Blick auf ein bewegtes Leben - Fotoausstellung in Wasserburger Geschäften und buntes Programm am 19. Juni

Er ist in der Stadt bekannt wie ein bunter Hund: Der „Heinz“, den man mit seinem Mülleimer und seinem Greifarm tagtäglich durch die Altstadt ziehen sieht. Er ist als ehrenamtlicher Müllsammler so etwas wie die „Gute Seele“ Wasserburgs. Jetzt feiert der Heinz, der eigentlich Hendrick Plaweckay heißt, seinen 75. Geburtstag. Dazu wird es am 19. Juni in der Hofstatt ein buntes Programm geben – soweit dies vom Infektionsgeschehen her möglich ist. Unter anderem tritt die Band „Kreiz & Quer“ auf. Die Moderation zum Ehrentag von „Heinz“ übernimmt ab 15 Uhr kein Geringerer als Michi Altinger, bekannt aus Funk und Fernsehen. Zum runden Geburtstag hat die Penzinger Bühnen- und Kostümbildnerin Tamara Oswatitsch auch eine Foto-Ausstellung in verschiedenen Wasserburger Geschäften mit Motiven zum „Heinz“ organisiert (darüber wird gesondert berichtet). Oswatitsch hat sich im Vorfeld mit dem Jubilar über dessen bewegtes Leben unterhalten und tiefe Einblicke in seine Lebensgeschichte gewonnen.

 

„Die Idee kam mir nach einer Ausstellung und dem nachfolgenden Gespräch mi dem Fotografen Daniel Aschauer. Ihm fehlte, um neue Fotos zu machen – da er von der Stadt schon jede Dachrinne fotografiert hatte – ein Input.  Da er hauptberuflich im sozialen Bereich arbeitet, war eine spontane Idee von mir,  als alter Theater- und Opernhase, dass Menschen manchmal interessanter sind, als Fotos von Dachrinnen. Zwei Intensionen würden sich decken, oder auch drei. Der Mensch Heinzi, mit seinem unermüdlichen Engagement, ehrenamtlich unser aller Straßen täglich zu durchstreifen und die Stadt sauber zu halten, damit auch die soziale Komponente und die Liebe zu Wasserburg, der alten und jungen Stadt“, so Oswatitsch.

„Das Konzept stieß bei den Bürgermeistern auf offene Ohren. Seitdem erfahren wir auf den Foto-Touren stückchenweise immer mehr aus seinem Leben. Dieser für mich bis dato immer fröhliche und aufgeschlossene Mensch, der von Groß und Klein, von jedem Hund begrüßt und geliebt wird, hat eine unerfüllte Seite. Er erzählt, dass er  in fünf oder sechs Heimen aufwuchs, wurde vom Leben also weiß Gott nicht begünstigt und leidet noch heute unter den damaligen Schlägen, der nicht erhaltenen Schulbildung  und besonders unter der erlittenen Lieblosigkeit seiner Kindheit und Jugend. Ein Heimkind geboren gleich nach dem Krieg.“  Der  Heinz habe fragmentarisch alle Erinnerungen erzählt, die sporadisch hochkommen. Oswatitsch: „Auf dem  Kinderfoto in Lederhosen steht auf der Rückseite in Bleistift seine gesamte Vita – es sind sechs Zeilen. Daraufhin begann ich neben unseren Fototerminen mit der Recherche seines Lebens, denn mit 75 Jahren sollte doch jeder Mensch eine Vita haben.“

 

 

„ Wer seine Geschichte nicht erzählen kann, existiert nicht “

(Salman Rushdie *1947, englischer Schriftsteller)

 

