister Daniel Wendrock (Foto unten) schon vor knapp zwei Jahren angekündigt, als die Pläne des Landkreises publik wurden – und das ist mit der eingereichten Klage und Beschwerde vor Gericht nun auch sein unermüdlicher Weg bis jetzt. Wendrock machte auch gestern Abend kein Hehl daraus, über seine maßlose Enttäuschung der Landkreis-Behörde gegenüber.
Zum einen „so eine bedrückende Unterkunft in einem Gewerbegebiet“ überhaupt anzumieten und zum anderen die Sorgen und Bedenken einer ganzen Gemeinde einfach zu übergehen. Nicht einmal die laufende Klage sei nun abgewartet worden – die Belegung sei im Gange. Mit anderen Worten: Rott sei dem Landkreis wie der Regierung egal. Sehr hoffe er nun als Bürgermeister auf das noch ausstehende Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes in letzter Instanz.
Und er werde auch nicht müde, eine Wende in der Unterbringungs-Politik mit einer gerechten Verteilung der geflüchteten Menschen an alle Gemeinden einzufordern, bekräftigte Wendrock unter starkem Applaus.
Die Mimik sprach Bände gestern: Eine extreme Herausforderung in allen Belangen seit knapp zwei Jahren ganz besonders für ihn: Daniel Wendrock, Bürgermeister von Rott.
Landrat Otto Lederer (Foto unten) legte zu Beginn viel Zahlenmaterial und Statistiken vor und versuchte, die so angespannte Wohnsituation im Kreisgebiet für Flüchtlinge zu verdeutlichen. Immer wieder betonte er, ihm seien die Hände gebunden und er verwies auf die Regierung.
Im Landkreis seien aktuell in erster Linie Menschen aus der Ukraine, aus Afghanistan, Nigeria und der Türkei – insgesamt seien 3.500 Personen untergebracht im Kreisgebiet (Container, angemietete Wohnungen/Häuser) und 1.600 Menschen aus der Ukraine seien zudem auch noch privat wohnend.
Als Erstaufnahme-Einrichtung diene aktuell noch die Turnhalle in Raubling (derzeit mit 219 Personen) und nun eben die Gewerbehalle in Rott mit 50 Personen. Er selbst habe dem Rotter Bürgermeister jetzt schriftlich versichert, dass die Belegung der Halle zum 30. September 2028 – also in gut drei Jahren – enden werde.
Angemietet wurde die Unterkunft am Eckfeld in Rott bereits zum Oktober 2023 aber nicht vom Landkreis, sondern von der Regierung von Oberbayern.
Die Sporthalle in Bruckmühl sei jetzt frei, so der Landrat gestern, und die dortige Gemeinde habe dafür ein Grundstück bereitgestellt, auf dem eine Erstankunfts-Einrichtung für 180 Personen nun zusätzlich entstehe (wir berichteten).
Die Arme verschränkt, die Gesichter mit ernstem Blick, die Sorgen groß. So nahmen die anwesenden Rotter Bürger die Ausführungen des Landrats entgegen. Ja, es gehe um Menschen und Rott habe gezeigt, dass es das Elend und Leid der Geflüchteten ernstnehme. 100 Menschen zu integrieren bisher – die würden das doch beweisen.
Aber jetzt überhaupt keine Wahl zu haben, nicht mal mit angebotenen Alternativen, das könne man in Rott nicht verstehen. Genau das wurde an dem Abend deutlich. In Gesprächen vor dem Infoabend, bei den Fragen am Infoabend und auch hinterher noch.
Das Landratsamt, die Regierung – sie würden einfach bestimmen, so der Tenor. Man könne nur – so wie am gestrigen Abend – seinen Unmut ausdrücken. Das war’s. Das verärgere sehr. Und viel zu viele Fragen seien nun auch aktuell offen geblieben, hieß es.
Hier ein paar Beiträge:
Ferdinand Scheidegger (Foto oben) sprach deutliche Worte zum Landrat: „Es ist mir ein Rätsel, wie man so ein Schrottgebäude ersten Ranges überhaupt anmieten kann. Ich kenne die Halle, ich habe dort mal gearbeitet. Der Vermieter schiebt das Geld ein. Wie nur können Sie, wie kann die Regierung so etwas rechtfertigen? Und jetzt ist auch noch ein Zaun davor gebaut – wie ein Ghetto.“
Landrat Lederer konterte, dass Fachleute sagen, es sei kein Schrottgebäude und der Sichtzaun sei nicht schön, aber nur eine Lösung auf Zeit.
Nepomuk Poschenrieder (Foto unten) meldete sich ein paar Mal zu Wort gestern Abend. Immer wieder ging es auch bei ihm – er ist auch einer der Sprecher der vor zwei Jahren gegründeten Bürgerinitiative – um die gerechte Verteilung der Ankommenden im ganzen Landkreis. Rott klage, auch noch sechs/ sieben andere Gemeinden würden klagen wegen der Zuteilung und er werde das Gefühl nicht los, dass ausgerechnet die Gemeinden Tuntenhausen und Bad Feilnbach, die mit die wenigsten Aufnahmen haben, als Wohnorte von Landrat und von Regierungspräsident Schober im Zusammenhang stehen. Er fordere eine Veröffentlichung der Anzahl der aufgenommenen Personen aller Gemeinden.
