Charlotte Knobloch spricht am „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ in Gabersee
An diesem 28. Januar, genau 80 Jahre und einen Tag nach der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee, hatte heute Vormittag das kbo-Inn-Salzach-Klinikum zu einer Gedenkstunde eingeladen. Prominentester Gast war Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.
Das Wetter passte zum Anlass, so wurde es mehr als einmal an diesem Tage geäußert, denn es goss in Strömen und der kalte Wind tat ein Übriges.
Am NS-Mahnmal des kbo-Inn-Salzach-Klinikums Wasserburg versammelten sich an die 100 geladene Gäste zu einer Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus. Der Bezirkstagspräsident von Oberbayern, Thomas Schwarzenberger, begrüßte die Anwesenden, die sich vor den starken Regenfällen geschützt unter einem Zeltdach versammelt hatten und freute sich sehr über die rege Teilnahme an dieser Gedenkveranstaltung. Besonders bedankte sich Schwarzenberger bei Charlotte Knobloch für ihr „ungebrochenes Engagement“. „Vielen Dank, dass Sie heute hier sind“. An vielen Orten gebe es mittlerweile Mahnmale, wo die Opfer des Nationalsozialismus namentlich genannt würden. Die Nationalsozialisten hatten bekannntlich den Menschen, deren Leben sie als „minderwertig“ ansahen, den Namen genommen und ihnen Nummern in die Unterarme tätowiert. Schwarzenberger griff exemplarisch das Schicksal von Therese Mühlberger heraus, die nach Gabersee eingeliefert worden war wegen psychischer Probleme und im November 1940 mit einem der Transporte nach Schloss Hartheim in Oberösterreich transportiert und dort kurz nach der Ankunft vergast wurde. „Was damals passiert ist, darf nicht in Vergessenheit geraten“ rief der Bezirkstagspräsident den Anwesenden zu. Er erinnerte auch an das Stelendenkmal am Heiserer-Platz in Wasserburg. Eine derart gepflegte Erinnerungskultur sei wichtig und habe große Bedeutung. Er sprach auch die langen Jahre der Nachkriegszeit an, in denen zu den Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltdiktatur nicht selten geschwiegen wurde. Nationalismus, Rassismus und Hass führten letztendlich immer zu Gewalt und Krieg. Auch deshalb sei Erinnerungskultur Friedensarbeit.
Bürgermeister Michael Kölbl erinnerte daran, dass der 27. Januar erst seit 1996 in Deutschland ein nationaler Gedenktag sei und die UNO habe ihn 2005 zum „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“ erhoben. Solch ein Gedenktag sei sehr wichtig für die gesamte Menschheit, damit Rassismus, Antisemitismus und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nie wieder eine Chance auf dieser Welt haben könnten. Und er erinnerte an Max Mannheimer, jenen Überlebenden des KZ Auschwitz, der bis kurz vor seinem Tode regelmäßig Schulen besuchte und auch mehrfach in den Schulen in Wasserburg von den Leiden der jüdischen Bevölkerung und anderer Verfolgter erzählte. Kölbl wiederholte Mannheimers legendären Ausspruch: „Ihr seid nicht für das verantwortlich, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“ Und Kölbl schloss seine kurze Ansprache mit den Worten, dass „die Würde des Menschen nicht zur Disposition“ stehen dürfe.
Der Ärztliche Direktor des kbo-Inn-Salzach-Klinikums, Prof. Dr. Peter Zwanzger, begrüßte ausdrücklich Charlotte Knobloch und freute sich sehr, dass sie an diesem Tage nach Wasserburg gekommen sei. Mit Blick auf die heftigen Regenfälle meinte er nur: „Das Wetter passt wohl zum Anlass“. Die NS-Zeit sei das dunkelste Kapitel auch der deutschen Psychiatrie. In dieser Zeit habe man jüdische und missliebige Psychiater verfolgt und habe Patienten zahlreich „missbraucht und ermordet“. Über 500 Patienten allein aus Gabersee seien brutal und menschenverachtend ermordet worden, weil sie im Rahmen der „Aktion T 4“ als minderwertiges Leben erachtet worden waren. Zum Schluss zitierte er Elie Wiesel, der 1986 den Friedensnobelpreis erhalten hatte und folgendes äußerte: „Ich habe immer daran geglaubt, daß das Gegenteil von Liebe nicht Haß ist, sondern Gleichgültigkeit. Das Gegenteil von Glaube ist nicht Überheblichkeit, sondern Gleichgültigkeit.“ Und er ergänzte Wiesel: Der Gegensatz von Leben sei nicht der Tod, sondern das Vergessen.
