96 Trachtenvereine nahmen teil

Nach 2005 konnten der Gautrachtenverband I Monsignore Dr. Thomas Frauenlob als Zelebranten gewinnen Siegsdorf.

Seit 1951 pilgern die Trachtlerinnen und Trachtler des Gauverbandes I zur Wallfahrtskirche nach Maria Eck. Sie gedenken dabei an die Gefallenen der beiden Weltkriege und den unsäglichen Kriegen dieser Welt, sowie der verstorbenen Vereinsmitglieder.

Der Dank für die lange Friedenszeit in ihrer schönen bayerischen Heimat und die Bitte um den Frieden unter allen Völkern und Religionen sind heute der Ansporn für viele Mitglieder aller Altersgruppen zur Teilnahme an der traditionellen Wallfahrt.

2.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 96 Trachtenvereinen wurden gezählt, die angeführt vom Siegsdorfer Wallfahrerkreuz und der Gaustandarte betend bergan den beschwerlichen Wallfahrtsweg zur „Lieben Frau auf den Ecker Berg“ auf sich nahmen.

Begrüßt von den Salutschüssen des Weihnachtsschützenvereins Engedey mit erstem Vorstand Bernhard Zechmeister und Schützenmeister Stefan Giritzer war schon beim ersten Schuss zu hören, dass die Spitze des Pilgerzuges mit den Gauausschussmitgliedern und den Trachtenvereinen aus der Gemeinde Siegsdorf angekommen ist. Unüberhörbar die donnernde Salve – also dem gemeinsamen Schuss aller Böllerschützen – sie zeigte die Ankunft aller Gottesdienstbesucher und den Beginn des Gottesdienstes an, der von der Musikkapelle Neukirchen unter Leitung von Dirigent Thomas Prechtl musikalisch umrahmt wurde.

Mit Monsignore Dr. Thomas Frauenlob, Pfarrer von St. Andreas-Berchtesgaden, Leiter des Pfarrverbandes Stiftsland Berchtesgaden und Dekan des Dekanats Berchtesgaden konnte Gauvorstand Michi Hauser einen in seiner Heimat tief verwurzelten Zelebranten gewinnen. Dr. Frauenlob und Guardian Franz vom Kloster Maria Eck führten gemeinsam durch den anspruchsvollen Gottesdienst. Mit seinem anfänglichen Worten traf Frauenlob in die Herzen der Zuhörer.

„Das und a Liacht aufgähd“, hob er den Mutmacher „Wallfahrt“ und das gemeinsame Gebet in den Vordergrund.

Wie er eine Wallfahrt bewertet, dazu äußert er sich im Interview:

Eine Wallfahrt, wie passt das aus Ihrer Sicht in die heutige Zeit?

Allein der Blick auf den wachsenden Strom von Pilgern auf dem Jakobsweg zeigt uns, dass sich das „Format“ Wallfahrt breiter Beliebtheit erfreut. Die Teilnahme an anderen Wallfahrten ist hingegen nicht mehr selbstverständlich, wie noch vor einigen Jahrzehnten, gehört aber doch für viele dazu. Gemeinsam wallfahren ist eine gute Tradition, die ein gemeinsames Wertefundament zum Ausdruck bringt. Gerade in unsicheren Zeiten, in denen bisherige Selbstverständlichkeiten in Frage stehen, ist eine mit vielen geteilte Basis von umso größerer Wichtigkeit. Die Ecker Wallfahrt zu pflegen, bedeutet vor dem Zeitgeist nicht einzuknicken und im Blick auf die kommenden Generationen verantwortungsvoll zu handeln.

Wallfahrt und Wirtshaus, eins – oder uneins?

Leib und Seele gehören in Bayern bekanntlich zusammen, weshalb Kirche und Wirtshaus meist nicht weit voneinander entfernt sind. Diese Verbindung ist übrigens schon von den ersten Christen bekannt: Nach dem rituellen Brotbrechen – unsere Messfeier – folgte eine Agape, ein gemeinsames Essen. Wer mit Wallfahrt, Gebet und Gottesdienst etwas für seine Seele tut, der hat auch Freude danach Gemeinschaft zu pflegen. Im Falle der Gauwallfahrt kommt das Gemeinsame durch die Tracht besonders augenscheinlich zum Ausdruck. Nach so einer Wallfahrt hat jeder einfach Hunger, Durst und das Bedürfnis nach unbeschwerter Gemeinschaftspflege. Das gehört zu unserem bayerischen Lebensgefühl, um das uns nicht wenige beneiden.

