Stehender Applaus für Gerhard Polt und die Well-Brüder in der Badria-Halle

Vom Nachbarn bis zum großen Nukleator: In der Badria-Halle in Wasserburg waren sie gestern Abend dran, die Menschen. Gerhard Polt hat sich wieder einmal ganz genau umgeschaut – in der Nachbarschaft, in der Kirche, in Wirtschaft und Politik. Wobei er auch feststellen musste: Einer allein ginge ja noch, aber das „Wir“ sei schon manchmal eher ein „Wirr“. Zur Seite standen diesem herausragenden Menschenkundler die Well-Brüder. Das Publikum war außer sich und unsagbar dankbar, wieder einmal zutiefst lachen zu dürfen, und ehrte das Quartett mit stehendem Applaus.

Angekündigt worden war es als Teil des Rahmenprogramms der Biennale Bavaria, und tatsächlich schien es von Anfang an das große „Highlight“ dieser Biennale zu werden. Und die Badria-Halle war sehr gut gefüllt, an die 1.250 Gäste, wie die dritte Bürgermeisterin und Kulturreferentin der Stadt Wasserburg in ihrer Begrüßung nicht ohne Freude feststellte. Was passe besser zu einem Heimatfilmfestival in Wasserburg als Gerhard Polt und die Well-Brüder, fragte sie, ohne auf eine Antwort zu warten. Stürmlinger begrüßte auch den Landrat des Kreises Rosenheim, Otto Lederer, und den Bürgermeister der Stadt Wasserburg, Michael Kölbl, zu dieser Veranstaltung.

Und für das Quartett kamen zu den drei Millionen Kilometern, die sie zu viert bereits gereist seien, nun noch eine Fahrt nach Wasserburg hinzu: Sie seien zwischen Altötting und Tuntenhausen schon an allen wichtigen oberbayerischen Zentren gewesen, warum nicht noch einmal Wasserburg?

Händels Freiwillige Feuerwehrmusik

Dann legten sie auch schon los: Die erste Pointe der Well-Brüder galt der Firma „Rupp-Rohre-Rohrbach“, die in ihrem Heimatdorf Hausen aus die erste „Weihwasserpipeline“ von Andechs über Altötting nach Tuntenhausen gebaut habe. Als Christoph Well beim häufig wiederholten Running-Gag „Rupp-Rohre-Rohrbach“ das „R“ lang anhaltend durch seine Kehle rollen ließ, gab es die ersten großen Lachattacken im Publikum. Dann berichteten sie eingehend, dass Georg Friedrich Händel einmal auf seinem Wege von Wien nach London in Hausen Rast gehalten („Von Wien nach London kommst Du ja an Hausen überhaupts ned vorbei“) und hier seine „Freiwillige Feuerwehrmusik“ geschrieben habe, weil die Freiwillige Feuerwehr in Hausen eben die wichtigste Institution sei. Und dann spielten sie auf mit ihren Instrumenten. Die Tuba, eine Bachtrompete und das Akkordeon, aber auch der Dudelsack kommen zum Einsatz, Gitarren verschiedenster Größen und auch die Harfe oder der Kontrabass und schließlich sogar drei Alphörner. Zunächst spielen sie tatsächlich eine Melodie, die als Händels Feuerwerksmusik erkannt werden kann.

Der Mensch in Form eines Nachbarn: grenzwertig

Und dann stand Gerhard Polt auf, verzog keine Miene, wie man ihn seit 40 Jahren kennt. Zunächst philosophierte er über den Menschen am Beispiel seines Nachbarn, der in einem Reiheneckhaus lebe, während er, Polt, mit einem Reihenmittelhaus Vorlieb nehmen müsse. In Anlehnung an Karl Valentin sagte er: „Der Mensch is guat, aba d’Leit san a Gsindl.“ Dann warf er dazu ein, dass der Mensch über sich hinauswachsen wolle, aber dass er über das Universum leider nicht hinauskomme. Häufig müsse er mit seinem Nachbarn streiten, weil dieser niedrigster Gesinnung sei – und da lief Polt zur Hochform auf: „Wenn der Mensch in Form eines Nachbarn erscheint, wird er grenzwertig.“ Gleich darauf kommt dann aber: „I moan des ned bös, aba der is a Grattler!“ Man fühlte sich an Stammtischreden erinnert, wenn Polt wiederholt einfließen ließ: „I sog wia’s is“. Einmal habe sein Nachbar eine Grillparty veranstaltet, ließ er wissen, da habe man gar nichts mehr sehen können vor lauter Rauchschwaden. Er habe daraufhin seine Drohne fliegen lassen, habe alles genau dokumentiert, 83 Paar Bratwürste seien beim Nachbarn gegrillt worden, sieben Pkw seien dort geparkt worden und auch noch ein Cabrio dazu. Dann habe er seine Dokumentation über diesen Vorfall beim Nachbarn in seiner Empörung („I bin a ruhiger Mensch“) an die Polizei geschickt und die hätte nicht einmal reagiert. Völlig desillusioniert und resigniert hielt er fest: „Also I denunzier koan mehr.“

