Besonderer Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten

Seit 2019 verfolgt das Projekt „Schätze der Eiszeitlandschaft“ das Ziel Biotope eiszeitlich geprägter Landschaften in Oberbayern zu erhalten, zu renaturieren und ihre ökologischen Funktionen zu stärken. Bei der Umsetzung bekommen sie Unterstützung von heimischen Land- und Forstwirten sowie privaten Eigentümern, die dem Projekt Flächen zur Verfügung stellen. Auch die Stiftung Attl mit ihrem Attler Hof überlässt dem Projekt von „BayernNetzNatur“ rund einen Hektar landwirtschaftliche Fläche, die sie bei Oed im Gemeindegebiet Soyen besitzt. So sollen bedeutende Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten geschaffen werden.

„Die Fläche spielt ökonomisch gesehen keine besonders wichtige Rolle“, erklärt Peter Steinmüller, Abteilungsleiter am Attler Hof. „Sie liegt zu weit von unserem Hof weg, als dass sich eine Bewirtschaftung rechnen würde.“ Für das Renaturierungsprojekt und dem damit verbundenen Schaffen von Magerwiesen als ökologische Lebensräume eigne sich das Stück Land aber hervorragend.

Dem pflichtet der Biodiversitätsbeauftragte des Landratsamts Rosenheim, Jonas Garschhammer, bei: „Die Moore, die hier während der Eiszeit entstanden, sind ein besonderer Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten, die man sonst eigentlich in der normalen Landschaft gar nicht mehr vorfindet“, erklärt er in einem Ortstermin. Während man früher diese Nassstandorte zur Streuwiesenmahd nutzte, haben sie heute ihren landwirtschaftlichen Nutzen verloren. Im Fokus stehen aber auch Toteiskessel, Moore und Seen, die als bedeutende Lebensräume für seltene Arten wie Kammmolch, Hochmoor-Perlmuttfalter und Arktische Smaragdlibelle dienen.

Ganz ohne menschlichen Einfluss, geht die Renaturierung jedoch nicht vonstatten, denn weiterhin sind Einflüsse von außen vorhanden. Viele Nährstoffe von Industrie, Verkehr und Landwirtschaft reichern den Boden weiterhin an. Das führte in der Vergangenheit dazu, dass die ehemals niedrig-wüchsigen Nasswiesen mit ihren besonderen Moorpflanzen zunehmend mit wüchsigeren Pflanzen wie dem Schilf, Weidengebüschen oder dem Faulbaum überdeckt wurden. Eine gezielte Mahd mit Spezialmähwerk, die ein- bis zweimal im Jahr erfolgt, hilft dabei, dem Boden Nährstoffe zu entziehen und die Fläche in eine sogenannte Magerwiese zu verwandeln. Landschaftspfleger Andreas Berger ist für die stattfindende Mahd und deren anschließende Entfernung zuständig. So entstehen lichtere Verhältnisse, die den kleineren Arten den Raum zum Wachsen bieten.

Seit drei Jahren läuft das Projekt auf der Wiese der Stiftung Attl. Grundstücksnachbar Manfred Gütter hat auch einen Teil zu der Fläche beigetragen, auf der sich Pflanzen wie Sumpfdotterblume, Wiesenknöterich, Kleiner Baldrian oder Hasenfuß-Wegerich wieder ausbreiten können. Viele Insekten haben sich im Laufe ihrer Evolution genau auf diese Pflanzen spezialisiert und bekommen so ihre Lebensgrundlage zurück.

„Diese Pflanzenarten werden von der Situation profitieren und sich mehr und mehr ausbreiten“, prognostiziert der Biodiversitätsfachmann Garschhammer.

Das Projektgebiet, an dem er beteiligt ist, erstreckt sich mittlerweile über etwa 335 Quadratkilometer und umfasst die eiszeitlich geprägte Moränenlandschaft zwischen Haag und Wasserburg. Neben praktischen Naturschutzmaßnahmen legt das Projekt auch großen Wert auf Öffentlichkeitsarbeit, darunter geologische Exkursionen, Informationsveranstaltungen und die Einrichtung von Themenwegen wie dem „Toteiskesselweg“ im Haager Land. Ziel ist es, das Bewusstsein für die Bedeutung dieser Landschaften zu schärfen und ihre nachhaltige Nutzung zu fördern.

MJV / Bilder: Wagner

Unser Bild zeigt von links Stefan Deuschl (Leiter Inntal-Werkstätter), Manfred Gütter, Peter Steinmüller (Abteilungsleiter Attler Hof), Jonas Garschhammer (Biodiversitätsberater) und Andreas Berger (Landschaftspfleger) beim Ortstermin im Mai.

Schaufenster