Dass sie das noch einmal fühlen wird, hatte Anna Schlosser* nicht mehr zu hoffen gewagt. Nach einer langen Leidenszeit kann die über 75-Jährige endlich wieder frei durchatmen. „Ich hätte nie gedacht, wie sehr diese Atemnot meine Lebensqualität beeinflusst“, erzählt sie. Seit Monaten litt Frau Schlosser an einer undichten Herzklappe. „Schon bei der kleinsten körperlichen Anstrengung musste ich stehen bleiben, um nach Luft zu schnappen“, beschreibt sie ihren damaligen Zustand. (*Name aus Datenschutzgründen geändert.) Eine neue OP-Methode am RoMed-Klinikum Rosnheim hat ihr jetzt geholfen.

Ursachen und Symptome defekter Herzklappen

So wie Anna Schlosser ergeht es vielen Betroffenen. Sie fühlen sich kraftlos und ohne Energie, leiden an Kurzatmigkeit. „Dass die Klappen des Herzens nicht mehr richtig funktionieren, ist gar nicht so selten. Rund 35.000 Menschen werden in Deutschland jährlich an einer Herzklappe operiert“, berichtet Prof. Dr. Christian Thilo, der neue Kardiologie-Chefarzt am RoMed-Klinikum Rosenheim.
Und die Ursachen für eine geschädigte Herzklappe sind vielfältig. Bei der Aortenklappe kommt es meist bedingt durch Verkalkungen zur Enge (der sogenannten Aortenklappenstenose).  Bei Mitralklappen ist in der Regel eine Undichtigkeit, die sog. Mitralklappeninsuffizienz, das Problem. Ursachen sind hierfür zum Beispiel kleine Ausrisse der Sehnenfäden der Klappe. Aber auch ein vergrößerter Herzmuskel infolge einer Herzschwäche bewirkt, dass sich die Segel auseinanderziehen und dementsprechend das Einlassventil des linken Herzens nicht mehr richtig schließen kann. Zudem können bakterielle Infekte Klappen so zerstören, dass sie undicht werden.
 

Mitral-Clipping: Minimalinvasive OP-Methode

Die Folgen der Undichtigkeit sind gravierend. Betrifft es die Mitralklappe in der linken Herzkammer, so fließt ein Teil des Blutes zurück in die Lunge und der Druck in den Gefäßen des Atmungsorgans erhöht sich. Wenn dieser zu stark ansteigt, füllen sich die Lungen mit Wasser und der Patient leidet unter Luftnot. Wird dieser Herzfehler nicht behandelt, können auch der rechte Vorhof und die rechte Herzkammer davon Schaden nehmen und zur Trikuspidalklappeninsuffizienz mit Wassereinlagerungen in den Beinen sowie im Spalt zwischen Brustwand und Lunge führen. Bei einer Mitralklappeninsuffizienz fließt auch zu wenig Blut in den Körperkreislauf. Die typischen Anzeichen der Betroffenen sind Müdigkeit, Schwäche und Konzentrationsprobleme.
 
Dem Medizinhersteller Abbott Medical GmbH gelang es, für diese Herzklappenerkrankungen ein schonendes Verfahren zu etablieren, das an ausgewählten Kliniken und Zentren in Deutschland zugelassen ist – darunter das RoMed-Klinikum Rosenheim.
 
„Lange galten diese Formen der beschädigten Herzklappen als schwer behandelbar und konnten mittels herkömmlicher Verfahren nur unter Brustkorböffnung und Herzstilllegung operiert werden“, erzählt Thilo. Umso mehr freut sich der Mediziner, nun eine neue minimalinvasive OP-Methode, das sogenannte Mitral-Clipping, anbieten zu können. Das alternative und risikoärmere Behandlungsverfahren mit guten Langzeitwerten eignet sich besonders für ältere Herzpatienten mit Begleiterkrankungen.
 

90 Minuten für ein neues Lebensgefühl

Mittels Kathetertechnik werden bei dem durchschnittlich eineinhalbstündigen Eingriff die Herzklappensegel mit einer Klammer so verbunden, dass kaum mehr Blut zurückfließen kann. Eine milde Narkose ist erforderlich, weil sich der Implanteur während des Eingriffs auch über Ultraschall mittels einer Sonde in der Speiseröhre orientiert. Über einen kleinen Schnitt führt der Kardiologie einen feinen Schlauch durch die Leiste des Patienten und überprüft am Monitor die Position im Gefäßsystem. Nach Passage der Vorhofscheidewand wird der Schlauch weiter bis zum undichten Segelbereich manövriert. Dort platziert der Herzspezialist eine rund 1,5 cm lange Klammer (sog. MitraClip) aus Metall und Polyesterfasern und verschließt damit soweit wie möglich die defekte Herzklappe. Falls ein Clip noch nicht ausreicht, kann einer weiterer neben den ersten gesetzt werden. „Man kann die Insuffizienz manchmal nicht gänzlich beheben“, sagt Thilo, „aber die Atembeschwerden lassen trotzdem nach und die Herzfunktion kann sich erholen.“
Durch eine spezielle Weiterentwicklung der neuen OP-Methode kann heute sogar die Undichtigkeit der rechtsseitigen Segelklappe behandelt werden. Bisher war eine minimalinvasive Behandlung der Trikuspidalinsuffizienz aufgrund ihrer komplexen Anatomie undenkbar.
 
Anna Schlosser ist eine der ersten Patientinnen, die am RoMed-Klinikum Rosenheim mit dem neuartigen Verfahren versorgt und nach fünf Tagen nach Hause entlassen wurde. Die Freude über ihr wieder gefundenes Lebensglück stand ihr ins Gesicht geschrieben: „Als ich nach der Narkose aufwachte, habe ich gleich leicht geatmet. Wunderbar! Ich wusste gar nicht mehr, wie das ist – frei atmen.“
 
Auf der Website www.romed-kliniken.de können Interessierte ein Video aufrufen, in dem Chefarzt Prof. Dr. Christian Thilo das Verfahren anschaulich erklärt.