Publikum wird am zweiten Abend des Klaviersommers zur Jury über Vertonungen von Goethe-Gedichten
Er wurde im Vorfeld groß angekündigt, weil es natürlich schon ungewöhnlich ist, wenn der aus dem Fernsehen sehr vielen wohlbekannte Harald Schmidt in seiner spontan-frechen Manier in Wasserburg eine Veranstaltung des Klaviersommers moderiert. Sowohl Rita und Klaus Kaufmann, als auch Harald Schmidt lüfteten das Geheimnis um dieses Engagement. Rita Kaufmann habe Schmidt bei der Produktion von „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss an der Staatsoper Stuttgart kennengelernt.
Er hatte eine Sprechrolle und sie durfte den recht anspruchsvollen Klavierpart übernehmen. Sie trafen sich in Wien erneut und es entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung. Und als dann Klaus Kaufmann Harald Schmidt fragte, ob er sich vorstellen könne, beim Wasserburger Klaviersommer an einem Abend die Moderation zu übernehmen, antwortete Schmidt spontan und positiv. Und so kommt das Wasserburger Publikum in den Genuss eines Abends mit Harald Schmidt.
Doch damit nicht genug. Kaum sprach sich dies in Wasserburg herum, überstieg die Zahl der Voranmeldungen für diesen Abend erheblich die Zahl der Sitzplätze. Deshalb entschieden sich die Veranstalter, am Nachmittag eine zusätzliche Veranstaltung anzusetzen.
Harald Schmidt, der nicht nur spontan sehr witzig sein kann, sondern es auch vermag, dabei ein wenig beißend zu werden, wobei ihm seine Fähigkeit hilft, verschiedene Dialekte und Stimmen zu imitiieren, führte in das erste Gedicht aus dem Faust I ein. „Gretchen am Spinnrade“ heißt dieses Gedicht und Harald Schmidt bemerkt nur, dass Gretchen traurig sei, weil sie in Faust II nicht mehr mitspielen könne.
Und dann begann im Festsaal des kbo-Inn-Salzach-Klinikums in Gabersee der Liederabend. Das Publikum wandelte sich gleichzeitig zur Jury. Denn die Veranstalter hatten zu jedem der sechs ausgewählten Goethe-Gedichte drei verschiedene Vertonungen zusammengestellt und die kroatisch-italienische Sopranistin Diana Haller und der bayerische Bariton Wilhelm Schwinghammer sangen abwechselnd jeweils drei Fassungen der Vertonungen. „Gretchen am Spinnrade“ wurde von Diana Haller gesungen und das Publikum war sogleich fasziniert vom großen Stimmumfang der Sopranistin.
Mit großer Hingabe entbot sie die drei Interpretationen des Gedichtes. Immerhin war es ja eine schwierige Situation für Gretchen, war sie doch als gläubige junge Frau in der Verlegenheit, verliebt, ja, schwanger zu sein, und das ohne Trauschein, weshalb sie Faust auch gleich nach dem Gedicht die bekannte Gretchenfrage stellt: „Nun sag, wie hast Du’s mit der Religion?“ Gretchen wird es nicht überleben. Das Publikum sollte die Musik bewerten und die Zuschauer waren gerne bereit, die Veranstalter hierbei zu unterstützen. Dem Gesang von Diana Haller zuzuhören, war eigentlich schon Genuss an sich. Durch das unglaublich einfühlsame Klavierspiel von Rita Kaufmann, die seit 2023 stellvertretende Studienleiterin an der Wiener Staatsoper ist, geriet es zu einem wunderbaren Erlebnis.
Mit Goethe ging es weiter, Rita Kaufmann blieb am Flügel sitzen, doch statt der Sopranistin trat nun Wilhelm Schwinghammer auf und sang drei Vertonungen des Gedichtes „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“ aus Goethes Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“. Auch hier überzeugte Rita Kaufmann durch ihr präzises, filigran anmutendes Klavierspiel und Wilhelm Schwinghammer durch seine stets präsente, gut getragene Baritonstimme. Seine höchst präzise Tonbildung unterstrich den gelungenen Vortrag der drei Vertonungen.
Daran anschließend war es nun wiederum Diana Haller, die drei Vertonungen des Gedichts „Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühen?“, auch gut bekannt unter dem Titel „Mignon“, das Goethe in Wilhelm Meisters theatralischer Sendung und später in Wilhelm Meisters Lehrjahren publizierte. Diana Haller und Rita Kaufmann stellten einmal mehr ihr herausragendes Können unter Beweis und die Sopranistin verstand es, dem Publikum abermals ihren beeindruckenden Stimmumfang zu präsentieren.
Mit dem „Flohlied“ aus Goethes Faust wurde der Abend fortgesetzt. Wilhelm Schwinghammer konnte erneut sowohl sein Stimmvolumen, als auch seinen Stimmumfang präsentieren. Danach konnte man drei Vertonungen von „Nur wer die Sehnsucht kennt“ aus Wilhems Meisters Lehrjahre hören und zum Abschluss wurden drei Vertonungen von Goethes Ballade „Erlkönig“ gesungen. Diana Haller und Wilhelm Schwinghammer lösten sich immer wieder ab, während Rita Kaufmann das Piano bediente. Und es waren die eindringlichen, eindrucksvollen Interpretationen der Sopranistin und des Bariton, die, neben dem ausgezeichneten Pianospiel von Rita Kaufmann, die das Klangerlebnis der Vertonungen von Goethes Gedichten zu einer derartigen Vollendung trieben.
Bei der Bewertung der schönsten Vertonungen der Gedichte entschied sich das Publikum zweimal für Ludwig van Beethoven und dreimal für Franz Schubert und nur einmal für einen weniger bekannten Komponisten, und dass, obwohl die Namen der Komponisten seitens der Veranstalter bis kurz vor Schluss geheim blieben.
Der lang anhaltende Applaus zeigte, dass das Publikum fasziniert war. Und Harald Schmidt vermochte es, durch seine spontan witzigen, manchmal auch beißend scharfen Witzeleien, das Publikum zum Lachen zu bringen. Allerdings dürften seine Scherze wohl nicht bei allen gleich gut ankommen, das war früher so und so ist es bis heute wohl geblieben.
Eigentlich hatte Klaus Kaufmann den Wasserburger Klaviersommer ins Leben gerufen, um talentierten jungen Pianisten ein Forum zu bieten, wo sie ihr Können darbieten können. Dies steht nun am Sonntag im Mittelpunkt des diesjährigen Wasserburger Klaviersommers. Er war recht kurz, aber sehr eindringlich und höchst eindrücklich.
PETER RINK
Schaufenster
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