Theater Wasserburg glänzt mit Premiere zu George Orwells „Animal Farm“

Seit 25 Jahren gibt es das Theater Wasserburg an der Salzburger Straße. Und zur ersten Premiere dieser besonderen Spielzeit haben sich die Verantwortlichen an die „Farm der Tiere“ von George Orwell gewagt. Ein zugegebenermaßen ehrgeiziges Projekt, das, sowohl, was die Regie, als auch das schauspielerische Potential und die Bühnenausstattung betrifft, hervorragend gelungen sein dürfte.

Alle Tiere sind gleich

Der Alkoholiker Mr. Jones, dem die „Herrenfarm“ gehört, wird von den Tieren, die unter seiner Willkür Hunger leiden müssen, verjagt und die Tiere übernehmen selbst die Leitung der Farm. Der geistige Kopf ist Old Major, ein in die Jahre gekommener Eber, der den Aufstand aus dem Hintergrund geistig begleitet und alsbald stirbt. Die Schweine übernehmen die Leitung des Hofes, alle Tiere sind glücklich, dass der böse Mensch vertrieben ist. Und sie schaffen sofort ein Grundgesetz, bestehend aus sieben Artikeln. Sie gipfeln in der Forderung „Alle Tiere sind gleich“.

„Schneeball“ wird vertrieben

George Orwell hatte seine Fabel 1945 veröffentlicht und der Inhalt lehnt sich eng an die Geschichte der Sowjetunion an. Der alte weiße Eber Major soll wohl Lenin repräsentieren. Nach seinem frühen Tod konkurrieren „Schneeball“ und „Napoleon“ um die Vorherrschaft auf der Farm der Tiere. Schneeball, hervorragend dargestellt von Andreas Hagl, soll wohl den temperamentvollen Trotzkij verkörpern, der auf permanente Revolution setzte, während „Napoleon“, excellent dargestellt von Hilmar Henjes, den autoritären und diktatorischen Stalin symbolisieren dürfte.

Am Anfang versammeln sich alle Tiere hinter Napoleon und Schneeball und alle singen das „Einheitsfrontlied“, das Hanns Eisler 1934 zu einer Dichtung von Bert Brecht komponiert hatte. Dieses Lied ist gut gewählt, denn wenige Kompositionen repräsentieren so wie dieses Einheitsfrontlied die Mentalität der Linken nach dem Ersten Weltkrieg, als sich Sozialdemokraten und Kommunisten bekanntlich bis aufs Messer bekriegten und hier wollte Brecht ansetzen und die „Einheitsfront“ beschwören.

Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher als die anderen

Doch es kam anders als gedacht. Obwohl die Hunde als die verhassten Lakaien des Menschen galten, hat sich Napoleon drei von ihnen heimlich gehalten und mit deren Hilfe Schneeball von der Farm vertrieben. Napoleon ließ dann Horrorgeschichten über Schneeball verbreiten. Auf einer Laufschrift am unteren Rand der Bühne werden die sieben Gebote des „Animalismus“ eingeblendet, doch mit der Zeit verändern sich die sieben Grundsätze der Farm der Tiere zunehmend. Sie gipfeln in dem Satz: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher als die anderen“. Das gutmütige Pferd „Boxer“, hervorrgend verkörpert von Oliver Vilzmann, steht den Veränderungen, die Napoleon veranlasst, verzweifelt gegenüber und wiederholt seinen credohaft wirkenden Satz: „Ich werde noch härter arbeiten“. Als Napoleon die Eier der Hühner an Menschen verkauft und somit eine Hungersnot unter den Tieren auslöst, regt sich auch weiterhin kaum nennenswerter Widerstand, weil es Napoleon gelingt, die Verantwortung für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten immer wieder Schneeball anzulasten.

Napoleon lässt die Geschichte umschreiben

Es regt sich auch kein Widerstand, als das Schwein Napoleon das „Einheitsfrontlied“ verbietet. Das selbstverliebte Pferd Mollie, wunderbar verkörpert von Susan Hecker, pflegt ihre Eitelkeit mit hübschen Bändern und sie liebt Zucker über alles. Aber sie kann sich gegen die Usurpation der vollständigen Macht durch die Schweine nicht wehren. Und mit dem Schwein „Quieker“ hat sich Napoleon einen Beauftragten für Propaganda herangezogen. Rosalie Schlagheck unterstreicht ihre vermeintliche Volksnähe dadurch, dass sie immer wieder englische Wortfetzen in ihre Ansprachen integriert, eine herrliche Satire auf den Anglizismus-Wahn unserer Tage.

Am Ende haben die Schweine die Herrschaft komplett übernommen. In Orwells Ballade heißt es, dass die Schweine das Haus von Mr. Jones bezogen hätten und sich langsam benähmen wie die Menschen. Schließlich säßen sie sogar an Tischen und tränken Alkohol.

Und so hat am Ende der „Animalismus“ die hehren Ziele des Animalismus selbst verraten. Und die Revolution hat am Ende ihre eigenen Kinder gefressen.

Susan Hecker, Rosalie Schlagheck, Andreas Hagl, Hilmar Henjes, Carsten Klemm, Thorsten Krohn und Oliver Vilzmann haben unter der Regie von Annett Segerer ein Stück auf die Bühne gestellt, das einem unter die Haut geht. 

Die Verführung, Macht so einzusetzen, dass die Menschen keine Freiheit mehr zum Atmen haben, ist eine Verführung auch unserer Zeit. Wieviel Freiheit kann man aushalten und wieviel will man aushalten?

Weitere Aufführungen

Man kann im Theater Wasserburg die „Farm der Tiere“ noch sehen, und zwar am Sonntag, 19. Oktober (19 Uhr), am Freitag, 14. November (20 Uhr), Samstag, 15. November (20 Uhr), Sonntag, 16. November (19 Uhr), sowie am Freitag, 19. Dezember und Samstag, 20 Dezember (jeweils um 20 Uhr) und schließlich am Freitag, 30. Januar 2026 (20 Uhr), Samstag, 31. Januar 2026 (20 Uhr) und am Sonntag, 1. Februar 2026 (19 Uhr).

Am 19. Oktober findet unter dem Motto „VOR.REDEN“ ab 18 Uhr im Saal des Theaters ein Gespräch von Ute Mings mit der Regisseurin Annett Segerer statt.

Karten gibt’s online unter www.theaterwasserburg.de, bei der Touristinfo in Wasserburg, bei Versandprofi Gartner in Wasserburg, bei Foto-Flamm in Haag, im TicketZentrum Rosenheim und bei Inn-Salzach-Ticket. Es ist eine beeindruckende Inszenierung, deren Besuch sich wirklich lohnt.

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