Beispielhaftes Projekt an der FOS/BOS Wasserburg: Den Zeitzeugen zugehört

Mit einem äußerst emotionalen, sehr berührenden Projekt, in dem verschiedene Generationen von Flüchtlingen zu Wort kamen, setzten sich Schüler der FOS/BOS Wasserburg jetzt intensiv auseinander. Nämlich mit den Berichten von Zeitzeugen zu den Themen Flucht und Vertreibung. 

Ein so beispielhaftes Projekt, das einen wichtigen Beitrag zu mehr Verständigung und Integration in unserer Gesellschaft leistete … 

Die Schüler der 11. Klassen und der Internationalen Vorklassen an der FOS/BOS Wasserburg konnten aktiv an einem Austausch zwischen verschiedenen Generationen und zwischen Flüchtlingen sowie Ortsansässigen teilnehmen. Sie lernten eine bessere Verständigung, den Abbau von Vorurteilen und damit die guten Voraussetzungen für eine bessere Integration.

Zum Foto: Veronika Risovana, eine 16-jährige Schülerin aus Kiew, die selbst vor einem Jahr fliehen musste, begleitete die Vorträge mit eigenen Liedern auf ukrainisch, in welchen sie ihre Situation verarbeite – wie sie sagte.

Organisiert von den Lehrkräften Benjamin Wythe, Jana Frantz und Renate Kotiers umfasste das Projekt mehrere Unterrichtstage.

Zunächst wurde mit einer Filmvorführung im Wasserburger Kino Utopia ein sensibler Einstieg in das Thema Flucht gefunden. Der Film „Lauf, Junge, lauf“ von Pepe Danquart zeigte die Geschichte eines kleinen Buben, der aus dem Warschauer Ghetto fliehen kann und sich in der Folge alleine durchschlagen muss. Der Film, dessen Handlung auf wahren Begebenheiten aus dem Leben von Yoram Fridman beruht und dessen Leid zeigt, berührte die Schüler sehr. Deshalb war eine Besprechung zunächst in Gruppen und dann im Plenum sehr wichtig, um die Eindrücke zu verarbeiten.

Dann berichteten von Flucht und Vertreibung betroffene externe Gäste und Schüler der Internationalen Vorklassen von ihren Erfahrungen.

Thomas Frank, Geschäftsführer eines Jugendwohnheims in München, und Jonah Werner von Athletes for Ukraine berichteten über ihr Engagement bei Athletes for Ukraine und ihre persönlichen Erfahrungen bei Hilfslieferungen in die Ukraine.

Hier wurden nicht nur materielle Not, sondern vor allem emotionale, menschliche Krisen – wie Todesnachrichten, die von Angehörigen verarbeitet werden müssen – aus nächster Nähe spürbar. Siehe oben im Bild …

In einem Podiumsgespräch kamen weitere Betroffene zu Wort. So berichteten Khaled Al Fashtakey und Amal Alebrahim, beide Schüler der FOS/BOS, von ihren Erfahrungen.

Khaled wurde in Libyen in einer syrischen Familie geboren und überstand die Flucht teils mit Bus, teils zu Fuß durch Algerien und Marokko, die Trennung der Familie und auch körperliche Misshandlungen.

Amals Familie musste vor dem Druck durch den IS fliehen und kam über gefährliche Wege und ebenfalls Trennung der Familie nach Deutschland.

Doch nicht nur junge Menschen kamen zu Wort.

Sie erlebte Flucht zwei Mal: Ingrid Kröff, 85 Jahre, berichtete davon, wie sie als Kind 1945 aus dem Sudetenland vertrieben wurde, von wo sie kaum etwas mitnehmen konnte. Sie landete über Umwege in der damaligen sowjetischen Besatzungszone und flüchtete später erneut, diesmal aus der DDR, in den Süden der BRD.

Alfred Linke, 88 Jahre, konnte als Kind noch seine Schwester und drei Freundinnen vor den Sowjets retten, wurde dann mit seiner Familie ebenfalls vertrieben und kam dann direkt nach Rosenheim.

Als er bei der Ankunft am Bahnhof die Berge sah, fühlte er sich seiner sudetendeutschen, ebenfalls bergreichen, Heimat nah. Nachdem auch noch tschechische Grenzbeamte damals die besten Teile seiner Gepäckstücke konfisziert hatten, stand er wie die meisten Vertriebenen quasi mittellos vor dem Neuanfang.

Dennoch sind sowohl er, als auch Ingrid Kröff, immer noch sozial engagiert in der Sudetendeutschen Landsmannschaft und setzt sich bei Projekten wie hier an der FOS/BOS Wasserburg aktiv für Verständnis und Austausch ein.

Er appellierte an die Jugend, sich zu integrieren und in die Gesellschaft einzubringen, und keinen Hass zu hegen.

Alle Referenten – sowohl die jüngeren, als auch die älteren – mussten teilweise ihre Erzählungen unterbrechen, weil die emotionalen Erinnerungen wieder wach wurden.

Allen war gemein, dass sie sich fast auf die Minute genau daran erinnerten, wann sie zur Flucht aufgebrochen oder in Rosenheim angekommen sind und dass sie ihre Heimat aufgeben und sich in einer fremden und nicht immer unbedingt wohlwollenden Umgebung etwas Neues aufbauen mussten.

Die Schüler waren sichtlich betroffen und setzten dies am letzten Projekttag in aktives Handeln um. So erarbeiteten sie mit ihren Lehrkräften Material für den Unterricht im Fach „Politik und Gesellschaft“ und Geschichte.

Alle arbeiteten sehr konzentriert, weil sie das Thema als sehr wichtig empfanden. Trotz der Schwere des Themas habe es ihnen aber auch Spaß gemacht, sich damit zu beschäftigen, so die Aussagen.

Das Projekt mit dem Perspektivwechsel in die Rolle von Geflüchteten trug dazu bei, dass die FOS/BOS Wasserburg der Aufgabe der Schule, als öffentlicher Ort auch für die Aufarbeitung gesellschaftlicher Themen zu sorgen, in einer sehr besonderen Weise nachgekommen ist.

hu/wy

Fotos: Benjamin Wythe