Interessanter Vortrag von Jochen Haberstroh gestern Abend im Rathaussaal
Die Stadt Wasserburg und der Heimatverein luden gestern zu einem Vortrag von Dr. Jochen Haberstroh vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in den Rathaussaal. Und es kamen recht viele Interessierte. In seiner Brgüßung wies der Erste Bürgermeister der Stadt Wasserburg, Michael Kölbl, darauf hin, dass der Veranstaltungsort „Gimplkeller“ wohl zu klein gewesen wäre, sodass sich der Rathaussaal für den Vortrag anbot. 2013 habe man bei Arbeiten am Fletzingerareal ein Skelett gefunden, das nach ersten Annahmen darauf hindeutete, dass der gefundene Mensch aus dem 9. Jahrhundert stammen könnte. Eine Gruppe von Archäologen hat dann diesen Fund genauer untersucht und das Skelett nach München gebracht.
Was ist mit „Fletzi“ passiert?
Kölbl berichtete, dass er immer habe wissen wollen, was mit dem Skelett, das man in Wasserburg sehr schnell „Fletzi“ nannte, geschehen sei und er habe vom Landesamt für Denkmalpflege in München erfahren, dass der „Fletzi“ da sei, andere Funde, die mit nach München gebracht worden seien, seien aber verschwunden. Diese Auskunft habe seinen Drang zu ermitteln wachgerüttelt und durch diesen Wunsch sei es möglich geworden, dass mehrere Fundstücke auch wieder aufgetaucht seien. Und Kölbl stellte an den Referenten des Abends, Dr. Jochen Haberstroh, die erste Frage: „War Fletzi wohl der erste Bajuware?“
Muss die Wasserburger Geschichte neu geschrieben werden?

Und dann gab er einen kurzen Rückblick auf die Grabung im Jahre 2013. Der „Fletzi“ sei gut erhalten, meinte Haberstroh, sei bei seinem Tode 30 bis 40 Jahre alt gewesen und sei ungefähr 1,80 Meter groß gewesen, was für das erste Jahrtausend nach Christi ungewöhnlich groß gewesen sei. „Fletzi“ habe noch alle Zähne und allem Anschein nach sei er von „robuster Struktur“ gewesen. Die Todesursache sei leider nicht bekannt. In dem Bereich des Fundortes habe es später Bebauung gegeben, Keller seien ausgehoben worden und so könne man von einem Glücksfall sprechen, dass man „Fletzi“ so habe finden können, wie man ihn gefunden habe. Auch Spuren des Stadtbrandes im 19. Jahrhundert habe man finden können. Interessant sei, so Haberstroh, dass man in unmittelbarer Nähe der Fundstelle des „Fletzi“ eine Mauer entdeckt habe, die mindestens 30 Meter lang gewesen sei. Ausgrabungen in der unmittelbaren Umgebung hätten darüber hinaus ergeben, dass man es mit einer sehr dichten Bebauung später zu tun gehabt habe.
Skelett wohl aus dem 6. Jahrhundert
Mit Hilfe der C14-Methode habe man dann das ungefähre Alter von „Fletzi“ und der Mauerreste bestimmen können. Weil man neben dem Skelett auch Tonscherben gefunden habe, wurde zunächst vermutet, dass „Fletzi“ aus dem 10. Jahrhundert stammen dürfte. Aber diese Vermutung trog offensichtlich. Haberstroh wies darauf hin, dass die „höchste Wahrscheinlichkeit“ für das Alter des „Fletzi“ die Zeit zwischen 528 und 597 sein dürfte. Die 30 Meter lange Mauer sei wohl im 6. oder 7. Jahrhundert abgebrochen worden und „Fletzi“ sei ziemlich sicher vor dem Abbruch dieser Mauer bestattet worden.
Man habe auch spätkeltische Tonscherben gefunden, die seien aber wohl angeschwemmt oder umgelagert worden, stammten aus dem 2. oder 1. Jahrhundert vor Christus und gäben damit keinen zuverlässigen Hinweis auf das Alter des „Fletzi“.
Abschließend erwähnte der Referent, dass weitere paläogenetische Ergebnisse noch ausstünden und weitere naturwissenschaftliche Analysen erforderlich seien, um das Leben in der Innschleife in der Spätantike und dem Frühmittelalter genauer zu ergründen. Dazu empfahl er auch der Stadt Wasserburg die vollständige wissenschaftliche Bearbeitung dieses Fundes und die Erstellung eines Kellerkatasters in Wasserburg. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege sei auch bereit, hier unterstützend tätig zu werden. Insbesondere gehe er davon aus, dass man in dem Bereich von 425 Metern über Normalnull mit weiteren interessanten Erkenntnissen rechnen dürfe.
Sehr viele Fragen im Anschluss an den Vortrag
Der Vorsitzende des Heimatvereins, Matthias Haupt, ergriff dann das Wort und moderierte die sich anschließende Fragerunde der Zuschauer. Und es gab sehr viele Fragen der Anwesenden. Das Thema „Fletzi“ beschäftigt die Wasserburger anscheinend sehr. Eine Frage widmete sich dem Standort des „Fletzi“ und da erfuhren die Anwesenden, dass „Fletzi“ wohl in München bleiben werde, und zwar in der Staatssammlung für Anthropologie München (SAM). Die Leiterin des Wasserburger Museums, Sonja Fehler, hatte ja schon in einem Interview 2017 dargelegt, dass die Aufbewahrung von „Fletzi“ in Wasserburg gar nicht so einfach realisierbar wäre.
Eine zweite Frage ging dem Fehlen der rechten Hand von Fletzi nach und hier hatte Jochen Haberstroh wohl keine Erklärung. Ein Finger der rechten Hand sei wohl zwischen den Beinen des Skeletts gefunden worden.
Lang anhaltender Applaus des Publikums bescheinigte allen, dass man an diesem Abend einem höchst informativen und hochinteressantem Vortrag habe beiwohnen können.
PR
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