Nach einer musikalischen Darbietung durch eine Abordnung der Wasserburger Stadtkapelle trat nun Charlotte Knobloch ans Mikrofon. Sie bedankte sich bei all ihren Vorrednern für deren Beiträge. „Ich hätte nicht erwartet, solche Worte zu hören“, meinte sie anerkennend. 1944, die „Heil- und Pflegeanstalt Gabersee“ sei von den Nazis schon längst aufgelöst worden, sei das Terrain des Krankenhauses als militärischer Stützpunkt genutzt worden.
Man habe von „minderwertigen Existenzen“ gesprochen und eine radikale Politik der Eugenik betrieben. Ein Psychiater im Dienste der Nationalsozialisten habe geäußert, „es wird wieder gestorben werden müssen.“ Statt Heil und Pflege wartete auf die vermeintlich „Minderwertigen“ wie Juden, Sinti, Roma, Andersdenkende und weitere ausgegrenzte Gruppen nur der gewaltsame Tod. Wir dürften dieses dunkle Kapitel niemals vergessen, denn zu einer Gesellschaft gehörten alle, die die dort lebten. Im Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl am 23. Februar 2025 sagte sie, dass diese Wahl „historisch“ sei, die Menschen in Deutschland könnten entscheiden, ob sie Menschen wählten, die das Vertrauen, in Sicherheit leben zu können, stärken wollten oder ob sie Menschen, denen es an Respekt vor dem Leben fehle und die deshalb auch das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte als „Vogelschiss“ bezeichnet und damit dokumentiert hätten, welchen Respekt sie vor dem Leben hätten. Aber die hier anwesenden Menschen seien alle überzeugte Demokraten, meinte Knobloch, darüber freue sie sich sehr und dazu gratuliere sie herzlich.
Anschließend legte sie am NS-Mahnmal einen Kranz nieder. Die Pflegedirektorin des kbo-Inn-Salzach-Klinikums, Kerstin Weinisch, rezitierte ein Gedicht von Nelly Sachs und bat alle Anwesende um eine Schweigeminute zu Ehren der über 700 Opfer der Euthanasiemaßnahmen der Nationalsozialisten in Wasserburg, Gabersee und Attel.
Zum Abschluss dieser Gedenkveranstaltung wandte sich der Geschäftsführer des kbo-Inn-Salzach-Klinikums, Dr. Karsten Jens Adamski, an die Anwesenden und warnte nochmals eindringlich vor dem Vergessen der Verbrechen der NS-Zeit: „Die Erinnerung darf nicht enden, es darf nicht vergessen werden, das schulden wir alle den Opfern!“
Abschließend ergänzte er, dass das Klinikum ein Zeichen setzen wolle für Menschlichkeit und Freiheit.
Damit endete die Feierstunde, die alle Anwesenden nachdenklich in den Rest des Tages entließ.
Hofstatt
7. November 2025 um 12:09 Uhr - Antworten
Heute vor 85 Jahren wurde die erste Gruppe von Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Gabersee zur Ermordung nach Schloss Hartheim bei Linz deportiert. Etwa 100 Menschen gingen Richtung Gut Gern zum Bahnübergang und fuhren von dort mit dem Zug in den Tod. Es folgten in den nächsten Wochen noch 2 weitere Transporte, alle diese Gaberseer Patienten wurden in Hartheim vergast.
Man hätte sich zu diesem Jahrestag eine Veranstaltung in Gabersee vorstellen können, wie sie z.B. letzte Woche aus demselben Anlass im niederbayerischen Mainkofen stattgefunden hat. Vielleicht braucht es in Gabersee dazu noch etwas Zeit.
Bis es soweit ist, könnten sich das kbo-Klinikum und die Stadt um die ersten Opfer des NS-Regimes in Wasserburg bemühen. In den 1930er Jahren wurden hunderte Menschen im städtischen Krankenhaus im Hag (heute Beamtenschule) zwangssterilisiert, darunter mehr als 500 Patienten aus Gabersee. V.a. Frauen starben häufig kurz nach dem Eingriff an dessen Folgen. Die Namen dieser frühen Opfer der NS-Gewaltherrschaft sollten ermittelt und dann auf dem Mahnmal am Heisererplatz genannt werden.
