Corona-Fall-Zahlen auf Rekordhöhe: Alarmmeldungen aus dem Rosenheimer Gesundheitsamt

„Wir befinden uns in der Region weiterhin mitten in der vierten Welle. Mit kurzer Unterbrechung sehen wir seit Anfang August einen exponentiellen Anstieg der Fallzahlen. Seit nunmehr zwei Wochen geht die 7-Tage-Inzidenz vor allem im Landkreisgebiet steil nach oben. Diese vierte Welle ist eine Welle der bislang Ungeschützten, also der Personen, die nicht geimpft sind oder die Infektion nicht bereits durchgemacht haben. Ich sehe diese Entwicklung vor dem Hintergrund der Lockerungen in den letzten Wochen und vor allem vor dem bevorstehenden Winter mit großer Sorge.“ Das ist die Bilanz von Dr. Wolfgang Hierl, dem Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes Rosenheim, zur Corona-Wochenlage in Stadt und Landkreis Rosenheim.

In den Heimen in Stadt und Landkreis sind seit dem letzten Wochenbericht die Krankheitsfälle bei Mitarbeitern und Bewohnern sprunghaft gestiegen. Dabei ist der Anteil der positiv getesteten vollständig geimpften Bewohner beunruhigend hoch.

Zum überwiegenden Teil waren die betroffenen Mitarbeiter ungeimpft. So wurden in der letzten Woche in 19 Alten- und Pflegeheimen bei 104 Bewohnern (88 davon waren vollständig geimpft, 15 nicht geimpft, ein Fall nicht bekannt) und

46 Mitarbeitern (25 nicht geimpft, 14 vollständig geimpft, 7 unbekannt) Corona-Infektionen festgestellt. 11 Heimbewohner (drei nicht geimpft, 7 vollständig geimpft, einer unbekannt) mussten hospitalisiert werden.

Die Zahlen unterstreichen eindrücklich, dass dringend Auffrischimpfungen bei vollständig geimpftem Personal und Bewohnern erforderlich sind, wenn die letzte Impfung vor mindestens einem halben Jahr stattfand. Sofern bislang keine Impfung erfolgte oder nicht vollständig geimpft wurde, sollten sie sich dringend Nachholimpfungen verabreichen lassen, heißt es aus dem Amt.

Dem Gesundheitsamt wurden fünf Personen gemeldet, die seit dem letzten Wochenbericht an Corona verstorben sind. Vier der verstorbenen Personen waren in einem Heim betreut worden.

568 Personen sind nun seit dem Beginn der Pandemie an der Erkrankung gestorben (Landkreis: 492, Stadt: 76)

119 Corona-Patienten werden aktuell in Stadt und Landkreis Rosenheim stationär in Kliniken behandelt. Hiervon befinden sich 24 Patienten auf einer Intensivstation.

Die bisherigen Regelungen zu ‚3G‘ seien in Regionen mit hohem Infektionsdruck, hoher Belegung auf den Intensivstationen und zu geringer Impfrate, wie in Stadt und Landkreis Rosenheim, nicht geeignet, um das Infektionsgeschehen deutlich abzubremsen. „Wir fahren sozusagen mit überhöhter Geschwindigkeit in Richtung Winter.“

Die Landräte der Region 18 und der Oberbürgermeister der Stadt Rosenheim hatten sich in dieser Woche geeinigt, selbst Verschärfungen der Regelungen zu erlassen (wir berichteten): So gilt seit 1. November eine 2G-Regel für den Zugang zu Diskotheken, Clubs und vergleichbaren Lokalen sowie eine FFP2-Maskenpflicht in allen Bereichen, wo bisher die Pflicht zum Tragen einer medizinischen
Maske galt. Seit Donnerstag gilt, dass die Dauer der Quarantäne für enge Kontaktpersonen – Geimpfte und Genesene ausgenommen – generell auf mindestens 10 Tage mit einer Abschlusstestung verlängert wird. Es besteht keine Möglichkeit mehr zu einer vorzeitigen Freitestung. Auch das bayerische Kabinett hat am Mittwoch unter anderem strengere Regelungen für Regionen mit hohem
Infektionsgeschehen beschlossen.

„Alle diese Regelungen gehen in die richtige Richtung“, kommentiert Hierl. „Nur durch wirkungsvolle Kontaktbeschränkungen von Ungeimpften lässt sich das Infektionsgeschehen abmildern. Ob die beschlossenen Maßnahmen ausreichen, bleibt abzuwarten
und hängt ganz entscheidend von den Einlasskontrollen in den Einrichtungen oder bei den Veranstaltungen ab.“