Oswatitsch  weiter über das Leben von Heinz: „Leider konnten wir in Steinhöring, seinem Geburtsort coronabedingt noch nicht fotografisch festhalten und Haar selbstverständlich auch nicht. Ich habe ihm aber fest den  Ausflug dorthin versprochen, wenn es wieder möglich ist. Steinhöring, in dem ehemaligen Lebensborn ,Haus Hochland‘,  das von den Amerikanern im Mai 1945 den Solanusschwestern übergeben wurde, als Mutter- und Kindhaus betrieben, brachte ihn  1946 seine sehr junge Mutter auf die Welt. Sie war aller Wahrscheinlichkeit zusammen mit ihren Eltern im Januar 45 aus Kattowitz vor den Rotarmisten geflohen  und als Hausgehilfin in München gestrandet. Bei der Geburt von Heinz im Juni 1946 waren ihre Eltern nicht mehr am Leben. Getauft wurde das Kind Hendrik Plaweckay in der Kapelle der Einrichtung in Steinhöring. Die Entscheidung Heinzi einer Pflegemutter und dann den offensichtlich verwandten Pflegeeltern, auf einem kleinen landwirtschaftlichen Hof  im südlichsten Steinhöringer Landkreis, zu übergeben, war sicher dem Tatbestand geschuldet, eine ledige Mutter zu sein. Dort wuchs er auf dem kleinen Hof auf.  Seine leibliche Mutter tauchte irgendwann noch einmal mit einem Baby auf dem Arm auf und entschwand wohl tatsächlich nach Amerika.“

Oswatitsch:„Das ist einer der  wunden Punkte in der Lebensgeschichte. Ihre Spur lässt sich einfach trotz aller Bemühungen nicht nachverfolgen.  Die Einschulung in Frauenneuharting lief leider nicht reibungslos und so übergaben ihn seine Pflegeeltern  ein Jahr später zur Betreuung,  der Kinderabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Haar. Diese wurde mehrere Male umstrukturiert und umbenannt, war aber immer das gleiche langgestreckte Gebäude auf dem Gelände Haar-Eglfing.  Mit elf Jahren wurde Heinzi dann wegen Überfüllung den Barmherzigen Brüdern im Kloster Attl zur Betreuung übergeben.“

Viele dieser Erinnerungen seien, wenn vorhanden, negativ und nicht wieder gutzumachen.  Oswatitsch: „Aber nach dem Erreichen des Erwachsenenaltes und der damit verbundenen Entlassung aus der Einrichtung Attl,  hat er gerne gearbeitet. Im Autohaus in Wasserburg, erzählt er begeistert, wie er die Autos gewaschen und gepflegt hat.  In der Metzgerei Rahm ist er die längste Zeit, nämlich 23 Jahre beschäftigt worden, und daher stammen auch die schönen Geschichten seiner Begegnungen mit Tieren.  Er liebt alle Tiere und auch die Taubengeschichten sind schön, bei der die Vögel direkt auf seiner Hand landen. Aber am liebsten hat er aber Katzen. Zwei Jahre war er in den Schreinerwerkstätten, der inzwischen  erneuerten Einrichtung Attl.  Bis er der bekannte Heinz wurde, hat er erst einmal angefangen, die Wertstoff-Tonnen am Parkhaus zu reinigen und vor allem bei der richtigen Sortierung die Überwachung zu übernehmen. Streng ist er manchmal, aber damit schafft er es eben, uns alle zu erziehen“, so die Penzingerin.

Oswatitsch  weiter: „Und nicht nur für mich ist er ein positiver Mensch, sondern anscheinend für die ganze Stadt. Er wird von Groß und Klein  auf allen Wegen begrüßt,  sogar einige Autofahrer hupen, um ihm zuzuwinken.  Und er strahlt. Er hat einen ganz festen Glauben. Ein Bild von Jesus mit einem kleinen Kind rührt ihn zu Tränen.“

Der komplette Lebenslauf sei natürlich Privatsache „und so kann ich nicht alles preisgeben, was ich mit der Hilfe von Standesamt, Kirchen, Einrichtungen und Archiven zusammengetragen habe. Aber ich habe die Lücken geschlossen und wir, seine Betreuerin Carola Mayer, deren Unterschrift ich dringend benötigt hatte,  und ich, können ihm seine Vita und Dokumente zum 75. Geburtstag übergeben.  Hoffen wir, dass er sich freut an den vielen Fotos und dass er diese Arbeit wirklich noch lange gesund ausüben kann. Seinen Pullover mit der Aufschrift ,12 Jahre ehrenamtlich‘, hat er im Februar sofort für die Fotos von 12 auf 13 ändern lassen.“

 

Über die Fotoausstellung wird gesondert berichtet.