Serie: Wasserburg vor 100 Jahren – Teil 7 / Es rumort im Ruhrgebiet und nicht nur dort ...

Lenin und Trotzky sind angeschlagen, Ägypten gerät modisch und wegen eines Mückenstichs ins Zentrum der Aufmerksamkeit und die Wirte schimpfen über den Bierpreis, während der „Heldenkampf“ im Ruhrgebiet sich blutig fortsetzt und nun „Karsamstagsopfer“ fordert, die bis nach Wasserburg zu betrauern sind, wo zu dieser Zeit der Stadtrat in Sorge um den Starrkrampf einen Tetanus-Impftermin für alle Kinder öffentlich anberaumt. Peter Rink hat in diesem siebten Teil dieser Serie der Wasserburger Stimme die erste Hälfte des Aprils 1923 anhand des damaligen Wasserburger Anzeigers aufbereitet:

Es geht los mit der allgemeinen  …

CHRONIK für die erste Aprilhälfte

2. April 1923
In Wien und Berlin trägt die Dame in diesem Frühjahr Altägyptisch. Seit der englische Archäologe Howard Carter das Grab des Pharaos Tut-Anch-Amun entdeckt hat, ist über Europa eine Tutanchamun-Welle hereingebrochen.

Um die auf Halde lagernde Kohle abzutransportieren, besetzen die Franzosen mit großem militärischem Aufgebot zwei staatliche Zechen in Buer (Gelsenkirchen) und eine private Zeche in Recklinghausen. Bis zum 11. April werden insgesamt 22 Zechen besetzt.

3. April 1923
Der französische Kriegsminister André Maginot rechtfertigt in seiner Rede vor dem Kongress der Kriegsbeschädigten die Besetzung des Ruhrgebiets. Nur so könne die deutsche Reparationsleistung an Frankreich sichergestellt werden.

Das zuletzt ausgegebene Bulletin über das Befinden Lenins verzeichnet eine Temperatur von 38,0°, einen Puls von 110 und eine Atmung von 28. Insbesondere die Lunge weise keine Veränderung auf. Dennoch ist der Zustand des sowjetischen Führers ernst.

4. April 1923
Der ehemalige Menschewiki-Führer Julij Martow stirbt. Er hatte mit Lenin entscheidend am Aufbau der Sozialdemokratie in Russland mitgewirkt.

Bei der Innung in Potsdam besteht die erste Frau in Preußen die Gesellenprüfung als Kunstmöbeltischler.

Die türkische Regierung erlässt ein Alkoholverbot. Der Genuss alkoholischer Getränke wird mit einer Bastonade (orientalische Stockprügelstrafe auf die Fußsohlen) von 30 Schlägen bestraft. Lediglich ausländische Militärpersonen sind von diesem Verbot ausgenommen.

Als Ersatz für nicht erbrachte deutsche Reparationsleistungen ordnet die alliierte Rheinlandkommission die Beschlagnahmung von Waren und Erzeugnissen aller Art an.

Die deutsche Reichsregierung protestiert bei der französischen Regierung gegen die Vorgänge in den Essener Krupp-Werken am 31. März. Das französische Requisitionskommando habe, ohne angegriffen oder bedroht zu sein, in die Menge friedlich demonstrierender Arbeiter hineingeschossen und ein entsetzliches Blutbad mit 13 Toten angerichtet.

5. April 1923
Lord Carnarvon stirbt unerwartet infolge eines unbehandelten Moskitostichs. Die internationale Presse stilisiert diesen Tod als „Fluch des Pharao“ hoch, da Carnavon sich diesen Stich während seiner Ausgrabungstätigkeit im Tal der Könige in Oberägypten an der Seite Howard Carters zuzog.

