Prozessauftakt gegen internationale Schleuserbande in Traunstein - Vier Angeklagte

Ein kriminelles Netzwerk, das unter dem Namen „Al-Sarawi“ bekannt ist, organisiert seit einiger Zeit illegale Schleusungen von Syrern nach Deutschland – auch im Raum Rosenheim. Die fluchtbereiten Menschen zahlen hierfür eine Summe zwischen 12.000 und 15.000 Euro pro Person. Im November vergangenen Jahres wurden nun einige Mitglieder dieses Clans gefasst und stehen jetzt in Traunstein vor Gericht.

Die fünfte Strafkammer des Landgerichts Traunstein unter Vorsitz von Richter Volker Ziegler hat nun die Aufgabe, über die Straftaten dieses Netzwerkes zu urteilen. Bis Weihnachten sind 24 Verhandlungstage vorgesehen, es ist aber gut möglich, dass dies nicht ausreicht und noch weitere Verhandlungstage notwendig sind, bis die Kammer ein Urteil sprechen kann.

Beim Prozessauftakt gab es intensive Sicherheitskontrollen, die vier Angeklagten in Hand- und Fußfesseln wurden von jeweils drei bis vier Polizisten vorgeführt.

Insgesamt neun Verteidiger wurden bestellt, darunter die drei bekannten Rosenheimer Strafverteidiger Harald Baumgärtl, Dr. Markus Frank und Raphael Botor.

Die vier Angeklagten stammen sämtlich aus Syrien, einer von ihnen gibt zu Protokoll, deutscher Staatsbürger zu sein, einen Dolmetscher brauche er aber dennoch, da er kein Wort deutsch sprechen könne.

In der ersten Stunde verlas der Staatsanwalt die 23-seitige Anklageschrift. Man erfuhr, dass den vier Angeklagten nicht nur die illegale Schleusung von über 700 Personen zur Last gelegt wird, sondern einzelnen Angeklagten auch Tötungsaufträge an mehreren Personen, Verbrechensaufträge, wie beispielsweise schwere Körperverletzung oder auch Vergewaltigung. Bei den Schleusungsmaßnahmen seien auch zwei Geflüchtete zu Tode gekommen.

Und dann wollte das Gericht die vier Angeklagten vernehmen. Doch drei der vier wollten sich weder zu ihrer Person noch zur Sache äußern. Zwei von ihnen stammen aus Deir-ez-Zor, jener Stadt im Nordosten Syriens, in der sich seit 2011 Vertreter des „Islamischen Staates“ und der syrischen Regierung heftige militante Kämpfe geliefert haben, weshalb Deir-ez-Zor heute als eine zerstörte Stadt gelten kann.

Nur einer der vier Angeklagten wollte sich zu seiner Person und zur Sache äußern. Er sei verheiratet und habe zehn Kinder mit seiner Frau. Wo die Frau und die Kinder leben, erfuhr man nicht, offensichtlich aber in Deutschland. Der Angeklagte konnte auch nicht abschließend sagen, wovon er seinen Lebensunterhalt bestreitet. Er sagte nur aus, dass er in Syrien die Schule besucht habe, und zwar bis zur 9. Klasse. Er habe seinen Militärdienst abgeleistet und habe dann in Syrien als Lkw-Fahrer gearbeitet, eine Berufsausbildung habe er nicht. Als sein Lkw nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei, sei er zunächst in die Türkei geflohen und dann weiter nach Deutschland. Seit zehn Jahren lebe er nun in Deutschland, könne sich aber nicht recht auf deutsch verständigen. 

Das Gericht wollte von ihm wissen, ob er von den Schleusungen und den damit zusammenhängenden Geldtransfers wusste oder darin involviert gewesen sei. Die Antworten des Angeklagten stellten die Kammer aber nicht zufrieden. 

Das „Hawala“-System ist ein in der arabischen Welt bekanntes und auch beliebtes Geldtransfer-System, bei dem Geld an Personen übergeben wird und damit Banken übergangen werden können, was den Verdacht der Geldwäsche nährt. Die Geldüberbringer erhalten eine Provision und man muss bestimmte Codes wissen, damit Irrttümer bei der Geldübergabe verhindert werden könnten. Schriftliche Aufzeichnungen seien bei diesem „Hawala“-System nicht vorgesehen.

Richter Ziegler fragte den Angeklagten, warum er sieben verschiedene „Hawala“-Konten benötigt habe, wenn er doch nur einen Kunden für diese Transferleistungen gehabt habe. Eine Antwort darauf blieb der Angeklagte aber schuldig. Er habe von den Geldleistungen ein Prozent als Provision erhalten. Folgt man den Zahlen der Anklageschrift, dann habe er umgerechnet mehr als 3,7 Millionen Euro umgesetzt. 

„Ich höre hier nur Verharmlosung“, zeigte der Vorsitzende Richter seinen Unmut, als die Kammer dem Angeklagten vorhielt, er habe bei der Polizei zu Protokoll gegeben, seit acht Jahren bei „Hawala“ tätig zu sein und jetzt wolle er vieles davon nicht mehr wissen. „Vielleicht habe ich da Spaß gemacht“, übersetzte der Dolmetscher die Antwort des Angeklagten. Dass er Geld bekommen habe, gab der Angeklagte zu, aber deutlich weniger, als die Staatsanwaltschaft ihm vorhalte.

Nach der Mittagspause kam ein Vorfall zur Sprache, der sich Ende August 2024 bei der Gartenlaube des Angeklagten abgespielt haben soll. Hierbei wollten wohl die anderen eine Summe von 400.000 Euro aus dem Fahrzeug des Angeklagten entwenden. Zu diesem Zwecke hätten sie ihn gefesselt und von ihm verlangt, 400.000 Euro herauszugeben. Als die Polizei anrückte, hätten seine Komplizen ihm die Fesseln abgenommen und seien geflohen, der Polizei habe er sagen sollen, dass man  nur gespielt habe. 

Dann wurde die Kammer ungeduldig: Welche Verletzungen er durch die Fesselung und die Folter erlitten habe, wollte das Gericht wissen und hier äußerte der Angeklagte nur, dass er überall geschlagen worden sei, seine linke Hand einen Monat lang nicht habe bewegen können, dass die Verletzungen aber vor allem psychischer Natur gewesen seien. Eine Pistole habe man ihm an den Kopf gehalten. Auf die Frage, ob einer der im Saale anwesenden Angeklagten bei dieser Aktion dabei gewesen sei, antwortete er nur, dass er niemanden belasten wolle. Deshalb könne er sich gar nicht an ein Gesicht erinnern. Die Befragung durch das Gericht zog sich bis in den späteren Nachmittag hinein, ohne dass der Angeklagte brauchbare Aussagen zu Protokoll gab oder auf die Fragen des Gerichts konkret  geantwortet hätte.

Nach dem ersten Verhandlungstag konnte dem neutralen Beobachter deutlich werden, dass dieser Prozess um Schleusungen und die damit zusammenhängende Gewaltkriminalität noch sehr viel Ausdauer von allen Beteiligten verlangen wird. Ob die Wahrheit je ans Licht kommen wird, bleibt leider ungewiss.

In der kommenden Woche wird der Prozess fortgesetzt. Wir berichten weiter.

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