In Bad Endorf regt sich Widerstand gegen Pläne des Rathauses - Ein Beispiel für andere Gemeinden?

Die Moorbadstraße in Bad Endorf führt seit jeher vom Ortskern zum Moorbad – wie ihr Name schon sagt. Seit den 1960-er Jahren wurden hier kontinuierlich neue Baugrundstücke ausgewiesen und bebaut. Heute stehen oberhalb des ehemaligen Moorbades, das schon mehr als zehn Jahre nicht mehr betrieben wird, mehr als 20 Ein- und Mehrfamilienhäuser. Jetzt möchte die Gemeinde Bad Endorf die Straße, die vor langer Zeit geteert wurde, erschließen lassen und die Anwohner der Moorbadstraße mit 90 Prozent an diesen Kosten von 800.000 Euro beteiligen. Der Standpunkt der Gemeinde: Die Moorbadstraße ist noch nie richtig erschlossen worden. Das sehen die Anwohner anders.
Im Ort rührt sich großer Widerstand. Zwar verlangen mehrere Anwohner, dass die Straße im oberen Bereich endlich einmal richtig asphaltiert wird und sind auch bereit, die entsprechenden Kosten zu tragen, andererseits beklagen die Anwohner im unteren Bereich, dass die Straße seit Anfang der 1960-er Jahre gewidmet sei und damit als erschlossen gelten müsse. Aber Sanierungskosten für eine Straße dürften seit 2018 nicht mehr auf die Anwohner umgelegt werden. Und so gibt es sehr unterschiedliche Interessen der Menschen an der Moorbadstraße, je nachdem, wo sie wohnen.
In der „Satzung über die Erhebung eines Erschließungsbeitrages im Markt Bad Endorf“ vom 31. Mai 1996 gilt eine Straße als „endgültig hergestellt“, wenn sie eine Pflasterung oder eine Teerdecke „in neuzeitlicher Bauweise“ aufweise, es darüber hinaus „Straßenentwässerung und Beleuchtung“ gebe und „der Anschluß an eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße“ vorhanden sei.
Jetzt gibt es keinen Dissens darüber, dass die Straße dem öffentlichen Verkehr gewidmet sei, das ist sie im unteren Teil seit mehreren Generationen, auch die Straßenentwässerung und Beleuchtung seien hier seit jeher vorhanden, soweit die heute lebenden Anwohner sich erinnern können.
Im Grunde besteht die Straße aus drei verschiedenen Abschnitten, was ihren Ausbau und ihren Zustand betrifft. Der untere Teil ist komplett asphaltiert, seit über 100 Jahren eine Straße. Alteingesessene Endorfer wissen, dass es hier seit 400 Jahren eine Bebauung gibt. Dort befand sich früher das Ortszentrum von Endorf. Der zweite Abschnitt existiert als bebaute Straße seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Auch hier ist die Straße asphaltiert, wenngleich auch ohne Bürgersteig für die Fußgänger.
Der obere Teil, das ist der Bereich oberhalb des ehemaligen Moorbades wurde seit den 1990-er Jahren bebaut. Hier zweigt eine Straße von der Moorbadstraße ab, die Weinbergstraße. Nach vorliegenden Informationen wurde diese Straße in den 1970-er Jahren geschaffen, erschlossen und bebaut. Und die Anwohner hätten ihren Erschließungsbeitrag auch gezahlt. Warum man seinerzeit davon abgesehen hat, die Erschließungskosten auch für die Moorbadstraße umzulegen, diese Frage konnte uns allerdings leider niemand beantworten.
Eine Gemeinde darf Erschließungskosten auf die Anwohner umlegen, wenn eine Straße erschlossen werden soll. Der Marktgemeinderat Bad Endorf hat im vergangenen Jahr festgestellt, dass die Moorbadstraße aus gemeindlicher Sicht noch nicht erschlossen ist und die Erschließung jetzt erfolgen soll. Ungefähr 800.000 Euro sollen deshalb jetzt auf die Anlieger umgelegt werden.