6. April 1923
Nach Gerüchten aus Riga soll Trotzky infolge eines Attentates leidend sein.

7. April 1923
In Essen verhaftet die französische Militärpolizei den ehemaligen Freikorpsoffizier Albert Leo Schlageter wegen mutmaßlicher Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag auf die Eisenbahnstrecke Dortmund-Duisburg. Schlageter ist seit 1922 Mitglied der NSDAP.

Durch einen deutschen Sabotageakt auf den Rhein-Herne-Kanal wird der Abtransport von größeren Kohlemengen beträchtlich beeinträchtigt.

Die „Bremen” (10 826 BRT), das erste große Passagierschiff der Bremer Schifffahrtsgesellschaft Norddeutscher Lloyd seit dem Ende des Weltkriegs, wird in Dienst genommen.

8. April 1923
Reichspräsident Friedrich Ebert und Reichsverkehrsminister Wilhelm Groener appellieren an die Eisenbahner im besetzten Rhein- und Ruhrgebiet, ihren „Heldenkampf” gegen die Besatzer durchzuhalten.

9. April 1923
Die französischen Besatzungsbehörden lassen den ehemaligen preußischen Ministerpräsidenten Adam Stegerwald, den früheren Reichspostminister Johann Giesberts und den Staatssekretär der Reichskanzlei, Eduard Hamm, in Dortmund-Scharnhorst verhaften. Die drei Politiker befinden sich auf dem Weg zur Trauerfeier für die Opfer des „Essener Blutbads” am 31. März. Am 10. bzw.11. April werden Stegerwald, Giesberts und Hamm wieder auf freien Fuß gesetzt.

10. April 1923
In Anwesenheit von Reichspräsident Ebert hält der Reichstag eine Trauerfeier für die in Essen erschossenen Arbeiter ab.

10. April 1923
Nach der Niederlage der radikalen Verfechter der irischen Unabhängigkeit unter Eamon de Valera bei Tipperary bahnt sich das Ende des irischen Bürgerkriegs an. Mehrere Führer der Republikaner geraten in Gefangenschaft.

In Berlin wird der Verband der Funkindustrie gegründet.

12. April 1923
Zum Abschluss der 21. Session des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Rom (seit 7. April) geben die Franzosen bekannt, dass die deutschen Sportler, die auch 1920 keine Einladung nach Antwerpen erhalten hatten, noch nicht das moralische Anrecht auf eine Olympiateilnahme hätten. Das IOC vertagt die Entscheidung über den Wunsch der Exilrussen, an den Olympischen Spielen 1924 in Paris teilzunehmen.

Der Republikanische Schutzbund wird vom österreichischen Innenministerium genehmigt. Als bewaffnete Organisation der Sozialdemokratischen Partei tritt der Schutzbund die Nachfolge der 1922 gegründeten Arbeiterwehren an. Julius Deutsch und General Theodor Körner leiten den Schutzbund.

Die Schriftleiter der nationalsozialistischen Zeitungen „Völkischer Beobachter” und „Miesbacher Anzeiger” weigern sich, vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig zu erscheinen, der gegen sie wegen öffentlicher Beleidigung früherer Minister zu verhandeln hat.

13. April 1923
Aus den USA wird gemeldet, dass Hinrichtungen künftig „menschenfreundlich“ durchgeführt werden.

15. April 1923
Bisher sind mehr als 20.000 Personen von den Besatzungsbehörden aus den besetzten Gebieten an Rhein und Ruhr ausgewiesen worden. Besonders betroffen sind Reichsbahnbeamte, die den Anweisungen der französisch-belgischen Eisenbahnregie nicht folgen. Die Zahl der Ausweisungen nimmt ständig zu.

Seit Anfang Februar sind 240.000 Tonnen Kohle und Koks aus dem besetzten Ruhrgebiet nach Frankreich und Belgien transportiert worden. Das ist weniger als zehn Prozent der Menge, die als Reparationen geliefert worden wäre.

