Der Schatten gönnt sich das Licht: Über das Kunstwerk „Mayahuel“ im Museum Wasserburg

Das Triptychon-Kunstwerk „Mayahuel“ (Foto) steht besonders beispielhaft für die Arbeitsweise von Heidi Schmidinger und für ihren Umgang mit dem Medium Fotografie. Ihre aktuelle Sonderausstellung (wir berichteten mehrfach) wird noch bis 6. Januar 2024 im Museum Wasserburg gezeigt. Das Thema: „Der Anfang aller Erkenntnis ist das STAUNEN“ …

Heidi Schmidinger bietet an den Advents-Wochenenden, zusätzlich zu ihren Motiven in der Ausstellung, Foto-Postkarten, Collagen und kleinere Bildformate zum Verkauf an. Sie wird an den Advents-Samstagen und -Sonntagen (mit Ausnahme vom 16. Dezember) jeweils von 14 bis 17 Uhr persönlich im Museum Wasserburg anwesend sein und sie freut sich da über Gespräche und regen Austausch.

Zum Foto: Über drei Tableaus erstreckt sich das Werk „Mayahuel“. Es fasziniert mit seinen unbändigen, rotbraun-warmen Bewegungen auf blauem Grund, die einen strahlenden Mittelpunkt umfangen und gleichsam den Blick in die Unendlichkeit öffnen. 

Seit Heidi Schmidinger die Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel entdeckt hat, findet sie mehr und mehr Faszination darin, von traditionellen Sehweisen Abstand zu nehmen und mit Bewegung zu experimentieren. Sie sagt, „es ist für mich eine Befreiung, aus dem klassischen Rahmen der Fotografie auszubrechen und eine Erweiterung der fotografischen Sprache zur erkunden. Es geht mir dabei weniger um die naturhaft dargestellte Wiedergabe, sondern um eine ureigene Übersetzung des Geschauten, in der die gewohnte Wahrnehmung ihre Gültigkeit verliert.“

„Der Schatten gönnt sich das Licht“

Mit der Kamera erforscht sie die feinen Übergänge zwischen Licht und Schatten. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich dabei auf die Randgebiete zwischen geschlossener Form und durchlässiger Körperlichkeit. Bevorzugter Inhalt ihrer Fährtensuche ist die Transformation der in Auflösung begriffenen Materie. Schmidinger erläutert dazu: „Was mich reizt, bewegt, umtreibt, ist die Entstehungsgeschichte, der sinnlich erfahrbare Schaffensprozess vor Ort, das unmittelbare Handeln und Wirken in der Natur.“

„Mayahuel“ ist dabei ein Wegstück auf ihrer Entdeckungsreise aus der bildlichen Wirklichkeit in eine andere Welt. Drei immaterielle Motive dominieren dieses Triptychon: der Raum, als Existential des Menschen, das Licht in seinen unzähligen Facetten und die nicht sichtbare Zeit, die mittels einer Langzeitbelichtung spürbar wird. „Es geht mir um Zeit, Licht und Transformation. Um das Licht eines Ortes, das wiederum ein Licht in mir erzeugt. Um die Erfahrung von Transparenz, die auch mich durchlässig werden lässt“, so Schmidinger.

Die Entstehung 

Die Serie zu „Mayahuel“ entstand in mehreren Etappen (zwischen 2018 und 2023) während längerer Inselaufenthalte der Künstlerin auf La Palma. Auf technische Manipulation verzichtend, wurden die Aufnahmen bis auf geringfügige Bearbeitung von Farbe und Kontrast nicht weiter verändert.

Heidi Schmidinger beschreibt selbst die Entstehung der Aufnahme so:

„Nach ausgiebiger Suche eines geeigneten Aufnahmeplatzes sind alle vorbestimmten Utensilien zusammengetragen. Das Warten bis zum Anbruch der Dämmerung gibt mir die Gelegenheit, mich tiefer mit dem Ort zu verbinden, ruhig zu werden und mich auf meine Intuition einzulassen. Während der Zeremonie der Aufnahme spielt das spärliche Restlicht des Tages die Hauptrolle. Jedes Spitzlicht und jeder Schatten übernehmen einen wichtigen Anteil im Orchester des farblichen Zusammenwirkens.

Schon der Bruchteil einer Sekunde bestimmt nicht nur Schärfe und Unschärfe, sondern auch, wie zeichengebende Bildanteile miteinander in Verbindung stehen und ineinanderfließen. Trotz jahrelanger Erfahrung, bedarf es vieler Experimente, um den Bewegungsablauf an die Lichtverhältnisse anzupassen. Im Steigen und Fallen einer Auf- und Abbewegung werden aus Wurzeln, Erdwerk und Agavenblättern flüchtige Gestalten, die sich aus dem ursprünglich Gegenständlichen ins Abstrakte verwandeln.

In dem sie in Bewegung geraten und zu etwas anderem werden, verlieren sie ihre Identität. Das naturgegeben Reale strukturiert sich um und wird zu einem übergeordneten kosmischen Organismus. Wie der Blick durch ein Fernglas ins All, wechselt der Moment der äußeren Wirklichkeit hinüber in eine Welt hinter der Welt. Aus der zentralen Öffnung strahlt etwas Unbegreifliches heraus, gewinnt an Licht und hört nicht auf, Himmel zu sein.“

Weitere Informationen zur Sonderausstellung und zum Begleitprogramm unter

www.museum.wasserburg.de