„Das Ziel einer ausreichend hohen Impfrate in der Bevölkerung von 85 Prozent ist in Stadt und Landkreis Rosenheim in absehbarer Zeit nicht zu erreichen. Dieses Ziel ist eher eine Fata Morgana als eine realistische Option. Wer aber nicht vollständig geimpft ist, wird sich unweigerlich infizieren und einige werden dabei schwer erkranken. Es steht zu befürchten, dass in der Region im Winter eine bislang noch nicht dagewesene Welle an Infektionen und Erkrankungen bevorsteht, die dann mit den zur Verfügung stehenden Infektionsschutzmaßnahmen nicht zu beeinflussen sein wird. Dies wird zu einer weiteren Belastung und möglicherweise auch zu einem Kollaps der Kapazitäten der Intensivstationen in Stadt und Landkreis führen. Es wird aber auch dazu führen, dass das Gesundheitsamt aufgrund der Flut der täglichen Meldungen die Strategie der Einzelanordnungen gegenüber Indexfällen, Kontaktpersonen aber auch gegenüber Einrichtungen, wie zum Beispiel Schulen und Kitas, Krankenhäusern, Heimen und Betrieben, nicht mehr leisten kann.“

Hierl weiter: „Ich verstehe die Sehnsucht der Bürgerinnen und Bürger auf ein normales Leben ohne Einschränkungen. Das hat dazu beigetragen, dass oftmals große Sorglosigkeit, manchmal auch Verweigerung, der Maßnahmen beim Umgang miteinander herrscht, Abstände werden oft nicht eingehalten und Masken nicht oder nur nachlässig getragen. Dieses Ziel lässt sich jedoch nur über eine hohe
Impfrate erreichen. So sinnvoll Testungen sind, sie tragen – so ehrlich muss man sein – nicht dazu bei, die Pandemie zu überwinden. Der Beitrag der Getesteten ist, dass die Person, wenn sie dann positiv getestet wird, für 14 Tage in Isolation geschickt wird.“

Das Gesundheitsamt Rosenheim weist darauf hin, dass das Infektionsgeschehen in Stadt und Landkreis Rosenheim seit Anfang August mit kurzer Unterbrechung exponentiell angestiegen ist. Dem Gesundheitsamt Rosenheim wurden täglich durchschnittlich etwa 220 neue Fälle (insgesamt 1.520 Neumeldungen, Vorwoche: 1.364) gemeldet. Gestern wurde mit 304 die bislang höchste Zahl neuer Fälle gemeldet.
Weit überwiegend sind Ungeimpfte bei den neuen Fällen betroffen, knapp zwei Drittel der positiv Getesteten liegen im Altersbereich zwischen 18 und 59 Jahren.

Nachdem zu Ferienbeginn die Hauptursachen der Ansteckungen Reiserückkehrer waren, herrscht mittlerweile ein diffuses Ausbreitungsgeschehen vor. Stark zugenommen haben Übertragungen von Infektionsübertragungen auf Mitarbeiter und Bewohner
in Alten- und Pflegeheimen. Besorgniserregend ist dabei der hohe Anteil vollständig geimpfter Bewohner bei den positiven Fällen und den Hospitalisierten. Seit Schulbeginn wird eine hohe Zahl an positiven Fällen sowie an Infektionsübertragungen in Schulen aber auch in Kitas gemeldet.

In dieser Woche ist es aufgrund der Ferien zu einer Abnahme der täglich gemeldeten Fallzahlen in Schulen gekommen. Insgesamt ist nach Aussage des Ärztlichen Leiters Krankenhauskoordinierung, Dr. Michael Städtler, eine weitere Steigerung der Belegung der Krankenhausbetten zu verzeichnen, die Belegungszahlen mit COVID-19 sowohl auf Normal- als auch Intensivstation steigt weiter an und nähert sich dem Spitzenwert der zweiten Welle bei gleichzeitig weniger zur Verfügung stehenden Kapazitäten.

„Kliniken extrem belastet“

Hierl: Ein gleiches Bild zeigt sich im gesamten oberbayerischen Raum, so dass Abverlegungen im Umkreis nahezu nicht möglich sind.

Auch Abverlegungen in weiter entfernte Regionen sind nur sehr vereinzelt möglich. Die Lage auf den Intensivstationen im RoMed-Klinikverbund ist nach Aussage der Geschäftsführung extrem belastend, die Kapazitäten der COVID-Intensivbetten sind ausgeschöpft, das Personal befindet sich an der absoluten Belastungsgrenze. Nunmehr müssen auch planbare Eingriffe verschoben werden. Es werden fast ausschließlich ungeimpfte Patienten intensivmedizinisch versorgt.

Für den Winter ist zu erwarten, dass saisonbedingt die Infektionszahlen weiter massiv ansteigen werden. Das wird die Belastung der Kliniken in der Region, vor allem im Intensivbereich, an ihre Leistungsgrenze bringen.

Die telefonische Kontaktpersonennachverfolgung kann durch das Gesundheitsamt, sowohl im Bereich der Indexfälle als auch bei den Kontaktpersonen, tagesaktuell weiterhin nicht mehr sichergestellt werden. Zur Verbesserung der Kapazitäten werden weiterhin Einstellungsverfahren mit Hochdruck betrieben, die Möglichkeiten der personellen Verstärkung durch interne und externe Kräfte wird maximal genutzt. Dankenswerterweise unterstützt die Bundeswehr das Gesundheitsamt auch weiterhin, um den entstandenen Rückstand wieder aufarbeiten und die Fälle wieder tagesaktuell abarbeiten zu können.

 

Die aktuellen Zahlen in den Gemeinden: