Hans Hinterberger referiert beim Heimatverein über den Putsch von 1923

Der Historiker Hans Hinterberger aus Soyen arbeitet beim Bayerischen Rundfunk als Journalist und hat sich intensiv mit der Politik Bayerns am Anfang der Weimarer Republik beschäftigt. Nun hielt er bei Wasserburger Heimatverein einen Vortrag über den Hitlerputsch vor ziemlich genau 100 Jahren.

„Ein Hitlerputsch alleine ist noch keine Revolution“, meinte er und erläuterte der sehr zahlreich im Gimplkeller anwesenden Zuhörerschaft, was er damit meinte. Höchst kenntnisreich bis in die Details wies Hinterberger auf die Umstände hin, die zum Hitlerputsch führten. Da war zum einen die noch junge Republik, mit der sich die Bevölkerung nur schwer zu identifizieren vermochte. Da gab es die politischen Entscheidungsträger in Bayern, die sich nicht selten als Beamte und Staatsmänner verstanden, aber eben nicht als Vertreter politischer Parteien oder der Bevölkerung.

Hinterberger ging dann auf die für Bayern Anfang der 20-er Jahre des 20. Jahrhunderts zentrale Figur des Bayerischen Ministerpräsidenten Gustav Ritter von Kahr ein, der als Anhänger der Monarchie sich mit dem republikanischen System nicht anfreunden konnte. Über sein Verhältnis zur Bayerischen Verfassung zitiert Hinterberger ihn so: „Ich habe diese Verfassung nie gelesen, ich lese erst die nächste.“ Als Ministerpräsident leitete von Kahr die Geschäfte sehr distanziert, zumal auch er die Republik letztlich verachtete.

Nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrages im Juni 1919 durfte Deutschland nur noch eine Armee mit höchstens 100.000 Berufssoldaten unterhalten. Eine Wehrpflicht hatten die Alliierten für Deutschland ausdrücklich untersagt. Aber allein in Bayern existierte 1920 bereits eine Miliz von 300.000 Mann. Frankreich und Großbritannien waren entsetzt, unternahmen wohl aber nichts.

Und so konnte Bayern seine ablehnende Haltung gegenüber der Reichsregierung in Berlin pflegen. Die Ablehnung gerade gegenüber der SPD dürfte wohl der Ursprung des Handelns auch für von Kahr gewesen sei.

Kahr tritt zwar im September 1921 als Ministerpräsident zurück, wird aber im September 1923 als bayerischer Generalstaatskommissar mit diktatorischen Vollmachten wieder an die Macht gebracht.

Schließlich ereilte das Land in den Jahren 1920 bis 1923 noch eine enorme Inflation, die dazu führte, dass im November 1923 eine Währungsreform notwendig wurde, in der die Mark im Wechselkurs von 1: 1 Billion umgetauscht wurde. Allein im Oktober 1923 verlor die Mark 99,5% ihres Wertes. Für ein Produkt, das am 1. Oktober 1923 100 Mark kostete, mussten am 1. November bereits 20.000 Mark aufgewendet werden. Und in dieser höchst angespannten Situation glaubte der Führer der NSDAP, Adolf Hitler, am Abend des 8. November 1923 durch die Störung einer Versammlung im Bürgerbräukeller am Rosenheimer Platz in München, die nationale Revolution einzuleiten.

Schon seit 1918 hatten sich antirepublikanische Terrororganisationen gebildet, die mit allen Mitteln versuchten, das politische Gefüge in Deutschland zu zerstören. Eine von ihnen war die „Organisation Consul“, die offen antisemitisch und antirepublikanisch auftrat, mehrere Waffenlager unterhielt und für mehrere politische Morde verantwortlich zeichnete. So wurde der Zentrumspolitiker und ehemalige Reichsfinanzminister Matthias Erzberger im August 1921 ermordet, im Juni 1922 der Reichsaußenminister Walther Rathenau und wohl auch der bayerische Fraktionsvorsitzende der USPD, Karl Gareis im Juni 1921. Schließlich dürfte der Mordversuch am ehemaligen Reichskanzler Philipp Scheidemann im Juni 1922 wohl auf das Konto der „Organisation Consul“ gehen. Hinterberger schilderte auch das Schicksal des Dienstmädchens Maria Sandmayr, die im Haus ihrer Herrschaft ein illegales Waffenversteck entdeckt hatte, fragte, wo sie das melden könne und daraufhin im Forstenrieder Park erdrosselt wurde. An ihrer Leiche wurde seinerzeit ein Zettel mit folgender Aufschrift gefunden: „Du Schandweib hast verraten dein Vaterland, dich hat gemordet die schwarze Hand.“

All diese Aktivitäten seien auch von Gustav von Kahr zumindest geduldet worden, was die Atmosphäre in Bayern wohl weiter verschärft haben dürfte, zumal einschränkende Maßnahmen gegen die NSDAP, anders, als in anderen Ländern in Deutschland, nicht umgesetzt worden sind.

Als der Putsch am 8./9. November 1923 stattfand und Hitler mit seiner Partei zu einem „Marsch auf Berlin“ aufbrechen wollte, sei dieser aber nicht erfolgreich gewesen, zumal auch von Kahr ihm wohl nunmehr die Unterstützung versagte.

Als Hitler 1933 dann Reichskanzler wurde, sorgte er schließlich dafür, dass von Kahr ins KZ Dachau verschleppt und dort am 30. Juni 1934 im Rahmen des sogenannten Röhm-Putsches ermordet wurde. Ihn ereilte damit zeitgleich dasselbe Schicksal wie dem Vorgänger Hitlers als Reichskanzler, General Kurt von Schleicher.

Am Ende dieses überaus interessanten, kurzweiligen Vortrages mit vielen erhellenden Details stellten mehrere Zuhörer noch Nachfragen, die Hans Hinterberger gerne und kenntnisreich beantwortete.

Der Vorsitzende des Heimatvereins, Peter Rink, bedankte sich abschließend bei den Anwesenden und lud zur Adventsfeier des Vereins am 4. Dezember 2023 um 19.30 Uhr in den Gimplkeller ein. Dann wird Sonja Fehler über das „Mythos Christkind“ sprechen und es wird, wie in den vergangenen Jahren auch, eine adventliche musikalische Umrahmung geben.