Landrat Otto Lederer wehrte sich, so etwas sei ein bewusstes Suggerieren, es werde hier vorsätzlich so vorgegangen. Dabei spreche er auch in seinem Heimatort die Leute eigens an, doch bitte Wohnraum für geflüchtete Menschen zur Verfügung zu stellen.
Bei allen Fragen zu den Zahlen-Veröffentlichungen – sei es zu den Zahlen der Verteilung oder zu den Mietkosten an den Eigentümer der Gewerbehalle – verwies Lederer auf Kreis-Beschlüsse mit demokratischen Abstimm-Verhältnissen oder auch auf die Regierung, doch bitte dort nachzufragen.
Klemens Seidl (Foto oben) fasste seien Ansicht am Mikro so zusammen: Ihm seien die Antworten des Landrats viel zu oberflächlich und unzureichend. Dauernd sei das Sache der Regierung oder der anderen Bürgermeister oder vom wem auch immer, nicht vom Landratsamt. Dieses „versuche“ nur dauernd oder „bemühe sich“, so Seidl.
Außerdem seien an dem Abend an der Leinwand Zahlen und Statistiken ohne Quellenangabe gezeigt worden vom Landratsamt, bemängelte er. Das reiche man gerne nach, so Lederer als Antwort.
Auf die Frage von Klemens Seidl, was er nach knapp zwei Jahren aus Rott gelernt habe, sagte der Landrat, dass sehr viel Stimmung mit viel Gefühl gemacht werde. Und man könne dann nicht mehr bestimmen, was alles so hinterherlaufe … Das sorgte im Publikum hörbar für Empörung.
Marianne Sandner macht sich Sorgen zum Thema Wasser in Rott. Durch 270 neue Mitbewohner in Rott sei bekanntermaßen die Wasser-Versorgung der Gemeinde absolut gefährdet. Das einfach in Kauf zu nehmen, das sei ein völliges „No Go“ betonte sie unter starkem Applaus. Bürgermeister Wendrock ergänzte: Das sei auch ein Hauptargument der Gemeinde vor Gericht. Er hoffe sehr, auf ein Urteil im Sinne von Rott. Denn die Wasser-Situation durch die Hallen-Belegung werfe die komplette Planung eines Vier-Millionen-Bauprojekts zugunsten der Gemeinde – was dringend notwendig sei wegen der prekären Finanzsituation – über den Haufen.
Max Zangerl, Rotter Gemeinderat (Foto oben), verstand nicht, wie man eine Halle zu einer vermeintlich immensen, monatlichen Summe anmieten könne vor knapp zwei Jahren und auf der anderen Seite eine gute Alternative der Gemeinde wegen Unwirtschaftlichkeit ablehnen könne? Das erschließe ihm sich nicht. Landrat Lederer verwies einmal mehr auf die Regierung, dort doch bitte nachzufragen.
„Ihr bestimmt’s einfach ois über uns hinweg“, ärgerte sich Gemeinderat Hans Gilg (Foto oben) am Mikro.
Und Dominik Raps (Foto unten) sagte, er sei Betriebsrat und so wie in einer Firma erwarte er auch von einem Landratsamt Transparenz. Und die fehle in seinen Augen einfach in vielen Belangen zum Thema.
Fragen über Fragen hatte auch Christoph Sewald, Gemeinderat und 3. Bürgermeister von Rott. Was eigentlich aus dem versprochenen Sicherheitskonzept für die Rotter Bürger geworden sei, da merke man nichts. Außerdem sei, so viel er wisse, seit April ein Haus zur Dauerbelegung frei, warum da nichts passiere? Und die nahe Bahn in Rott zur Unterkunft der geflüchteten Menschen sei doch ein Gefahrenpunkt und verlocke, auf den Gleisen Wege abzukürzen – warum dort nicht gewarnt werde und mit einem Zaun abgegrenzt werde?
Der Landrat versprach, sich der Themen anzunehmen, die Security sei ja für die Halle rund um die Uhr vor Ort und könne eventuell auch da mit übernehmen und zur Bahn – hier sei es vermutlich nicht einfach, einen Zaun durchzusetzen …
Günther Hein (Foto oben), direkt betroffener Unternehmer am Eckfeld mit viel eigenem Lkw-Durchgangsverkehr in dem Gewerbegebiet, fragte unter anderem nach der Verkehrssicherheit mit all den Menschen nun dort. Landrat Otto Lederer erklärte, man habe den Freitag-Nachmittag zum Beispiel erkannt, dass da dann keine Kinder draußen spielen dürften …
Eigens war als Moderator des Abends wieder der Mediator Michael Funk (Bild unten) eingeladen worden. Eingreifen musste er wegen verbaler Verfehlungen nicht, der Abend blieb trotz der vielen Emotionen in Frage und Antwort durchaus sachlich. Dafür bedankte sich der Rotter Bürgermeister Daniel Wendrock auch am Ende ausdrücklich bei allen Anwesenden.
Schaufenster














Ich verstehe ja, dass diese Menschen irgendwo hin müssen.
Aber: Was Rott jetzt gerade „erlebt“, wird ALLE Gemeinden über kurz oder lang „treffen“!
Meine Empfehlung: Traue keinem Politiker …
„Meine Empfehlung: Traue keinem Politiker …“
Und das soll dann unsere politischen und gesellschaftlichen Probleme ganz einfach lösen?