39-jähriger Mann aus der Türkei musste sich vor dem Schöffengericht in Rosenheim verantworten

39-jähriger Mann aus der Türkei musste sich kürzlich vor dem Schöffengericht in Rosenheim verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten vor, seine eigene Ehefrau mindestens zweimal vergewaltigt zu haben. Darüber hinaus warf sie ihm vor, seine Ehefrau körperlich misshandelt und in ihrer Gesundheit beschädigt zu haben. Und schließlich wurde ihm vorgeworfen, seine Ehefrau bei türkischen Behörden falsch verdächtigt zu haben.

Vor dem Schöffengericht beim Amtsgericht Rosenheim fand dieser Tage der Prozess gegen den Mann statt. Mittlerweile ist er von seiner Frau geschieden, doch er soll im September 2022 und im Januar 2023 seine Frau zu gemeinsamem Sex gezwungen haben, obwohl sie ihm unmissverständlich erklärt hatte, dass sie dies nicht wünsche.

Augenzeugen gab es für diese Vorwürfe keine, aber Zeugen, mit denen entweder der Ehemann oder die Ehefrau im Nachhinein darüber gesprochen hatten. Da der Verteidiger die Tatvorwürfe im Auftrage seines Mandanten bestritt, war das Gericht gehalten, in der Beweisaufnahme die Frage der Schuld zu erhellen. Hierzu wurde zunächst die Ehefrau, die die Anzeige gegen ihren Mann gestellt hatte und vor Gericht auch als Nebenklägerin auftrat, befragt.

Sie sagte umfassend vor dem Gericht aus und berichtete ausführlich von jenem Erlebnis im September 2022, als ihr Mann Sex mit ihr wollte, sie dies aber verweigerte, weil zum einen die acht Wochen alte Tochter im Zimmer geschlafen habe und sie noch recht starke Schmerzen nach der Geburt der Tochter gehabt habe. Die Vorsitzende Richterin Isabella Hubert befragte die Ehefrau, wie denn diese Vergewaltigung ausgesehen habe und sie schilderte, dass sie an die Wand gedrückt worden sei, dass er ihre Arme festgehalten habe und ihr Hämatome zugefügt habe. Unmittelbar nach dem sexuellen Kontakt habe er die gemeinsame Wohnung verlassen. Sie habe sich sehr gedemütigt gefühlt und habe auf eine Wiedergutmachung von ihrem Ehemann gewartet. Doch nichts dergleichen sei passiert. Dann habe sie auch noch erfahren, dass sie die dritte Ehefrau ihres Mannes gewesen sei und dass er sie nur geheiratet habe, weil sie einen dauerhaften Aufenthaltstitel in Deutschland hatte. Wenn sie Kinder hätten, könnte er nicht mehr abgeschoben werden. 

„Ich habe sehr viel gegen meinen Willen ertragen müssen“, gab sie zu Protokoll und man kann die emotionale Berührtheit der Frau förmlich spüren. Sie habe zwar an die Liebe zwischen ihr und ihrem Mann geglaubt, aber zunehmend habe sich das Gefühl verstärkt, dass sie nur ausgenutzt werde. Dieses Gefühl habe auch ihre Schwester bei ihr immer wieder genährt. Einen Monat nach dem Erlebnis hätten sie sich dann versöhnt. Sie habe sich um die kleine Familie bemüht, aber er habe sich gar nicht bemüht, das Familienleben positiv zu gestalten.