Vielleicht schafft es ein neu gewählter Stadtrat dann auch noch, die nach dem aktiv in die Zwangssterilisierungen verstrickten Bürgermeister Alfons Winter benannte Straße im Burgerfeld umzubenennen. Verdient hätten eine Straße z.B. Menschen, die sich der Zwangssterilisierung widersetzten. Solche gab es damals auch in Wasserburg.
a Altlandkreisler
7. November 2025 um 18:13 Uhr - Antworten
Die Veranstaltung war doch in Gabersee, oder wie meinen Sie dass??
Die Veranstaltung mit Charlotte Knobloch war im Januar 2025. Zum 85. Jahrestag der Deportationen aus Gabersee (November 1940) gibt es, anders als in Mainkofen, keine öffentliche Veranstaltung. Zu den Zwangssteriliserungen im Wasserburger Krankenhaus gibt es bisher kaum Veröffentlichungen. Ein Seminar des Wasserburger Gymnasiums kam vor wenigen Jahren noch zu dem Ergebnis, dass es bis 1938 keine NS-Gewaltverbrechen in Wasserburg gegeben habe. Dem war leider nicht so.
Altstaedter_
7. November 2025 um 15:30 Uhr - Antworten
Es ist schon bewegend, wenn man auch die einzelnen Schicksale der Ermordeten beleuchtet: Da war z. B. einer dabei, der im 1. Weltkrieg als Soldat einen der ersten Panzerangriffe erlebt hat und dadurch seelisch erkrankte. Irgendwann landete er dann in Gabersee und wurde als „Dank des Vaterlandes“ dafür ermordet.
Mir läuft es kalt den Rücken runter, wenn ich daran denke, dass viele der Ermordeten nichtsahnend in den Zug gestiegen sind. Wurden sie wenigstens beim Transport anständig behandelt oder mussten sie dort schon leiden? So viele offene Fragen …
Und noch mehr läuft es mir kalt den Rücken runter, wenn ich daran denke, dass den Ermordeten doch irgendjemand in den Zug geholfen haben muss oder auch Transportlisten für den Transport erstellt werden mussten. Da hatten sicherlich auch Personen aus der Region ihre Finger im Spiel. Wie konnten diejenigen, die da mitgeholfen haben, noch reinen Gewissens ihr Leben weiterführen?
Wolfgang Schmid
9. November 2025 um 18:02 Uhr - Antworten
Die Transportbegleitung lag in den Händen des GeKraT-Personals, also der sog. Gemeinnützigen-Transport-Gesellschaft. Diese war eine Unterorganisation der Berliner Behörde in der Tiergartenstraße 4. Diese Einrichtung kümmerte sich um die Umsetzung des sog. Euthanasiebefehls. Nach dem Krieg entstand dann wegen der Adresse der Begriff T4 als Oberbegriff für die organisierten NS-Krankenmorde.Die GeKraT-Leute waren mehrheitlich niederrangiges SS-Personal, denen man einen weißen Arztkittel angezogen hat und die mit grauen Reichspostbussen die Transporte in die Reichsanstalten durchgeführt haben. Für weitere Entfernungen, so wie in Gabersee, wurde die Reichsbahn verwendet. Es waren Überzeugungstäter. Leider waren oft auch Pflegekräfte darunter. Die Gaberseer Pflegekräfte mussten die 359 Patientinnen und Patienten an den Bahnübergang bringen und dort dem GeKraT-Personal übergeben. Nach dem dritten Transport am Morgen des 30.11.1940 lagen an dieser Stelle Trauerkränze. Wer sie dort abgelegt hat, war nicht bekannt.
Heute vor 85 Jahren wurde die erste Gruppe von Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Gabersee zur Ermordung nach Schloss Hartheim bei Linz deportiert. Etwa 100 Menschen gingen Richtung Gut Gern zum Bahnübergang und fuhren von dort mit dem Zug in den Tod. Es folgten in den nächsten Wochen noch 2 weitere Transporte, alle diese Gaberseer Patienten wurden in Hartheim vergast.
