Sie wollen sich dem Verfahren nicht länger als Nebenkläger anschließen
Es war erst der vierte von 26 angesetzten Verhandlungstagen im erneuten Verfahren gegen Sebastian T. vor der Strafkammer des Landgerichts in Traunstein, das in Laufen stattfindet. Nachdem der Bundesgerichtshof das erstinstanzliche Urteil im so genannten Eiskeller-Prozess vom März 2024 aufgehoben hatte, hatte die nunmehr zuständige Strafkammer beim Landgericht den Haftbefehl gegen Sebastian T. nicht „außer Vollzug gesetzt“, wie es auch möglich gewesen wäre, sondern „aufgehoben“. Dadurch wird es komplizierter, im Falle eines Urteils den Haftbefehl wieder in Kraft zu setzen. Wie jetzt vom Gericht zu erfahren war, ziehen sich die Eltern des Opfers als Nebenkläger aus dem Prozess zurück.
Was passierte bisher im Prozess?
Im Oktober 2023 wurde das Verfahren gegen Sebastian T. erstmalig eröffnet. Die Verteidigung lag seinerzeit bei den Rosenheimer Strafverteidigern Harald Baumgärtl und Dr. Markus Frank. Im Laufe des November 2023 wurde die Strafverteidigerin Regina Rick aus München als Wahlverteidigerin hinzugezogen und seither änderte sich vor dem Landgericht in Traunstein einiges.
Regina Rick wurde 2022 überregional medial bekannt, weil sie im Mordprozess gegen Manfred Genditzki die Wiederaufnahme des Verfahrens erwirkte und einen Freispruch erreichen konnte.
Man konnte regelrecht zusehen, dass der Ton zwischen der Wahlverteidigerin einerseits, der Staatsanwaltschaft, dem Vertreter der Nebenklage und dem Gericht rauer wurde. Am Tag der Urteilsverkündung im März 2024 hatte die Vorsitzende Richterin der Wahlverteidigerin noch vorgeworfen, das Gericht in einem wichtigen Detail mit der Unwahrheit bedient zu haben. Die Richterin sagte damals: „Der Angeklagte darf das Gericht belügen, die Verteidigung darf das nicht!“
Wie ist Hanna W. ums Leben gekommen?
Hat Sebastian T. in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 2022 Hanna W. in Aschau getötet und in den Bärbach geworfen? Diese Frage wurde in den fünf Monaten des ersten Verfahrens vor dem Landgericht Traunstein einer eingehenden Beweisaufnahme unterzogen. Und am Ende befand die Kammer, die aus drei Richtern und zwei Schöffen bestand, dass die vorliegenden Indizien eindeutig für eine Schuld von Sebastian T. sprächen. Einen zweifelsfreien Beweis dafür konnte man aber nicht liefern.
Formfehler der Strafkammer
Allerdings sei der Vorsitzenden Richterin ein wichtiger Formfehler unterlaufen. Sie habe einen E-Mail Kontakt mit dem zuständigen Staatsanwalt gehabt und die Verteidigung hiervon nicht informiert. Aus diesem Grund habe der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben und einen erneuten Prozess in Traunstein vor einer anderen Strafkammer angeordnet.
Verteidiger legen Mandat nieder
In der Folgezeit haben wohl die beiden renommierten Rosenheimer Strafverteidiger Harald Baumgärtl und Dr. Markus Frank das Mandat in diesem Verfahren niedergelegt. Regina Rick als einzig übrig gebliebene Verteidigerin zog nun den Hamburger Strafverteidiger Dr. Yves Georg hinzu, der in dem Verfahren gegen Jörg Kachelmann den Angeklagten verteidigt hatte.
Paukenschlag am vierten Verhandlungstag
Und an diesem vierten Verhandlungstag des erneuten Verfahrens in Laufen gab es nun einen Paukenschlag: Die Eltern der verstorbenen Hanna W., Rosalie und Andreas W. wollten sich dem Verfahren nicht mehr als Nebenkläger anschließen. Wie uns die Pressestelle des Landgerichts mitteilte, haben die Eltern von Hanna W. einen diesbezüglichen Antrag gestellt, der Schriftsatz sei aber noch nicht eingegangen.
Und in diesem Schriftsatz soll nun stehen, dass die Eltern von Hanna W. schwer unter dem Verlust ihrer geliebten Tochter litten. Und in dem Verfahren in Laufen hätten sie nunmehr schmerzlich erfahren müssen, „dass Hanna W. für diese Strafkammer keine Rolle mehr spielt“. Hannas Eltern hätten große Zweifel, dass das jetzt angelaufene Verfahren jene Sachaufklärung zu Tage fördern werde, die sie unbedingt wünschten.