Im Januar 2023 sei es dann zu einer zweiten Vergewaltigung gekommen, bei der sie sich aber nicht so gewehrt habe wie bei der ersten. Vor Gericht sagt sie aus, dass sie da gar nicht wisse, ob das als Vergewaltigung anerkannt würde, sie habe sich da auch gar nicht so gesträubt wie beim ersten Male, sie sei auch voller Schuldgefühle gegenüber ihrem Mann gewesen. Ob sie Schmerzen gehabt habe, wollte die Richterin von der Ehefrau wissen, was sie mit einem „natürlich“ beantwortete. In der Folgezeit gab es wiederholt körperliche Auseinandersetzungen, er habe sie immer wieder geohrfeigt, sie wegen ihres Aussehens und ihrer Kleidung beleidigt, sie auf den Boden gedrückt, sie gezerrt und beschimpft. Am nächsten Morgen habe er dann seine Koffer packen wollen und sie habe ihm erklärt, dass sie nicht wolle, dass er sie verlasse. Sie wolle ihre Familie retten und ein schönes Familienleben gestalten. Eine knappe Woche später dann habe nun sie aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen wollen. Sie habe überhaupt kein Geld gehabt, sei am Ende gewesen, habe nicht gewusst, wie es weitergehen solle. Er habe daraufhin alle ihre Freunde angerufen und seine Frau bei den Freunden schlecht gemacht.

Sechs Monate nach der ersten Vergewaltigung und zwei Monate nach dem zweiten Vorfall hat die Ehefrau nun ihren Mann bei der Polizei angezeigt. Kurz vor dieser Anzeige hatte der Ehemann seine Frau angezeigt, weil sie mit einer Lauflernhilfe für Kleinkinder nach ihm geworfen habe.

Warum hat die Frau so lange mit dieser Anzeige gewartet?

Das Gericht vernahm mehrere Zeugen, alle waren wie der Angeklagte und seine Frau, türkisch-kurdischer Herkunft. Die Vernehmung der Zeugen gestaltete sich schwierig, weil sie, selbst wenn sie gut deutsch sprachen, darauf bestanden türkisch zu sprechen und dass die Dolmetscherin alles übersetzte.

Die Vorsitzende Richterin, Isabella Hubert, stellte den Zeugen immer wieder Frage, die man mit „ja“ oder „nein“ hätte beantworten können und sie bestand auch darauf, dass man ihre Fragen so kurz wie möglich beantwortet. Doch diesen Gefallen taten die Zeugen der Richterin nicht. Aus welchen Gründen die Zeugen, der Angeklagte und auch die Ehefrau des Angeklagten kurze Antworten verweigerten, wurde nicht erörtert. Im orientalischen Kulturkreis kann es als unhöflich gelten, auf Fragen nur kurz zu antworten. Und so erhält das Gericht immer wieder blumige Antworten, die auf die Frage eigentlich nicht korrekt antworten.

Und da die Zeugen sich entweder auf die Seite des Angeklagten oder aber seiner Ehefrau schlugen, war auch die Nähe zu einem Tratsch nicht verkennbar. Man fühlte sich an Shakespeares „Viel Lärm um Nichts“ oder an Carlo Goldonis „Viel Lärm in Chiozza“ erinnert. 

Eine Zeugin, offenbar auf Seiten des Angeklagten ließ an der Ehefrau kein gutes Haar. 

Die Vertreterin der Nebenklage, Susanne Schomandl,  empörte die Aussage so sehr, dass sie eine Vereidigung der Zeugin verlangte und die Anwältin sagte es laut: „Mich regt das auf, dass die Zeugin hier so lügt!“ Und die Zeugin gab noch zu Protokoll, dass ihr Gehirn ermüdet sei. Der Verteidiger des Angeklagten, Dr. Markus Frank, gab sich in dieser Situation hingegen gelassen: „Mich regt das nicht auf!“

Und so blieb der Zweifel, welche Position der Wahrheit eher entspricht.

Die Staatsanwältin verlangte wegen der zweifachen Vergewaltigung und der wiederholten Körperverletzungen insgesamt vier Jahre Haft, was die Vertreterin der Nebenklage unterstützte, während der Verteidiger des Angeklagten auf Freispruch plädierte.

Nach kurzer Beratung sprach das gericht den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung frei, weil man nicht zweifelsfrei habe nachweisen können, dass die Vergewaltigung auch stattgefunden habe. Außerdem habe sich die Ehefrau sechs Monate Zeit gelassen, die Vergewaltigung zur Anzeige zu bringen.

Der Vorwurf der Körperverletzung sei hingegen erwiesen, meinte das Gericht und verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 55 Euro.

RP