Darf eine Betriebsleiterwohnung ins Gewerbegebiet? Hitzige Diskussion um Mischgebiets-Problematik

Um eine Beratung und Prüfung des Sachverhalts bat Gemeinderat Dr. Tassilo Singer den Soyener Bürgermeister. Dem Schreiben ging die Entscheidung des Bauausschusses voraus, der eine Betriebsleiterwohnung im Gewerbegebiet Graben I genehmigt hatte. In der jüngsten Gemeinderatssitzung informierte Bürgermeister Thomas Weber über das Schreiben Singers, der aus dienstlichen Gründen nicht persönlich an der Sitzung teilnehmen konnte. 

Singer verwies im Schreiben darauf, dass der Gemeinderat in seinen Anforderungen an Bewerber des Gewerbegebietes klar festgelegt habe, in welchen Ausnahmefällen Betriebsleiterwohnungen zu genehmigen seien. Dies sollte der Fall sein, wenn die Wohnung des Betriebsleiters am Gewerbe notwendig sei und in engem Zusammenhang zur ausgeübten Tätigkeit stehe, beispielsweise Notarzt oder Elektriker für kritische Infrastruktur. In der vom Bauausschuss getroffenen Genehmigung einer Betriebsleiterwohnung sehe er keines dieser Kriterien erfüllt.

Als weiteren Grund für eine erneute Prüfung im Gemeinderat führte er das große Risiko, vom Landratsamt eine Ablehnung für das weitere geplante Gewerbegebiet Graben II zu erhalten, an. Diese Ablehnung würde seiner Meinung nach sehr wahrscheinlich damit begründet, dass die Gemeinde bewiesen habe, dass sie kein Gewerbegebiet in Graben beabsichtige, sondern ein Mischgebiet. Wenn der Bebauungsplan für Graben II abgelehnt werde, könne dort nichts mehr gebaut werden und der Gemeinderat habe durch den Kauf des Grundstücks Graben II eine siebenstellige Summe für den dann nur sehr begrenzt nutzbaren, landwirtschaftlichen Grund aufgewendet.

Singer ergänzte im Brief, dass hier Steuergelder der Bürger verschwendet werden könnten, nur um einer Person die Betriebsleiterwohnung zu ermöglichen. Als Gemeinderat sei er nicht bereit, dieses Risiko zu tragen. Seinem Brief mit Antrag auf Prüfung des Sachverhalts schlossen sich weitere fünf Mitglieder des Gemeinderats per Unterschrift an.

Gemeinderatsmitglied Ludwig Maier verwies darauf, dass Ausnahmen im Ausnahmenparagraphen geregelt seien. Er sehe eine Gefahr darin, dass das geplante Gewerbegebiet Graben II nicht klappen könne.

Frieder Meidert fügte an, dass im Vorfeld über Ausnahmen gesprochen wurde. In diesem konkreten  Fall handele es sich um einen Betrieb, der Inventar im Millionenbereich habe, so dass der Betriebsleiter auch dort wohnen solle. Er verwies darauf, dass der Bauausschuss ein entscheidendes Gremium sei und es nun schon zum zweiten Mal passiere, dass ein Bauthema vom Gemeinderat nicht akzeptiert werde. „Für was gibt es einen Bauausschuss, wenn rückwirkend immer etwas in Frage gestellt wird“. Bürgermeister Thomas Weber ergänzte, dass alle Bauanfragen im Bauausschuss behandelt werden.

„Das Risiko, Graben II nicht zu bekommen, steht in keiner Weise für diese Ausnahme“, so Dr. Hans Hinterberger. Der Zweck sei eindeutig das Gewerbe und nicht Wohnen. Er sehe ein „gigantisches Risiko“.

Dagegen verstand Hans Hinterberger die strenge Handhabung nicht. Er sehe es als wünschenswert an, wenn ein Betriebsleiter auch am Arbeitsort wohnen könne. Aber nur der Betriebsleiter, keine Vermietungen. Gemeinderätin Christine Böhm schloss sich dem an. Graben II habe ihrer Meinung nach nichts mit der Betriebsleiterwohnung zu tun. Sie schlug vor, im Baugebiet Graben II Betriebsleiterwohnungen zuzulassen, in Graben I nicht.

Bauamtsleiter Franz Glasl verwies darauf, dass die letzte Entscheidung generell beim Landratsamt liege. Allerdings könne ein gemeindliches Einvernehmen nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dies gelte es zu bedenken. Wenn man in einem Gewerbegebiet ein Wohnen zulasse, könnte es schwierig werden, ein weiteres Gewerbegebiet anzuschließen.

Als „weit hergeholt“ sah Gemeinderatsmitglied Peter Müller die Möglichkeit, dass dem Gewerbegebiet Graben II wegen der Betriebsleiterwohnung von Seiten des Landratsamtes nicht zugestimmt werde. In Ausnahmefällen sei eine Betriebsleiterwohnung möglich, der Bauausschuss befand hier einen Ausnahmefall. Er könne die Diskussion darüber nicht nachvollziehen.

Der Gemeinderat Soyen sprach sich letztlich mit 9 zu 5 Stimmen für eine Aufhebung des vom Bauausschuss gefassten Beschlusses vom 29. November aus und erteilte das gemeindliche Einvernehmen zur beantragten Wohnung nicht.

TANJA GEIDOBLER