Der Angeklagte schweigt weiterhin, beharrlich
Sebastian T. schweigt weiterhin , und das beharrlich. Seine Verteidigerin sei mittlerweile einverstanden, dass die Medien sein Gesicht unverpixxelt veröffentlichten, denn er sei ja unschuldig, wie Regina Rick mehrfach geäußert hatte. Warum er dann nicht vor Gericht aussagt und hilft, den Fall aufzuklären, das bleibt allerdings sein Geheimnis und das seiner Verteidiger.
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Foto oben vom ersten Prozess in Traunstein.
Schaufenster

Es ist freilich furchtbar für die Eltern, das über so lange Zeit mitzumachen und das hin und her. Aber es ist auch furchtbar für den Rechtsstaat, wie der erste Prozess gelaufen ist. Ein Indizienprozess, der am Ende einen Schuldigen findet mit der starken Gewichtung einer Aussage eines Knastis, der sich einen Vorteil erhofft? Es ist die vorangegangene Richterin und Staatsanwaltschaft, die den Eltern das Leben unnötig schwer machen. Man hat damals zu viel riskiert und den Prozess noch ohne handfeste Beweise gestartet und da bei Freispruch der Angeklagte auf Lebenszeit frei bleibt, musste man die Verurteilung erzwingen – durch Absprachen und eben der Gewichtung der Aussagen. Im Privatleben hätten die den Zeugen nie geglaubt – so naiv ist keiner. Es hätte mehr Vorarbeit gebraucht und erst dann den Prozess starten, wenn man sich sicher ist, ihn hinter Gitter zu bringen. Ein fürchterliches Vorgehen. Und die Eltern müssen das ertragen.
Der BGH hat in seiner Entscheidung, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben, eindeutig von der „Besorgnis der Befangenheit“ der vorsitzenden Richterin gesprochen. Und darüber hinaus, in einer weiteren Stellungnahme, von einer mangelnden juristischen Distanz zum Prozessgeschehen durch die Dame. Nachdem sich diese unaufgefordert zur BGH-Entscheidung geäußert hat.
Schlimm, dass die weiterhin ihren Beruf nachgehen darf.
„Warum er dann nicht vor Gericht aussagt und hilft, den Fall aufzuklären, das bleibt allerdings sein Geheimnis und das seiner Verteidiger.“
Die Antwort ist ganz einfach und sollte eigentlich auch jeder juristische Laie wissen: Er schweigt, weil es sein Recht als Angeklagter ist.
Manche schweigen auch, weil sie zu feige sind, zu ihren entsetzlichen Taten zu stehen.
Furchtbar für die Eltern.
(…)
Der Angeklagte hatte sich geäußert – und zwar gegenüber den Ermittlungsbeamten. Wenn Sie sich äußern und dann schnurstracks Beschuldigter sind, äußern Sie sich danach auch freiwillig nicht mehr. Und jeder Strafverteidiger der bei Trost ist rät Ihnen das gleiche. Erst recht in einem solchen Indizienprozess mit derart vielen Zweifeln – jede Äußerung des Angeklagten würde sofort von der StA ausgelegt werden.
Sie erwähnen bspw. auch nicht die Stellungnahme der Verteidigung zur Mitteilung der Nebenkläger.
Und: die Nebenklage hat strafprozessual doch Möglichkeiten? Dass sie diese nicht nutzt und stattdessen das Handtuch wirft, ist eher ein Signal, dass auch die Nebenklage nicht mehr von einer Schuld des Angeklagten überzeugt ist.
(…) Jeder Angeklagte hat das Recht, sich umfassend zu verteidigen – und das buchstäblich mit Händen und Füßen. Wer in einem Fall wie diesem erwartet, dass die Verteidigung zimperlich agiert, macht sich doch unglaubwürdig. Bei aller Tragik, aber das kann einem keiner erzählen.
(…)
Eine ganz große Cefahr ist halt die juristische Tatsache, dass jemand, wenn er einmal freigesprochen wurde, wegen der gleichen Sache nicht mehr angeklagt werden kann. Auch dann nicht, wenn aufgrund neuer kriminaltechnischer Beweise, wie z.B. DNA-Spuren, die Tat auch nach Jahren zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Wie oft werden jahrzehnte später Taten nachgewiesen! Die Polizei hat dafür eigene Abteilungen, Aktenzeichen XY-ungelöst und unzählige True-Crime-Dokumentationen beschäftigen sich mit diesen Cold-Cases nach dem Grundsatz „Mord verjährt nicht“. Im Fall Hanna ist das Worst-Case-Szenario eingetreten. Sollte dem aktuellen Angeklagten doch noch die Tat nachgewiesen werden können, braucht er sich vor einem neuen Prozess nicht mehr fürchten. Das ist die Justiz und Justitia hat bekanntlich verbundene Augen.