 

DEUTSCH-FRANZÖSISCHE ANIMOSITÄTEN

Russisches Getreide für die Ruhrarbeiter
Im Hamburger Hafen traf der Getreidedampfer „Eduard Rusz“ aus Reval ein, der die Kornspende russischer Arbeiter für die Arbeiter des Ruhrgebietes überbrachte. Die Sendung wird auf schnellstem Wege in das Ruhrgebiet weitergeleitet.
(WA 76/1923 vom 3. April)

Ruhrspende der deutschen Landwirtschaft
In der letzten Zeit wurden weitere 460 Waggons Lebensmittel für das Ruhrgebiet in Bewegung gesetzt. Das Gesamtergebnis der Ruhrspende der Landwirtschaft beträgt nunmehr nach den vorliegenden Meldungen etwa 2160 Waggons. Diese Spende wurde aufgebracht dank der Tätigkeit des Reichs-Landbundes, der landwirtschaftlichen Hausfrauenvereine, der Genossenschaften, der Landarbeiterverbände, der Bauernvereine usw. Die Unterbringung von Ruhrkindern macht sehr erfreuliche Fortschritte.
(WA 76/1923 vom 3. April)

Lokomotiven oder Millionen!
Der Direktion der Rheinmetallwerke ist auferlegt worden, elf neue Lokomotiven, die bereits fertiggestellt sind, den Besatzungsmächten auszuliefern. Falls die Direktion dieser Aufforderung nicht nachkommt, wird das Unternehmen mit einer täglichen Geldbuße von 1 Million Mark bedacht.
(WA 80/1923 vom 7. April)

Der Erfolg entschlossener Arbeiter
Essen, 6. April. Das energische Eintreten des Betriebsrats der Zeche Bergmannsglück gegen die Versuche der Franzosen die Zeche selbst zu besetzen, haben vollen Erfolg gehabt. Heute morgen waren sämtliche Tore der Zeche von den Franzosen wieder freigegeben worden. Der Betriebsrat und die Ingenieurkommission der Franzosen haben den Raum um den Abladeplatz abgesteckt und mit Stacheldraht umzogen. Dort können die Franzosen sich weiterbewegen. Unter diesen Umständen wurde die Arbeit wieder aufgenommen.
(WA 81/1923 vom 9. April)

Absperrung des unbesetzten vom besetzten Gebiet
Kronenburg, 6. April. Nachdem es den Franzosen bisher nicht gelungen ist, den Verkehr zwischen dem besetzten und unbesetzten Gebiet zu unterbinden, haben sie heute angeordnet, daß zwischen Schlingen und Elberfeld der Verkehr nur auf der Hauptstraße abgewickelt werden dürfe. Die Nebenstraßen werden durch Drahtverhaue oder Aufwerfen von Gräben abgesperrt.
(WA 81/1923 vom 9. April)

Auch ein Wasserburger wurde Opfer des „Essener Blutsamstages“ und der Wasserburger Anzeiger lässt es sich nicht nehmen, die zum Gegenstand einer Meldung zu machen:

Wasserburg, 10. April. (Ein Karsamstagsopfer). Der Posttagarbeiter Straßer von hier erhielt gestern die Nachricht, daß der 17jährige Sohn seiner Tante in Essen, der als Arbeiter bei Krupp beschäftigt war, am Karsamstag von den Franzosen erschossen und heute, Dienstag, in dem gemeinsamen Grabe der Opfer beerdigt wird. R.I.P. – So ist also auch ein Wasserburger direkter Leidtragender in jener unseligen Ostertat und niemand wird ihm das aufrichtigste Beileid versagen können.
(WA 82/1923 vom 10. April)

Als „Essener Blutsamstag“ ging der 31. März 1923 in die Geschichte ein. Er bildete in gewisser Weise den Höhepunkt der Ruhrbesetzung. Der eigentlich Anlass: eine Lappalie. Die mehreren hunderttausend Telegraphenmasten und Kohle im Wert von 24 Millionen Goldmark, die der Kriegsverlierer Deutschland den Franzosen schuldig geblieben war, bildeten gerade einmal 1,6 Prozent der im Jahr zuvor geleisteten Reparationen. Und die Beisetzung der 13 Opfer des „Blutsamstags“ wurde nun zu einer gewaltigen Demonstration gegen die Franzosen.

