Gut 60 Musikanten spielten schon für den FC Bayern - Keine Nachwuchssorgen

Sie spielen nicht nur zu „klassischen“ Anlässen wie Kirchenfeiern, Trachten- und Gaufesten: Die Musikkapelle Wildenwarth war bereits bem Staatsempfang des russischen Präsidenten dabei, bei der Grünen Woche in Berlin und bei der Meisterfeier des FC Bayern München. Jetzt feiert die Kapelle ihren 65. Geburtstag.  Und: Sie ist in der glücklichen Lage, sich keine Sorgen über den Nachwuchs machen zu müssen…

Alles begann 1955 mit einer Wette: Schullehrer Albert Pfaffenzeller und Sägewerksbesitzer Johann Rinser wetteten miteinander, ob es möglich sei, in Wildenwart eine Musikkapelle auf die Füße zu stellen. Pfaffenzeller, der schon an seinen vorherigen Lehrer-Wirkungsstätten zweimal eine Blaskapelle gegründet hatte, war sich sicher die musikbegeisterten Wildenwarter Burschen zu einer Kapelle formen zu können, Rinser hielt dagegen. Im September begannen die ersten Proben mit den zukünftigen Musikanten und bei der Christmette 1955 war schließlich der erste öffentliche Auftritt. Albert Pfaffenzeller hatte seine Wette gewonnen und Wildenwart hatte seine Blasmusik – bis heute. Wenige Musikkapellen wird es wohl in Bayern geben, über die bereits ein Buch verfasst wurde. Gabriele Pfaffenzeller, Enkelin des ersten Musikmeisters von Wildenwart, hat als Arbeit für ihr Staatsexamen zum Lehramt für Musik am Gymnasium auf 180 Seiten die Geschichte der Blaskapelle unter dem Titel „Wia de Zeit vergeht“ beschrieben.

Über 65 Jahre nach ihrer Gründung ist die Musikkapelle Wildenwart weitum ein Begriff: 60 Musikanten und manchmal auch mehr spielen in der ganz großen Besetzung mit, über 40 Jugendliche musizieren in der Jugendkapelle, viele davon haben in den vergangenen Jahren den Sprung aus der Jugendkapelle in die „große Musik“ geschafft, die ersten Musikantenschritte machen aktuell rund 40 Kinder im Grundschulalter in der Zwergerlkapelle.

Bei der Meisterfeier vom FC Bayern dabei

Die Gründungsväter der Musikkapelle Wildenwart hätten es sich sicher niemals träumen lassen, dass „ihre Musikanten“ nicht nur zu kirchlichen Anlässen, Konzerten und Gaufesten, sondern eines Tages sogar beim Staatsempfang des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew am Münchner Flughafen (2009), bei der Grünen Woche in Berlin (erstmals 1962, zuletzt 2011), oder bei der Meisterfeier des FC Bayern in München (2014) musikalisch mitwirken würden.

Seit den Anfängen vor 65 Jahren hat sich vieles verändert und weiterentwickelt: die Besetzung, das Repertoire und die Dirigenten. Auf den Gründer Albert Pfaffenzeller folgte 1965 Max Kempinger, sein Nachfolger wurde 1978 Paul Kempinger, im Jahr 2000 übernahm Wolfgang Kink die Verantwortung und seit über fünf Jahren heißt der Dirigent Sebastian Graf. Über 15 Jahre hat Wolfgang Kink die musikalischen Aktivitäten der Kapelle gestaltet und die Wildenwarter Musikkapelle zu dem gemacht, wie sie sich heute den Zuhörern präsentiert: eine traditionsreiche bayerische Blaskapelle mit dem Charme eines Kurorchesters und der Brillanz einer Militärkapelle, die auch vor schwierigen Aufgaben aus der heutigen Musikszene nicht zurückschreckt. Unter der Stabführung von Dirigent Sebastian Graf oder in der kleineren Besetzung ist sie für die Wildenwarter Ortsvereine und die Vereine weitum zu allen Anlässen da und sorgt immer für den guten Ton; gespielt wird im Fasching, bei Waldfesten in Wildenwart und der Region, bei den Gaufesten des Chiemgau-Alpenverbands, beim Preisplattln, Maibaumaufstellen und bei den Vereinsjahrtagen, gespielt wird bei den Hochzeiten, bei Geburtstagsständchen und ebenso auch bei Beerdigungen.

