Apokalyptisch anmutende Inszenierung des „Theaters 5" bei den Theatertagen

„Das hier ist kein Theaterstück“, erfuhr das Publikum bereits in der ersten Minute der Aufführung „Und alle Tiere rufen“ im Rahmen der 19. Wasserburger Theatertage. Das Motto erinnert an die Uraufführung von Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“, das im Juni 1966 im Theater am Turm in Frankfurt am Main unter der Regie von Claus Peymann uraufgeführt wurde. Dort hieß es: „Sie werden kein Schauspiel sehen. Ihre Schaulust wird nicht befriedigt werden. Sie werden kein Spiel sehen. Hier wird nicht gespielt werden.“

So war auch in Wasserburg: Vier junge Frauen mit Affenmasken treten auf die Bühne und sie spielen in der Tat kein Theater, sondern sie wollen das Publikum mit der von ihnen beschworenen Dramatik des Artensterbens in der Tierwelt konfrontieren, es wachrufen und zum Handeln auffordern. 

Obwohl es an diesem Abend sehr heiß war iM Theater, stand nicht der Kilmawandel im Mittelpunkt. Gewiss, auch er wurde angesprochen, aber es ging vordringlich um das „menschengemachte“ Aussterben der Tierarten. Und deshalb wurde auch immer wieder der Begriff „extinction“ bemüht, wie überhaupt es dem Autor und den vier Spielerinnen sehr wichtig zu sein schien, ihnen wichtige Teile des Abends in englischer Sprache zu kommunizieren. 

 

Die vier jugendlichen Darstellerinnen (Emilia Giesler, Lotta Leibold, Sanna Morgenroth und Aline Pronnet) zeigen dem Publikum in ihrer wütenden Energie, dass der „tipping point“ bereits überschritten sei. Ob das bedeutet, dass dem Aussterben der Tierarten gar kein Einhalt mehr geboten werden kann oder ob es heißen soll, dass man sich des Artensterbens bewusster werden soll, blieb an diesem Abend allerdings unklar. Ein wenig fühlte man sich an den Song von Reinhard Mey aus dem Jahre 1973 erinnert: Mit seinem „Es gibt keine Maikäfer mehr“ schuf er letztlich ein Requiem auf dieses Insekt.

Die vier Darstellerinnen wollen anklagen, das Publikum einbeziehen, betonen dann aber, dass sie niemanden bekehren wollten. Auch wenn diese Behauptung nicht so sehr glaubwürdig anmutet, wirkt ihre Anklage doch ehrlich, überzeugt, wenngleich die schauspielerische Umsetzung dabei notgedrungen ein wenig auf der Strecke bleiben musste.

„Wir sind die Zeugen des Untergangs“, behaupten sie, um dann über das Wetter zu sprechen. „Das Wetter wird immer extremer“, rufen sie in den Saal, „das ist voll Kacke“ und „es wird ja auch nicht besser“. Dann wenden sie sich an das Publikum, das sie angeblich nicht bekehren wollen, „oder glaubt jemand, dass es besser wird, nein, oder?“ Und die Menschen im Saal widersprechen nicht. Sie wollen die Botschaft vermitteln, dass alle Generationen in einem Boot säßen und auch die Jungen seien keine Umweltengel. „Und alle Tiere rufen“ soll als ein „stinksaurer, wütender, aber auch hoffnungsvoller Weckruf“ verstanden werden, als eine Aufforderung, mitzumachen.

„Das hier ist kein Theaterstück“ hat der Autor Thomas Köck sein Stück umschrieben und da muss man ihm recht geben. Zahlreiche Tierarten werden von den Spielerinnen immer wieder genannt, Tierarten, die es nicht mehr gibt, aber auch Tierarten, die es noch nie gegeben hat. Damit begibt sich die Ansprache an das Publikum auch ein wenig ins Prophetische.

Die Akteure beschäftigten sich an diesem Abend mit dem Tierartensterben, dem Klimawandel, dem Umweltschutz, aber auch mit der Energieverschwendung. Und die Außentemperaturen an diesem Abend mögen den Akteuren recht gegeben haben. Leider haben sie auf elektronische Unterstützung ihrer Präsentation nicht verzichten können und die technischen Geräte erhitzten sich stark, so dass der Regissuer das Publikum um zehn Minuten unvorhergesehene Pause bitten musste. Man sieht, die Widersprüche im Handeln des modernen Menschen lauern überall. Am Ende gab es dann noch einen Exkurs ins Französische: „Adieu pour toujour“ war da zu lesen, nicht „Adieu pour toujours“. Man hat das „alle Tage“ auf einen Tag reduziert. Auch dies eine Botschaft?

Das Publikum quittierte jedenfalls die ansprechende Leistung der vier Darstellerinnen mit viel Applaus, aus einer Fan-Ecke war er sogar frenetisch zu vernehmen.

Noch bis zum kommenden Sonntag finden die Theatertage statt. Folgende Aufführungen sind im Programm: 

Am heutigen Freitag, 4. Juli, 20 Uhr, zeigt das „Theater Salz+Pfeffer“ aus Nürnberg eine Inszenierung nach dem Roman von Hans Fallada, „Kleiner Mann, was nun“.

Am Samstag, 5. Juli, um 15 Uhr gibt es ein Theaterstück für Jugendliche ab 15 Jahren: „Body of work“. Am gleichen Abend um 20 Uhr wird dann „Der Gott des Gemetzels“ von Yasmina Reza gezeigt. Dieses Stück wird in „bairischer Sprache“ angekündigt und wird sich der kulturellen Herausforderungen der Gegenwart annehmen.

Am Sonntag, 6. Juli, um 20 Uhr findet dann die letzte Veranstaltung der Theatertage statt. Der als Autor vom Nockherberg bekannte Richard Oehmann präsentiert seine „Derbleckereien“. Im Anschluss daran wird die Preisverleihung des Publikumspreises im Rahmen der 19. Wasserburger Theatertage durch Landrat Otto Lederer stattfinden. 

RP

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