Polt fragte anschließend, wer Menschen möge, und nannte vier Berufsgruppen, die sich viel mit den Menschen beschäftigten: Autohändler, Immobilienmakler, Waffenhändler und Vertreter der Religionen. Was haben wir da für eine Rolle? Das „Wir“ werde nicht selten „wirr“, und dann meint er noch, dass er ganz gerne viel rede und die Hoffnung habe, dass seine Gedanken mit dem, was er sage, Schritt halten könnten.

Missbrauchsskandal? Next Qestion!

Das Publikum ist bereits an dieser Stelle in Ekstase. Am Rande des Abends konnte man aus dem Publikum hören: „Ich habe schon lange nicht mehr so viel gelacht.“ Aber dieses Lachen sollte einem natürlich auch immer wieder im Halse stecken bleiben, und das tat es, und zwar nicht selten.

Natürlich konnte dieses Quartett, das seit vier Jahrzehnten unterwegs ist,  nun in seinem Programm „40 Jahre – im Abgang nachtragend“ nicht ohne Seitenhiebe auf aktuelle politische Vorgänge auskommen. Deshalb nimmt es auch nicht wunder, wenn Markus Söder („Von der Ferse bis zum Hals ein wunderhübscher Mann, aber oberhalb ein Ausfall“), als „Nukleator“ karikiert wird oder auch die Gedächtnislücken von Andreas Scheuer immer wieder ins Visier der kabarettistischen Attacken geraten. Dass die Gedächtnislücken von Andreas Scheuer auch ein Loch sein könnten, wird ebenso erwähnt wie die Möglichkeit, dass man es vergessen kann, wenn man Alzheimer habe.

Dann schlüpfte Polt in die Rolle eines indischen Geistlichen. Es gelang ihm in einzigartiger Weise, das Englisch eines Inders zu persiflieren. Dieser Geistliche beantwortete nun alle Fragen, die ihm gestellt wurden, mit „Very good question“. Nur auf die Frage nach dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche bat er um „Next question“.

Schließlich tauchte Polt in die Rolle eines Tiroler Wintersportmanagers, der zufrieden darüber ist, dass der Lockdown vorüber sei und die Wintersporttouristen wieder kämen und sich Hüftgelenke und Kniescheiben derart ramponierten, dass sie operiert werden müssten. Das nächste Meeting für die Wintersportmedizin sei in Qatar, meint er nicht ohne Hintergedanken, um dann gleich anzumerken, dass die Zahl der Kreuzbandrisse heuer wieder gestiegen sei, um dann wieder eins draufzusetzen und sich über jene „Piefkes“ zu beschweren, die ihre Skifahrerunfälle nicht in Tirol behandeln lassen, sondern sich mit dem Hubschrauber nach Deutschland ausfliegen lassen. Zum Anschluss des mit tosendem Applaus begleiteten Beitrags wünscht Polt als Tiroler Tourismusmanager allen noch „Hals- und Beinbruch“.

Alle wollten alles haben, sangen nun die Well-Brüder, „doch sterben wollen’s net“, und dann sangen sie einige Hits der Comedian Harmonists, das Publikum war außer sich vor Begeisterung.

Am Ende der zweieinhalbstündigen Veranstaltung in der Badriahalle erörterteGerhard Polt noch die Konsequenzen moderner Lebensführung für Mann und Frau („Jetzt lass ich mich das dritte Mal scheiden, ich weiß ja, wie’s geht“) – und natürlich müsse eine Reise richtig geplant sein („Wer is denn so blöd und nimmt sei Alte mit nach Thailand?“).

Als die Vorführung zu Ende war, der Applaus nicht enden wollte, stand das Publikum auf und spendete Gerhard Polt und den Well-Brüdern stehend ihren großen Applaus. Am Rande konnte man hören, wie beeindruckend auch die Körperspannung des fast 81-jährigen Polt sei.

Man solle unbedingt die Filmveranstaltungen der Biennale Bavaria besuchen, empfohlen die Well-Brüder noch. Kinobesuche seien auch soziale Veranstaltungen, weit mehr als das Fernsehen. Wer an diesem Abend dabei sein konnte, kam voll auf seine Kosten. Den Veranstaltern gebührt großer Dank, dass es gelungen ist, dieses Quartett nach Wasserburg zu holen, besonders Edith Stürmlinger hat sehr großen Einsatz gezeigt, damit dieser Abend hat zustande kommen können.

Peter Rink