 

INFLATION: WIRTE POLTERN GEGEN BIERPREISERHÖHUNG

Die inflationäre Entwicklung legte auch in der ersten Aprilhälfte eine Pause ein. Kostete ein US-Dollar Anfang April 1923 21.079 Mark, so veränderte sich dieser Wechselkurs bis Mitte April 1923 nahezu überhaupt nicht. Allerdings stiegen die Preise weiter.

Neue Teuerung in Oesterreich
Die letzten Wochen haben in Oesterreich wieder eine ganz bedeutende Teuerung gebracht. So ist das Rindfleisch in einer ganz kurzen Zeitspanne von 13.000 auf 20.000 Kronen, also um mehr als die Hälfte des Grundpreises, gestiegen. Die Butterpreise notierten zwischen 48.000 bis 66.000 Kronen, je nach Qualität, per Kilogramm. Eier kosten 1300 bis 1400 Kronen per Stück. Auch auf verschiedenen anderen Gebieten hat eine Teuerung eingesetzt, und zwar trotz der Hilfsaktion der Alliierten. Es zeigt sich also, daß die Regierung einen falschen Weg gegangen ist, nachdem sie sich nicht auf eigene Füße stellte, sondern fremder Hilfe vertraute. Für unsere Regierung mag das ein Fingerzeig sein, Oesterreich nicht zu folgen, sondern seine begonnene Stützungsaktion fortzusetzen.
(WA 76/1923 vom 3. April)

Betreff: Verkehr mit Zucker
Zuckerversorgung im Mai. Auf Abschnitt 6 der Bestellkarte wird für Mai. Der Zucker ausgegeben. Dieser Abschnitt ist vom Verbraucher bis spätestens 10. April bei einem beliebigen Kleinhändler abzuliefern.
(WA 77/1923 vom 4. April)

Vor einer neuen Bierpreiserhöhung. Infolge der Lohnaufbesserung der Brauereiarbeiter soll in den nächsten Tagen wegen einer Erhöhung des Bierpreises eine neue Beratung stattfinden. Die Gastwirte dürfen unter Hinweis auf die Gefahr eines weiteren Sinkens des Bierkonsums auch diesesmal gegen die Bierpreiserhöhung sein.
(WA 79/1923 vom 6. April)

Um den neuen Bierpreis. Der Bayer. Brauerbund hat am Donnerstag folgende Bierpreise den Wirten unterbreitet: dunkles Vollbier Ganterpreis 570 Mark (Verkaufspreis 800 Mark), helles Vollbier Ganterpreis 590 Mark (820 Mark), dunkles Exportbier 720 Mark (1000 Mark), helles Export- und Märzenbier 760 Mark (1060 Mark). Wie in einer Versammlung der Münchener GAstwirteinnung mitgeteilt wurde, sind die Wirte bei dieser neuen Bierpreiserhöhung nicht gehört worden. Die Wirte wollen angesichts der Erfahrungen der letzten Bierpreiserhöhungen sich nicht mehr dazu hergeben, Bier zu erhöhtem Preis auszuschenken, Existenzen seien nun genug vernichtet, die Wirte wollen sich nicht länger zum Prellbock für die Konsumenten machen lassen.
(WA 80/1923 vom 7. April)

 

INNENPOLITIK: VON VERLEUMDUNGSÄNGSTEN BIS ZUR VATERLÄNDISCHER ERZIEHUNG

In einigen Ländern wurde die NSDAP verboten, in Bayern aber nicht und deshalb konzentrierte diese Partei ihre Aktivitäten gerne auf Bayern:

Am 25. März sprach der Abgeordnete Held in einer öffentlichen Volksversammlung der Bayerischen Volkspartei in Amberg. Er sprach zu aktuellen Problemen der deutschen Politik: Von sozialistischer, linksdemokratischer und rechtsradikaler Seite wird in letzter Zeit in verstärktem Maße ein Verläumdungsfeldzug gegen die Bayerische Volkspartei getrieben. Ihre unbedingte Reichstreue wird in Zweifel gezogen und es werden ihr allerlei separatistische Ziele angedichtet. Das Schlagwort von der katholischen Donauföderation will nicht verschwinden. Es war gut, daß Dr. Held (BVP) ein klares und deutliches Wort zu dem Separationsgerede in Amberg gesprochen hat und das lautet:
„Wir werden entweder als ganzes und einiges Deutschland gerettet werden oder überhaupt nicht.“
(WA 76/1923 vom 3. April)

München, 6. April. (Politischer Totschlag.) Wie die Münchener Post aus Regensburg meldet, kam es anläßlich einer nationalsoz. Versammlung zu tätlichen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf der Bahnschreiber Albert Stöckl der Betriebswerkstätte Regensburg durch den nationalsoz. Parteiangehörigen Vizewachtmeister Senn der Landespolizei, der zu der Versammlung in Zivil erschienen war, erstochen wurde.
(WA 80/1923 vom 7. April)

Neue politische Verhaftungen in München
München, 6. April. Vor einigen Tagen wurden hier Redakteur v. Puttkamer, Vertreter des Berliner Börsenkuriers, und sein Bruder verhaftet. Es sollen Zusammenhänge mit dem kürzlich ermordeten Studenten Baur, der bekanntlich Attentatspläne auf Scheidemann geäußert und wieder aufgegeben hatte, festgestellt worden sein, auch die Berichterstattung v. Puttkamers an ausländische Blätter soll die Verhaftung mitveranlaßt haben. Nähere Aufklärung muß abgewartet werden. Die Polizeidirektion hat bisher lediglich die Tatsache der Verhaftungen bestätigt.
(WA 81/1923 vom 9. April)

Damals waren auch die Lehrkräfte an den Schulen „völkisch“ gesinnt und forderten eine bessere Ausbildung:

Würzburg. Die hier stattgefundene Tagung des Bayerischen Lehrervereins nahm eine Entschließung an, welche für die Volksschullehrer die Berufsausbildung auf einer Hochschule verlangt. Eine eindrucksvolle Kundgebung wurde für die geknechteten Brüder an Rhein und Ruhr veranstaltet und dabei ausgesprochen, daß die bayerische Lehrerschaft das Volk so erziehen wolle, dass sich alles in einem Gedanken zusammenfinde: das Vaterland über alles!
(WA 83/1923 vom 11. April)

 

WASSERBURG UND UMGEBUNG IN DER ERSTEN APRILHÄLFTE 1923

Wasserburg. Das prächtige Osterwetter hat eine große Anzahl von Fremden, unter denen auch viele Münchener waren, in unsere alte Innstadt gelockt. Der letzte Zug am Ostermontag abends nach auswärts hatte jedenfalls eine selten schwere Last den Berg hinanzuziehen.
(WA 76/1923 vom 3. April)

