St. Exupérys „Der kleine Prinz“ feierte im Theater Wasserburg Premiere

Im Theater Wasserburg gab es gestern eine ungewöhnliche Premiere: Ungewöhnlich war die Uhrzeit, man spielte um 15 Uhr. Ungewöhnlich auch der Hinweis, die Aufführung habe eine Altersempfehlung ab neun Jahren. Ungewöhnlich war auch, dass man es mit einem überaus blumigen Bühnenbild zu tun hatten. Die drei Personen, die diese Aufführung bestritten haben, Susan Hecker, Annett Segerer und Thorsten Krohn, fügten sich mit ihrer Kleidung in dieses Bühnenbild harmonisch ein und stellten keinen Kontrapunkt dar.

Antoine de St. Exupéry, der die Erzählung „Le petit prince“ 1943 geschrieben hatte, selbst bei einem Flugzeugunglück mit seiner Maschine 1944 ums Leben kam, hat mit dieser Erzählung sein wohl erfolgreichstes Werk veröffentlicht, rund 140 Millionen Mal wurde es bisher verkauft. 

Der kleine Prinz ist eine Erzählung, deren Botschaft im Grunde als höchst philosophisch charakterisiert werden muss. Es geht um die Sichtweise der Welt. Ist es das ganze Leben, das wir sehen, wenn wir es sinnlich erfahren? Oder gibt es da mehr? Gibt es Dinge, die das Auge nicht sehen kann? In der Erzählung ist es der Fuchs, den der kleine Prinz trifft, der ihm sagt: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar!“

Und es ist dieses Bemühen, die Menschen die Welt mit Kinderaugen sehen zu lassen, die bei einer Boa, die einen Elefanten verschluckt hat, eben mehr sehen können als einen Hut. Und es geht auch um Besitz. Die von Susan Hecker so einfühlsam und einprägsam dargestellte Geschäftsfrau, die 501 Millionen Sterne besitzen will: „Ich besitze die Sterne, weil niemand vor mir gedacht hat, sie zu haben!“ So einfach ist das. Aber ist es dann nicht eben auch vergänglich?

Die wahren Philosophen an diesem Nachmittag sind aber die Kinder: Denn sie können sehr häufig die Geschichten hinter den sinnlich erfahrbaren Bildern sehen. Ihre Sichtweise ist nicht so sehr durch Lebenserfahrung verschoben worden. In der Aufführung heißt es an markanter Stelle: „Man ist nie zufrieden, dort, wo man ist. Nur die Kinder, die haben’s gut!“ 

Der kleine Prinz landet mit seinem Flugzeug auf der Erde, er kommt von einem fernen Planeten, auf dem es drei Vulkane gibt, von denen allerdings einer erloschen ist, wie der kleine Prinz es immer wieder betont. Thorsten Krohn spielt den Prinzen gekonnt und eindringlich, dass man versucht ist, die Welt so sehen zu wollen wie es der kleine Prinz tut. Immer wieder verführt einen die Inszenierung, hinter die Kulissen zu sehen, das Schöne hinter dem Hässlichen zu entdecken. „Man muss die Raupen aushalten, wenn man Schmetterlinge kennenlernen will!“ Diese Aussage macht deutlich, worum es St. Exupéry ging. In der Zeit des Zweiten Weltkrieges, dieser Zeit höchster Grausamkeit, wollte er das Schöne hinter dem Hässlichen nicht vergessen. Das ist nicht unwichtig, wenn man dem Leben manchmal etwas Positives abgewinnen will. Und da hilft wohl die Sichtweise von Kindern auf die Welt.

Annett Segerer spielt eine selbstverliebte, eitle Frau, die immer wieder Kekse benötigt, um ihr Ego zu pflegen, vielleicht symbolisiert sie aber auch die kluge Giftschlange, die der kleine Prinz trifft. In jedem Fall hat Annett Segerer die Herausforderung ihrer Rolle bravourös gemeistert und damit zum Erfolg dieser Aufführung wesentlich beigetragen. Susan Hecker spielt die Geschäftsfrau in einer brillanten Weise, sitzt auf ihrem Platz und will die ganze Welt für sich arbeiten sehen, einschließlich der Planeten. Und der kleine Prinz, herausragend verkörpert von Thorsten Krohn, ist die ganze Zeit auf der Suche nach dem richtigen Leben. „Wir sind zeitlebens verantwortlich dafür, was wir uns vertraut gemacht haben.“ Und wie macht man sich etwas vertraut? St. Exupéry lässt es uns wissen, und an diesem Nachmittag wurde es bestätigt: Durch Zähmung. Und Zähmung entsteht durch Besitz. Kann man Sterne besitzen? Es bleibt eine der ungelösten Fragen in dieser Aufführung.

Nik Mayr ist hier die Umsetzung einer Erzählung auf die Bühne besonders gut gelungen, denn die Akteure vermochten beides: Die Reduktion der Erzählung zu einer dramatischen Handlung zu vollziehen und den philosophischen Ausblick der Erzählung dabei zu wahren.

Das Stück ist nicht nur für Kinder ab neun Jahren geeignet, sondern vor allem und besonders auch für Erwachsene, die ihren Blick erweitern und damit schärfen wollen. Denn: Man sieht nur mit dem Herzen gut.

Dieses Stück ist sehr empfehlenswert, dauert nur knapp eine Stunde ist ist außer heute, 30. November, noch am Samstag, 13. Dezember, am Sonntag, 14. Dezember, und am Heiligen Abend, jeweils um 15 Uhr zu sehen. Es lohnt sich.

PR / Fotos: Flamm

 

 

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