Nun dürfen nach dem Bayerischen Kommunalabgabegesetz Erschließungskosten nur dann auf die Anwohner umgelegt werden, wenn die „erstmalige technische Herstellung“ der Straße nicht länger als 25 Jahre zurückliegt (Art. 5a, Abs. 7, Satz 2 BayKAG). Diese Straße ist nun vor 64 Jahren gewidmet worden. War sie seinerzeit erschlossen oder war sie es nicht? Und wann beginnt dann eigentlich die Zeit nach dem Beginn der „technischen Herstellung“, wie es im Gesetz heißt?
In einem Gespräch der Wasserburger Stimme äußert Bürgermeister Alois Loferer sein „großes Verständnis“ für die Anliegen der Anwohner, diese Erschließungsbeiträge nicht zahlen zu wollen. Er äußerte auch Verständnis dafür, dass die Hauseigentümer im unteren und mittleren Bereich der Moorbadstraße teilweise Erben sind, und das auch bereits in zweiter Generation. Für solche Erschließungskosten verfügten sie gar nicht über die notwendigen Mittel. Die Verärgerung der Anlieger im Bereich des früheren Ortskerns der Gemeinde verstehe er am meisten, sagte uns Loferer. Gerade deshalb wolle die Gemeinde hier großzügig sein, beispielsweise, wenn es um Ratenzahlungen oder Stundungen gehe. Mancher Grundstückseigentümer, der davon ausgeht, die Erschließungskosten nicht tragen zu können, denke wohl auch schon intensiv an einen Verkauf seines Anwesens.
Die entscheidende Frage dürfte aber sein: Kann man 64 Jahre nach der Widmung einer Straße noch davon ausgehen, dass die Straße „technisch“ nicht hergestellt sei? Darf man Baugenehmigungen erteilen, wenn eine Straße noch nicht erschlossen ist? Die Gesetzgebung ist hier ein wenig zurückhaltend: Grundsätzlich sei es nicht gestattet, Baugenehmigungen für Gebäude auf nicht erschlossenen Straßen zu erteilen. Wenn das richtig ist, dann hätten die Genehmigungsbehörden entweder ihrerseits Recht gebrochen, weil sie Baugenehmigungen für eine technisch nicht hergestellte Straße erteilt hätten oder aber sie seien von der bereits erfolgten Erschließung der Straße ausgegangen. Und wenn das richtig ist, dürfte man als Gemeinde von den Anwohnern eigentlich auch keine Erschließungsbeiträge mehr verlangen, da schließlich die Frist von 25 Jahren längst überschritten ist.
Die Anwohner im oberen Teil der Moorbadstraße, die dringend eine neue Asphaltierung des oberen Straßenbereichs wünschen und auch bereit wären, die dafür notwendigen Kosten zu tragen, sind darüber natürlich gar nicht begeistert. Aber eine Straße, deren Zustand unterschiedlicher nicht sein könnte, als Einheit zu betrachten, erscheint wohl auch ein wenig gewagt.
Interessant dürfte noch sein, dass eine kleine Nebenstraße der Moorbadstraße, im Grunde eine Sackgasse mit wenigen Häusern, der Hopfenweg, im Rahmen der Erschließung abgerechnet wurde. Warum hat man seinerzeit nicht die Moorbadstraße mit abgerechnet. Gab es einflussreiche Grundbesitzer an der Moorbadstraße, die das verhindert haben? Hinter vorgehaltener Hand war zu erfahren, dass im oberen Bereich eine komplette Asphaltierung der Straße in den 1960-er Jahren unterblieb, weil ein Grundstückseigentümer sich weigerte, etwas von seinem Grund abzugeben.
Übrigens: Weder das Landratsamt noch der Freistaat üben in dem Fall auf die Gemeinde Druck aus. Die Erschließung der Straße sei Gemeindeangelegenheit, so der Bürgermeister.
PETER RINK
So sieht die Straße im oberen Bereich aus …
und so im unteren Bereich der Moorbadstraße.

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