Amerangs Inklusionsbeauftragte Anja Rosengart zog in der Gemeinderatsitzung Bilanz

Wie lebt es sich in Amerang, wenn man nicht überall problemlos hinkommt, nicht alles lesen oder verstehen kann? Mit dieser Frage beschäftigt sich Anja Rosengart tagtäglich – ehrenamtlich, mit viel Herz und Geduld. In der vergangen Gemeinderatssitzung stellte die Inklusionsbeauftragte ihren Jahresbericht vor – und zeigte, wie vielseitig Inklusion in Amerang längst geworden ist.

„Ziel ist die inklusive Gemeinde“, sagte Rosengart gleich zu Beginn ihres Vortrags. Das bedeute, „alle mitzunehmen, die von Nicht-Teilhabe betroffen sind“. Dazu zählen nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern auch Senioren, Zugezogene oder Menschen mit Migrationshintergrund. Inklusion, so Rosengart, sei ein Thema, das sich durch alles hindurchzieht – vom Kindergarten bis zur Verkehrsplanung.

Ein Jahr voller Projekte und Begegnungen

Rosengart berichtete von unzähligen Gesprächen, Mails und Terminen – vom Austausch mit Bürgermeister und Verwaltung bis hin zu Elternabenden in Schulen. „Ich besuche regelmäßig Kindergärten und Schulen, um mit Kindern über Vielfalt zu sprechen“, sagte sie. Besonders stolz sei sie auf das Grundschulprojekt zur Inklusion, das nach einer Pause nun wieder anlaufe.

Ein weiteres Thema sei die „soziale Landwirtschaft“. Auf einigen Bauernhöfen im Umland entstünden derzeit Ideen, wie Menschen mit Beeinträchtigung dort mitarbeiten oder wohnen könnten. Das stecke noch in den Kinderschuhen, nehme aber eine interessante Entwicklung.

Willkommensfragebogen soll Ehrenamt stärken

Ein Herzensprojekt bleibt der Fragebogen in den Willkommensmappen, die neuen Bürgerinnen und Bürgern in Amerang übergeben wird. Er fragt einerseits nach Unterstützungsbedarf – und andererseits nach Menschen, die selbst helfen wollen. Das sei die einzige Chance, die neu Zugezogenen überhaupt zu erreichen. Doch leider werde das Formular nur selten ausgefüllt. Besonders junge Familien seien oft interessiert, aber zeitlich stark eingebunden.

Zahlen machen Handlungsbedarf sichtbar

Wie wichtig das Thema ist, zeigen die neuen Zahlen des Zentrums für Familie und Soziales: 429 Amerangerinnen und Ameranger besitzen derzeit einen Schwerbehindertenausweis. Besonders häufig seien Geh- und Sehbehinderungen – beides Aspekte, die sich in der Ortsgestaltung bemerkbar machen. „Unebene Gehwege, zugewachsene Hecken, schlechte Beleuchtung – das sind echte Barrieren“, mahnte Rosengart.

Sie betonte zugleich, dass diese Statistik nur einen Teil der Wirklichkeit abbilde. All die Menschen in Amerang, die keinen Schwerbehindertenausweis besitzen und vielleicht irgendeine Beeinträchtigung haben, die mit dem Alltag zusammenhängt, seien da natürlich nicht erfasst.

Neue Ideen: von Speisekarten bis Erwachsenenbildung

Ein ganz neues Projekt hat Rosengart gemeinsam mit einem Kollegen gestartet: die barrierearme Speisekarte „Allycard“. „Sie soll Menschen helfen, die nicht lesen können oder wenig Deutsch sprechen, in einem Gasthaus selbst zu bestellen – mit Bildern statt Text“, erklärte sie. Was banal klinge, sei in Wahrheit „ein Stück Selbstbestimmung“.

Auch in der Erwachsenenbildung bewegt sich etwas: Gemeinsam mit der VHS Wasserburg sollen künftig inklusive Kurse entstehen, in denen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen können.

„Inklusion ist eine Querschnittsaufgabe“

In der anschließenden Diskussion erhielt Rosengart viel Zuspruch aus dem Gremium. Bürgermeister Konrad Linner bedankte sich ausdrücklich: „Das ist ein Thema, das oft im Hintergrund läuft. Umso wichtiger, dass du uns immer wieder daran erinnerst.“

Gemeinderätin Annemarie Linner betonte, dass viele Inklusionsmaßnahmen „die Lebensqualität für alle“ erhöhten. Und Markus Keller sah im Bericht einen weiteren Anstoß, das Thema Verkehrssicherheit und „Tempo 30″ erneut aufzugreifen.

Rosengart selbst hob zum Schluss noch einmal hervor: „Inklusion ist eine Querschnittsaufgabe. Viele ältere Menschen haben ähnliche Probleme wie Menschen mit Behinderung – schlechte Beleuchtung, kleine Schrift, schwierige Wege. Wenn wir das verbessern, profitieren alle davon.“

Bürgermeister Linner brachte es am Ende auf den Punkt: „Herzlichen Dank – nicht nur für den Bericht, sondern für deine Arbeit im ganzen Jahr.“

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