Die Wallfahrt ist für Viele nicht mehr attraktiv. Wo können wir ansetzen, was können wir aus Ihrer Sicht verändern?

Es ändert sich in unserer Gesellschaft, in der Kirche, in Gemeinschaften gerade so viel, dass Beständigkeit und Verlässlichkeit umso wichtiger werden. Ich denke, die Krönung von König Charles III. hat dies jüngst sehr deutlich gemacht. Jahrhundertealte, eindrucksvolle Rituale wurden in behutsamer Anpassung mit heutigen Inhalten kombiniert. Die Mischung macht´s! Wir müssen uns fragen: Was ist die Welt und die Erfahrungen – nicht nur – der jungen Leute in unseren Reihen und wie wird diese Lebensrealität innerhalb der Tradition zum Klingen gebracht. In Texten, der Sprache, dem Thema der Predigt, etc. Manche fordern neues, also einen Bruch mit dem Erprobten, was sicher das falsche Signal wäre.

Wie passen für Sie Heimat, Brauchtum, Tradition und Moderne zusammen?

Das geflügelte Wort trifft zu: Wer die Geschichte nicht kennt, kann die Zukunft nicht gestalten. Ja, ich würde sogar hinzufügen: Der Geschichtsvergessene ist auch im Heute blind und orientierungslos. Tradition ist ja im besten Falle die geronnene Lebenserfahrung vieler Generationen vor uns. Da brauchen wir uns nicht irritieren lassen. Ja, wir sollten ruhig mehr Mut haben, unsere guten Traditionen zu pflegen, vor aller Augen, und uns nicht einschüchtern lassen von einer Welt, die heute mal das und morgen mal dies bevorzugt. Da wären wir wie der Hase in der „Geschichte von Hase und Igel“. Der Hase hat sich totgelaufen, weil er nicht gemerkt hat, dass er von den Igeln getäuscht wurde. Hinter „modern“ verbirgt sich allzu oft der der sehr instabile Zeitgeist.

Was möchten Sie den Trachtlerinnen und Trachtlern mit auf den Weg geben?

„Sitt und Brauch der Alten wollen wir erhalten“ wird gern bei Jubiläen zitiert. Um eine Tradition wirksam zu erhalten, muss ich wissen, was eigentlich der Inhalt dieser ist. Mir fällt auf, dass es derzeit zwar modern ist, Tracht zu tragen, viele dies aber relativ unreflektiert tun. Tracht steht für einen Wertekompass, und zwar für ein christliches Wertegefüge, das seit Generationen überliefert und erprobt ist. Sie steht für eine feste Grundhaltung und es braucht Mut, für diese einzustehen. Daher muss ich nicht nur äußerlich ein Gewand tragen, sondern es braucht auch die innere Haltung dazu. Wenn beispielsweise der Anteil der Trachtler beim Gottesdienst immer kleiner und parallel dazu die Gruppe im Wirtshaus immer größer wird, bedeutet das längerfristig einen Inhaltsverlust. Wenn wir nicht mehr wissen, was uns eigentlich zusammenhält, fällt auch die Gemeinschaft auseinander. Das hat keine Zukunft!

Ist es für Sie eine Herausforderung, bei großen Gottesdiensten die Menschen zu erreichen?

Ja, das ist es! Es gelingt, wenn eine Atmosphäre aufkommt, die alle berührt, eine Art Spannung. Zum Gelingen gehört das Zusammenwirken vieler Komponenten: Raum, Musik, Rede, Texte, Bewegung, Rituale und vieles mehr. Gottesdienst ist ein Gesamtkunstwerk, das einen Blick über den Alltag hinaus ermöglichen soll, Im Grunde ein Stück Himmel auf Erden. Für mich ist Gottesdienst eine Chance, Gott in dieser Welt zur Sprache zu bringen und die Freude am Glauben in Gemeinschaft zu erfahren. Dazu einen bescheidenen Beitrag leisten zu können, ist der schönste Lohn.

Fotos und Interview: Inge Erb