Für öffentliche Auftritte, die seit der Gründung stets in Tracht (Kurze Lederhose oder Lederbundhose) stattfinden, entschied sich die Musikkapelle für die „Miesbacher Joppe in Grün“ und den Miesbacher Hut mit Adlerflaum. Die Frauen – seit 1998 in der Kapelle – tragen ein festliches, schwarzes Dirndlgwand und einen eigens kreierten „Wildenwarter Musikerhut“ als Kopfbedeckung.

Nachwuchsförderung wird groß geschrieben

Zur weiteren Förderung des Nachwuchses gründete sich 2002 der Musikförderverein Wildenwart mit dem Ziel die Ausbildung der jungen Musiker durch einen Verein zu unterstützen und die Nachwuchsförderung für die Kapelle intensiv zu fördern. So will die Musikkapelle Wildenwart sicherstellen, dass es nach 65 Jahren Bestehen der Musikkapelle Wildenwart auch in den nächsten Jahren in Wildenwart mit der Musik weitergehen kann.

Nachwuchssorgen muss sich die Blaskapelle von Wildenwart nicht machen. Aus den Gemeinden Frasdorf und Prien gibt es reichlich Mädchen und Burschen in den Nachwuchsreihen. Um ihre erste Ausbildung in der Zwergerlkapelle und der darauf aufbauenden in der Jugendkapelle sorgt sich Eva-Maria Gruber. Aktuell sind 38 Kinder in der Zwergerlkapelle, diese Kinder kommen aus den Bläserklassen der Schulen. In der Jugendkapelle sind es 34 Jugendliche aus einem Umkreis von rund fünf Kilometern um den Wildenwarter Kirchturm.

In zwei Jahren eigenes Musikhaus erbaut

Der Musikförderverein unterstützt die Bläserklassen durch Leihinstrumente sowie Notenmaterial. Für die Zwergerl- und die Jugendkapelle gibt es Unterstützung durch eigens organisierte Veranstaltungen wie einen musikalischen Frühschoppen oder auch einen musikalischen Herbstmarkt. Auch die Gemeinden Frasdorf und Prien unterstützen die Nachwuchsförderung. Voraussetzung für das Mitspielen in der Zwergerlkapelle ist, dass die Kinder Spaß an der Gemeinschaft haben und wenn sie dann auch noch ein halbes Jahr Instrumentenerfahrung und erste Notenkenntnisse haben, dann ist es umso besser.

Der „Aufstieg“ in die Jugendkapelle muss individuell mit dem Kind und den Eltern gemeinsam entschieden werden. Dieser Aufstieg ist nicht unbedingt altersabhängig, ebenso altersunabhängig ist der Wechsel aus der Jugendkapelle zur „großen“ Musikkapelle Wildenwart. Die beiden Dirigenten Eva-Maria Gruber und Sebastian Graf achten beim Wechsel darauf, dass in den jeweiligen Kapellen kein Ungleichgewicht in den Instrumenten-Besetzungen entsteht.

Mit viel Engagement und Eigenleistung baute sich die Musikkapelle 2015 ein Musikhaus als Probenraum direkt neben der Wildenwarter Grundschule. Von der Idee, den ersten Planungen der Musiker, den ersten Skizzen der Vorstandschaft und dem endgültigen Bauplan von Kaspar Steindlmüller bis zur Fertigstellung und Einweihung vergingen gerade einmal zwei Jahre. 4000 Arbeitsstunden wurden von freiwilligen Helfern als Eigenleistung erbracht. 180000 Euro wurden verbaut.

Text und Fotos: Heinrich Rehberg