Gestern Abend: EHC entscheidet Zitterpartie in Geretsried in letzter Sekunde
Es sind genau diese Spiele, die man als Fan einer Mannschaft – gleich in welchem Sport – sehen möchte. Emotionen zum Greifen nah, die in einem lauten, niemals enden wollenden Jubelschrei münden. Ein solches Spiel erlebten die Eishockey-Löwen gestern Abend in Geretsried. Vor rund 80 mitgereisten Waldkraiburger Fans, die das Spiel erst mit Verspätung anfeuern konnten – die Kassen in Geretsried waren auf den Andrang schlicht nicht vorbereitet.
Ebenfalls nicht vorbereitet schien der EHC Waldkraiburg. Im immer schöner werdenden Geretsrieder Eisstadion verschlief die Mannschaft von Jürgen Lederer den ersten Durchgang nach allen Regeln der Kunst.
Im Passspiel klappte kaum etwas, der Spielaufbau ließ viele Wünsche offen und auch die Defensive wirkte unsicher. Nach nur wenigen Minuten – die Fans aus dem Fanbus waren noch nicht einmal im Stadion – stand es bereits 1:0 für die Hausherren. Ein Schuss aus dem Halbfeld, nach einem gut vorgetragenen Konter über Reiter, landete direkt unter der Latte hinter Torhüter Christoph Lode.
Noch während die letzten Waldkraiburger Anhänger ihre Plätze einnahmen, erhöhten die River Rats auf 2:0. Der Puck, zuvor im Löwen-Aufbau verloren, wurde vom Ex-Löwen Dominik Soukup eiskalt links unten im Tor versenkt. Zum Unglück aller war auch das kein „Hallo-Wach“ für die Gäste. Mit einer unangebrachten Lässigkeit, die auch Coach
Jürgen Lederer in der anschließenden Pressekonferenz kritisierte, versuchten sie, sich zurück ins Spiel zu bringen – vergeblich. Stattdessen erzielten die Gastgeber das 3:0 durch einen lässigen Handgelenkschuss aus dem Halbfeld und gingen mit dieser Führung in die erste Pause.
In der Kabine wurde es laut. Lederer, leicht heiser, gab später zu, dass er seine Mannschaft „wachrütteln“ musste.
Auf dem Eis zeigte das zunächst jedoch wenig Wirkung. Hinzu kam, dass Torhüter Christoph Lode gleich zu Beginn des Drittels unsanft von den Beinen geholt wurde. Nachdem er benommen liegen blieb und es noch kurz versuchte, verabschiedete er sich beim nächsten Unterbruch selbst vom Eis – humpelnd in die Kabine. Mit Tobias Sickinger zwischen den Pfosten steigerten sich die Löwen jedoch zusehends. Die schnellen Geretsrieder Angreifer bekamen sie immer besser in den Griff, die Gastgeber kamen seltener gefährlich vors Tor.
Wenige Minuten vor der zweiten Pause gewann Kapitän Nico Vogl vor dem Tor der River Rats ein Bully, und den folgenden Schuss von Martin Kokeš beförderte er selbst aus der Luft in die Maschen. Zuvor hatte Leon Decker bereits Pech mit einem Lattentreffer, nachdem er zusammen mit Andris Džeriņš eine Zwei-auf-eins-Situation sehenswert ausgespielt hatte. Mit diesem 3:1 zu einem psychologisch wichtigen Zeitpunkt – sofern es dafür überhaupt einen unwichtigen gibt – ging es in die Kabinen.
In der 45. Minute befanden sich die Löwen in Unterzahl. Nachdem sie die River Rats gut vom Tor weghielten, ergab sich eine Kontersituation: Nico Vogl setzte sich auf der rechten Seite stark durch und legte den Puck in den Lauf von Santeri Ovaska. Der Finne hämmerte den Puck halbhoch in die linke Ecke – unhaltbar für Ex-Löwe Korbinian Sertl im Geretsrieder Tor.
Die Freude über den Anschlusstreffer währte allerdings nicht lange. Kaum war die Strafe abgelaufen, erhöhte der ESC durch Athanassios Fissekis auf 4:2. Doch an Aufgeben dachten die Löwen nicht im Entferntesten. Sie setzten die Gastgeber zunehmend unter Druck, und nach mehreren guten Chancen traf Martin Kokeš von der blauen Linie zum 4:3. Bei Fans und Mannschaft keimte die Hoffnung endgültig wieder auf.
Eine Minute vor dem Ende nahm Jürgen Lederer bei Puckbesitz eine Auszeit – und zog anschließend Torhüter Sickinger zugunsten eines sechsten Feldspielers. Die Löwen kontrollierten die torwartlose Schlussminute, doch als alles schon verloren schien und die Uhr nur noch eine Sekunde Restzeit zeigte, zog Daniel Hora ab und erzielte tatsächlich den 4:4-Ausgleich. Die Bank explodierte, der Fanblock drehte durch – pure Ekstase in Gelb und Blau.
Geretsrieds Trainer Hans Tauber beschrieb es nach dem Spiel treffend: „Wenn man in der Overtime das Bully gewinnt, hat man das Ding erst einmal.“ Genau das taten die Löwen.
Andris Džeriņš entschied das Anspiel, der EHC drückte und nach zwei erfolglosen Versuchen war es schließlich Jakub Šrámek, der sein Team mit dem 5:4-Siegtreffer erlöste – und die mitgereisten Fans endgültig in den siebten Eishockey-Himmel schickte.
AHA
Foto: Yasmin Neumann
ESC Riverrats Geretsried – EHC Waldkraiburg 4:5 n.V. (3:0/0:1/1:3/0:1)
Tor: [X] #40 Christoph Lode, #32 Tobias Sickinger (ab 24.);
Verteidigung: #3 Daniel Hora, #10 Felix Lode, #20 Thomas Rott, #23 Tim Ludwig, #50 Martin Kokeš, #81 Max Cejka;
Sturm: #9 Thomas Vrba, #11 Anthony Dillmann, #13 Jakub Sramek, #18 Santeri Ovaska, #25 Andris Dzerins, #34 Leon Decker, #52 Jakub Revaj, #63 Leander Ruß, #74 Florian Maierhofer, #78 Philip Kaer, #88 Nico Vogl „C“;
Tore: 1:0 (3.) Reiter (Soukup, Frankenberg); 2:0 (8.) Soukup (Hüsken); 3:0 (15.) Englbrecht (Bursch); 3:1 (37.) Vogl (Kokeš, Sramek); 3:2 (45.) Ovaska (Vogl – SH1); 4:2 (46.) Fissekis (Ott, Reiter); 4:3 (46.) Kokeš (Dzerins); 4:4 (60.) Hora (Kokeš, Sramek); 4:5 (62.) Sramek (Hora, Vogl);
Zuschauer: 524;
Strafminuten: ESCG 10, EHCW 10.
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