Man hätte sich zu diesem Jahrestag eine Veranstaltung in Gabersee vorstellen können, wie sie z.B. letzte Woche aus demselben Anlass im niederbayerischen Mainkofen stattgefunden hat. Vielleicht braucht es in Gabersee dazu noch etwas Zeit.
Bis es soweit ist, könnten sich das kbo-Klinikum und die Stadt um die ersten Opfer des NS-Regimes in Wasserburg bemühen. In den 1930er Jahren wurden hunderte Menschen im städtischen Krankenhaus im Hag (heute Beamtenschule) zwangssterilisiert, darunter mehr als 500 Patienten aus Gabersee. V.a. Frauen starben häufig kurz nach dem Eingriff an dessen Folgen. Die Namen dieser frühen Opfer der NS-Gewaltherrschaft sollten ermittelt und dann auf dem Mahnmal am Heisererplatz genannt werden.
Vielleicht schafft es ein neu gewählter Stadtrat dann auch noch, die nach dem aktiv in die Zwangssterilisierungen verstrickten Bürgermeister Alfons Winter benannte Straße im Burgerfeld umzubenennen. Verdient hätten eine Straße z.B. Menschen, die sich der Zwangssterilisierung widersetzten. Solche gab es damals auch in Wasserburg.
Die Veranstaltung war doch in Gabersee, oder wie meinen Sie dass??
Die Veranstaltung mit Charlotte Knobloch war im Januar 2025. Zum 85. Jahrestag der Deportationen aus Gabersee (November 1940) gibt es, anders als in Mainkofen, keine öffentliche Veranstaltung. Zu den Zwangssteriliserungen im Wasserburger Krankenhaus gibt es bisher kaum Veröffentlichungen. Ein Seminar des Wasserburger Gymnasiums kam vor wenigen Jahren noch zu dem Ergebnis, dass es bis 1938 keine NS-Gewaltverbrechen in Wasserburg gegeben habe. Dem war leider nicht so.
Danke Hofstatt, dass Sie dranbleiben.
Es ist schon bewegend, wenn man auch die einzelnen Schicksale der Ermordeten beleuchtet: Da war z. B. einer dabei, der im 1. Weltkrieg als Soldat einen der ersten Panzerangriffe erlebt hat und dadurch seelisch erkrankte. Irgendwann landete er dann in Gabersee und wurde als „Dank des Vaterlandes“ dafür ermordet.
Mir läuft es kalt den Rücken runter, wenn ich daran denke, dass viele der Ermordeten nichtsahnend in den Zug gestiegen sind. Wurden sie wenigstens beim Transport anständig behandelt oder mussten sie dort schon leiden? So viele offene Fragen …
Und noch mehr läuft es mir kalt den Rücken runter, wenn ich daran denke, dass den Ermordeten doch irgendjemand in den Zug geholfen haben muss oder auch Transportlisten für den Transport erstellt werden mussten. Da hatten sicherlich auch Personen aus der Region ihre Finger im Spiel. Wie konnten diejenigen, die da mitgeholfen haben, noch reinen Gewissens ihr Leben weiterführen?
Die Transportbegleitung lag in den Händen des GeKraT-Personals, also der sog. Gemeinnützigen-Transport-Gesellschaft. Diese war eine Unterorganisation der Berliner Behörde in der Tiergartenstraße 4. Diese Einrichtung kümmerte sich um die Umsetzung des sog. Euthanasiebefehls. Nach dem Krieg entstand dann wegen der Adresse der Begriff T4 als Oberbegriff für die organisierten NS-Krankenmorde.Die GeKraT-Leute waren mehrheitlich niederrangiges SS-Personal, denen man einen weißen Arztkittel angezogen hat und die mit grauen Reichspostbussen die Transporte in die Reichsanstalten durchgeführt haben. Für weitere Entfernungen, so wie in Gabersee, wurde die Reichsbahn verwendet. Es waren Überzeugungstäter. Leider waren oft auch Pflegekräfte darunter. Die Gaberseer Pflegekräfte mussten die 359 Patientinnen und Patienten an den Bahnübergang bringen und dort dem GeKraT-Personal übergeben. Nach dem dritten Transport am Morgen des 30.11.1940 lagen an dieser Stelle Trauerkränze. Wer sie dort abgelegt hat, war nicht bekannt.
Durch Leerstellen, also weglassen, kann man die Erinnerung fälschen.