Landgericht Traunstein verurteilt vier Mitglieder wegen verschiedener Verbrechen

Die Anklageschrift umfasste mehr als 20 Seiten, seit dem 9. September standen sie vor der 5. Strafkammer des Landgerichts in Traunstein (wir berichteten): Vier Mitglieder des „Al-Sarawi“-Clans aus dem Nordosten Syriens. Neben banden- und gewerbsmäßigen illegalen Schleusungen von Menschen aus Syrien nach Deutschland, teilweise mit Todesfolge, nicht selten unter lebensgefährlichen Umständen, wurde den Angeklagten auch mehrfache Anstiftung zum Mord, sexuelle Nötigung, räuberische Erpressung, erpresserischer Menschenraub, besonders schwerer Raub, gefährliche Körperverletzung und mehrfacher Verstoß gegen das Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten vorgeworfen. Heute fiel das Urteil.

Ursprünglich waren 24 Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil sollte kurz vor Weihnachten gesprochen werden. Mit sehr großen Sicherheitsvorkehrungen hatte das Gericht den Prozess im September eröffnet, doch schon bald erlahmte das Interesse der Öffentlichkeit ein wenig. Nachdem das Gericht an vierzehn Verhandlungstagen ungefähr 60 Zeugen befragt hatte und von den Zeugen teilweise kaum und teilweise sehr zögerlich Auskünfte über die Anklagepunkte erhalten hatte, wurde am vergangenen Montag zunächst ein Gutachter befragt. Der sagte aus, dass er einen Angeklagten habe befragen können, der Anführer der Gruppe sich aber geweigert habe, mit ihm zu sprechen. Auch zwei Zeugen wurden noch befragt. Der eine habe sich als Fahrer eines Schleuserfahrzeugs betätigt, der andere sei selbst geschleust worden.

Wer der Ansicht gewesen sein sollte, dass solch eine Schleuserfahrt sich ins Gedächtnis der Menschen einbrennen müsste, sah sich jedoch getäuscht. Der Zeuge, ein Syrer, 21 Jahre alt, konnte sich kaum noch daran einnern, wie er nach Deutschland gekommen sei. Er wisse auch nicht, wieviel Personen mit ihm im Auto gesessen seien. Auch die Frage nach dem Fabrikat des Pkw konnte er nur mit „blau“ beantworten. Und auf die Frage, wieviel diese Schleusung ihn gekostet habe, wusste der Zeuge keine Antwort. Der Vorsitzende Richter Volker Ziegler schien der Verzweiflung nahe: „In diesem Prozess haben wir viele Zeugen mit einem sehr schlechten Gedächtnis“. 

Nach einer kurzen Unterbrechung wartete dann das Gericht mit einem Verständigungsvorschlag auf. Die vier Angeklagten sollen die ihnen zur Last gelegten Straftaten gestehen und das Gericht könnte in Absprache mit der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung ein Strafmaß eingrenzen.

Diesem Vorschlag stimmten die vier Angeklagten und die Staatsanwaltschaft nach einer kurzen Unterbrechung zu und so konnten noch an diesem Tag die Plädoyers gehalten werden.

Am heutigen Dienstag fällte die Kammer dann die Urteile: Zwölf Jahre Gefängnis für den Kopf der Bande, sieben Jahre und neun Monate bzw. vier Jahre und neun Monate für zwei weitere Mitglieder und der Angeklagte, der nur mit den illegalen Geldtransfers befasst war, erhielt eine zweijährige Bewährungsstrafe. Die Geldsummen, die erbeutet wurden, wurden zum Teil vom Gericht beschlagnahmt.

In seiner Urteilsbegründung führte der Vorsitzende Richter Ziegler aus, dass dieses Verfahren sich durch einen hohen, auch persönlichen Aufwand der Bundespolizei ausgezeichnet habe und er würdigte die Tätigkeit der Bundespolizei  und zollte den Beamten seinen hohen Respekt für ihre Arbeit. Der Aufwand in diesem Verfahren sei für die Justiz und die Polizei sehr groß gewesen.

Ziegler betonte, dass die Skrupellosigkeit, mit der vor allem der Hauptangeklagte vorgegangen sei, beispiellos gewesen sei. Er habe nicht nur eine lebensgefährliche Behandlung der Menschen, die er illegal nach Deutschland geschleust habe oder habe schleusen lassen, billigend in kauf genommen, sondern in einem Fall sei ihm auch Tod einer jungen Frau auf der Schleusungsroute unmittelbar zuzurechnen. Schließlich habe er sogar die Ermordung seiner eigenen geschiedenen Frau aus Gründen verletzter Ehre in Auftrag gegeben.

Auch hätten sie Angeklagten ein hohes Maß an Gefühlskälte gezeigt. Dieser Clan, der hier stellvertretend vor Gericht stand, beschäftige sich vornehmlich mit Straftaten, führte das Gericht weiter aus.

Die Angeklagten hätten aich auch nicht gescheut, das Gericht kaltschnäuzig zu belügen. Als ihnen aber bewusst geworden sei, dass sie so einer Strafe nicht entgehen würden, hätten sie sich reuig gezeigt.

Einer der vier Angeklagten sei aber auch das Opfer seiner Mitangeklagten geworden. Der Anführer habe wissen wollen, wo eine erkleckliche Summe Geld versteckt sei und habe deshalb auch vor körperlicher Demütigung und roher Gewalt gegenüber seinem Clan-Bruder nicht zurückgeschreckt, um des Geldes habhaft werden zu können. 

Als Richter Ziegler auf die Methode des Geldtransfers zu sprechen kam, merkte er nur an, dass das „Hawala“-System kein „Familienhilfswerk für Syrien“ sei, sondern eine illegale, an Geldwäsche erinnernde Methode des Geldtransfers. 

Zum Abschluss der Urteilsbegründung äußerte der Vorsitzende Richter die Hoffnung, dass der zu einer Bewährungsstrafe verurteilte Angeklagte umdenken möge und künftig von kriminellen Handlungen die Finger lasse. Und er lobte Justiz, Polizei und die Verteidiger, sie hätten hier doch sehr professionell agiert. Dadurch sei es gelungen, auch die Hintermänner der organisierten Kriminalität in diesem Schleusernetzwerk zu verurteilen

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da eine Revision möglich ist. 

PR

Schaufenster