Wasserburger Theatertage: Udo Samel las gestern aus zwei Werken

2005 hat sie der seinerzeitige Intendant des Theaters Wasserburg, Uwe Bertram, ins Leben gerufen: Die Wasserburger Theatertage. Und seither gestaltet Udo Samel in Form einer Lesung den Eröffnungsabend.

Und auch in diesem Jahr war der Saal des Wasserburger Theaters in der Salzburger Straße bis auf den letzten Platz gefüllt. Udo Samel las aus Franz Kafkas „Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse“ und daran anschließend trug er noch die Kurzgeschichte „Erstes Leid“, in der ein Trapezkünstler beschrieben wird, der sich von seinem Publikum entfernt, weil er vom Trapez nicht mehr herunter steigen möchte.

In der Erzählung „Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse“, die Kafka kurz vor seinem Tod 1924 verfasst hat geht es um das Verhältnis der Sängerin Josefine zu ihrem Volk. In der Erzählung gibt es keine Handlung, es werden die Umstände geschildert, unter denen das Volk leben muss und die Rolle, die Josefine dabei spielt, genauer dargestellt. Das Volk lebt in täglicher Mühsal, sein Alltag ist geprägt vom täglichen Kampf ums Überleben. Eine große Vorliebe für die Musik kennt dieses Mäusevolk jedoch nicht, denn sein Denken ist größtenteils im Alltag gefangen.

Dabei bleibt jedoch vollkommen unklar, ob es sich tatsächlich um Mäuse handelt, von denen hier gesprochen wird. An keiner Stelle von Kafkas Erzählung wird eindeutig klar, ob es sich um Mäuse oder Menschen handelt.

Immer wieder spricht Kafka vom „Pfeifen“ der Masse. Man könnte hier versucht sein, das Pfeifen als die Stimme des Volkes zu interpretieren. 

In dieser Erzählung ohne Handlung wird also das zwiespältige Verhältnis zwischen Josefine und dem Volk beschrieben. Das Volk, fasziniert vom Gesang Josefines, hegt sofort Zweifel an seiner Faszination und Josefine ihrerseits zweifelt immer wieder an sich selbst. Es geht in dieser Erzählung also um das immerwährende Thema der Literatur, das Verhältnis des Einzelnen zu seiner Gesellschaft. Und sie beschreibt das Schicksal des Künstlers: In der nächsten Generation wird er in der Gesellschaft schon wieder vergessen sein, da die Gesellschaft immer noch und immer wieder mit der Bewältigung ihres Alltags vollauf beschäftigt ist.

Udo Samel trägt diese Erzählung mit einer großen Gabe vor, sodass man allein durch das Lesen sich gerne gefangennehmen lässt, und das, obwohl die Erzählung Kafkas im Grunde gar keinen rechten Inhalt hat.

Man stellt sich am Ende die Frage: Wofür ist Josefine eine Metapher? Es ist die letzte Erzählung Kafkas, der sich aus dem Leben weitgehend zurückzuziehen versucht und weiß, dass dies wohl nicht verstanden wird. Udo Samel lässt in seiner Lesung auch einen interessanten Blick auf das Volk zu: Es wird als eine amorphe Masse beschrieben, die keine Geschenke annimmt und sich nur schwer lenken lässt.

Ein langer, von Nachdenklichkeit geprägter Applaus, belohnte dann Udo Samel am Ende dieses Eröffnungsabends. 

Die Kulturreferentin des Landkreises Rosenheim, Anke Hellmann, und der Erste Bürgermeister der Stadt Wasserburg, Michael Kölbl, eröffneten daran anschließend die 19. Wasserburger Theatertage. Kölbl bedankte sich bei den zahlreichen helfenden Händen, die ein solches Festival erst möglich machten. Und er betonte die hohe Qualität dieser Theatertage der Bayerischen Privattheater, was auch im Bayerischen Fernsehen und Rundfunk bereits seine Anerkennung gefunden hat. Aber auch die hohe Qualität des Wasserburger Publikums sei hier hervorgehoben worden. Die Kulturreferentin des Landkreises Rosenheim, Anke Hellmann, ergänzte noch, dass es für die Wasserburger Theatertage und für das Wasserburger Publikum eine hohe Anerkennung sei, dass Udo Samel seit nunmehr 20 Jahren immer wieder gerne zur Eröffnungsveranstaltung der Wasserburger Theatertage komme und die Eröffnungslesung halte.

In diesem Jahr werde es auch wieder den Publikumspreis in Höhe von 3.000 € geben, gestiftet vom Landkreis Rosenheim und dem Förderverein des Theater Wasserburg. Er wird am kommenden Sonntag nach der letzten Darbietung durch den Landrat Otto Lederer verliehen werden.

Ab sofort wird es jeden Tag bis zum kommenden Sonntag eine Theateraufführung geben. Nähere Informationen hierzu gibt es unter www.theaterwasserburg.de 

RP – Fotos: Christian Flamm

 

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