Wasserburg. Von besonderer Seite werden uns folgende beherzigenswerte Zeilen geschrieben: Der tieftraurige Fall von Starrkrampf, der in diesen Tagen ein blühendes junges Menschenleben in nicht ganz zwei Tagen dahingerafft hat, gibt Anlass, auf diese tückische, tödliche Krankheit ganz besonders hinzuweisen, welcher, solange noch keine Krämpfe zum Ausbruch kamen, also innerhalb der ersten Tage nach der Verletzung mit fast absolut sicherem Erfolg – ähnlich wie bei der Diphterie – entgegengetreten werden kann, während, wenn einmal die so gefürchteten äußerst schmerzhaften Krämpfe aufgetreten sind, eine Rettung zu den Ausnahmen gehört. Es ist deshalb wichtig zu wissen, daß bei Verletzungen der Haut, die erfahrungsgemäß Starrkrampf veranlassen können, also bei Wunden, welche Fremdkörper, namentlich Holzsplitter oder Kleiderfetzen usw. enthalten oder die mit Gartenerde, Ackererde, Straßenschmutz, Stallmist oder ähnlichen notorischen Trägern von Starrkrampfkeimen verunreinigt sind, besonders Wunden, die mehr tief als ausgedehnt sind, der Ausbruch des Starrkrampfes dadurch verhütet werden kann, daß dem Patienten eine geringe Menge Starrkrampfgegengift unter die Haut eingespritzt wird und alsbaldige Behandlung der verdächtigen Wunde erfolgt. — Wohl eine Unzahl unserer wackeren Vaterlandsverteidiger verdanken diesen vorbeugenden Einspritzungen, die im Weltkrieg allgemein bei verunreinigten Wunden gebräuchlich waren, die Errettung vom sicheren Tode.
(WA 76/1923 vom 3. April)

Das Impfen der Kinder (zu dieser Zeit entsprechend gegen Tetanus) wurde zur Pflicht für alle: Der Stadtrat Wasserburg gab in einer Bekanntmachung (erschienen im WA vom 3. April) den Montag, 16. April, als Impftermin an. Als „Impflokal“ wurde die „Kinderbewahranstalt im Mädchenschulhausgebäude“ angegeben.

Fußball an Ostern: Bayern München spielte gegen Union-SC Berlin-Charlottenburg 2:2 und gegen Norden-Nordwest-Berlin ebenfalls 2:2, während Spvgg. Fürth gegen Holstein Kiel sich mit 5:1 durchsetzte.
(WA 76/1923 vom 3. April)

Schnaitsee soll stärker an Wasserburg gebunden werden. Hierzu eine Meldung:
Schnaitsee (Kraftpostlinie in Aussicht).  Wie das Reichspostministerium der Gemeinde mitteilte, steht die Errichtung einer Kraftpostlinie zur Personenbeförderung nach Wasserburg in Aussicht und zwar unter Verwendung eines Eintonnenwagens für 10 bis 12 Personen, falls die Gemeinde Schnaitsee für einen Hinterstellungsraum sorgt.
Mit Trostberg dauern die Verhandlungen fort und ist hoffentlich zu erwarten, daß die Weiterführung nach Trostberg auch bald zu Stande kommt.
(WA 83/1923 vom 11. April)

Für Post- und Banksendungen in die von Franzosen besetzten Gebiete lehnten die Banken auch in Wasserburg jedwede Haftung ab, da befürchtet wurde, dass Franzosen alles plünderten:

Wasserburg. Im Anzeigenteil wird von den beiden Bankfilialen eine Erklärung zur Veröffentlichung gebracht, wornach infolge der politischen und wirtschaftlichen Lage im alt- und neubesetzten Gebiet eine Haftung für Wertsendungen, für Schecks u. Wechselinkasso u.a. von Seite dieser Institute abgelehnt wird.
(WA 83/1923 vom 11. April)

 

In der zweiten Aprilhälfte wird der Unmut über die Franzosen immer lauter, werden die Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten militanter und zunehmende Sympathien für Adolf Hitler deutlicher …

…  wie in Teil 8 der Serie zu lesen sein wird, die in Kürze folgt.

PETER RINK

Bildernachweis:

Vorlage für das Titelbild/Serienlogo:
Rückseite des Gutscheins (Notgeld) der Stadt Wasserburg aus dem Jahr 1923 über eine Million Mark mit Zeichnung der Innfront/Burg vom Südufer des Inns (Rothmaier, 1920)

Gutscheinbild:
Vorderseite des Gutscheins der Stadt Wasserburg

StadtA Wasserburg a. Inn, IVd3, Repro/Fotobearbeitung: Matthias Haupt