Wegen der Pandemie wird es trotz stolzem Jubiläum kein Fest geben

100 Jahre alt wird der Trachtenverein Hittenkirchen und darf  wegen des Lockdowns nicht feiern. Was bedeutet ein Jahr Corona  für die Dorfgemeinschaft Hittenkirchen, die Gemeinde Bernau, die Vereinsmitglieder und die vielen Gäste aus nah und fern, die in den letzten zwölf Monaten nicht kommen konnten und auch weiterhin noch daheim bleiben müssen. Die Chiemgau-Stimme hat mit Vorstand Christoph Kaufmann (Foto) gesprochen.

Treffpunkt  Trachtenheim von Hittenkirchen. Vor 45 Jahren wurde das Haus  als erstes Trachtler-Vereinsheim im Chiemgau in Eigenleistung von den Mitgliedern erbaut. Motor der Initiative war der damalige und langjährige Vorstand des Hittenkirchener Trachtenvereins Christian Kaufmann. Von ihm hat sein Sohn vor gut 20 Jahren die Führung des Vereins mit derzeit 360 Mitgliedern sowie die Leidenschaft für eine gemeinschaftliche Heimat- und Brauchtumspflege übernommen.  „Der Bau des Trachtenheimes war erforderlich, weil wir in der örtlichen Gastronomie nicht mehr wie vorher eine Bleibe für unsere Proben, Veranstaltungen und Zusammenkünfte hatten. Darüber hinaus hat uns diese bauliche und finanzielle Herausforderung zusammengeschweißt“ – so Vorstand Kaufmann. „Weit über 100 junge Leute aus den Vereinen und Schulen der Umgebung fanden sich alljährlich in der Faschingszeit ein, um heimische Tanzformen zu lernen und ihr erlerntes Können dann bei einer fröhlichen Rosenmontags-Veranstaltung unter Beweis stellten“ – sagt Kaufmann, der im gleichen Atemzug erinnert, dass der Rosenmontagsball im Vorjahr die bislang letzte Veranstaltung war.

Fast schon legendär waren seit der Heim-Inbetriebnahme die Hittenkirchener Dirndlkranzl mit vollen Tanzflächen, vielen Masken sowie unvergesslichen Einlagen und Bar-Erlebnissen. Eine weitere Erfolgsgeschichte waren um Kirchweih die Sänger- und Musikanten-Hoagascht, die von Vereinskamerad Michael Berneder nicht nur gut organisiert, sondern auch selbst mitgestaltet wurden. Besonders viel Besucherzustimmungen fanden in den letzten 15 Jahren die Aufführungen einer eigens gegründeten Theatergruppe. Bis zum Beginn der Corona-Einschränkungen hat sich das Trachtenheim in mehrfacher Weise bewährt hat. Die Plattler- und Drahproben der Kinder, Jugendlichen und Aktiven, die Sitzungen der Vorstandschaft , rund 30 Veranstaltungen im Jahr außerhalb des Vereins wie beispielsweise Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, Kirchliche Veranstaltungen, Versammlungen seien gut angenommen worden.

„Jetzt aber brechen die komplette Tradition und wichtige Einnahmen weg, ein Jahr lang konnten die Trachtler nicht mehr zusammenkommen. Wann und wie es wieder losgeht, könne man derzeit nicht sagen. „Schön wäre es, wenn wir am Sonntag, 2. Mai, unseren traditionellen Jahrtag wieder feiern könnten. Damit könnten wir zu unserem heurigen 100. Vereins-Geburtstag wenigstens ein bisschen mit Freude zusammenkommen“, bemerkt der Vorstand. Die großen Festzelt-Feierlichkeiten, wie sie traditionell in Hittenkirchen bei einem besonderen Jubiläum gefeiert werden, seien ohnehin schon abgesagt. „Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, doch noch diesen Hunderter in großer Runde zu feiern.“

 

Das Trachtenheim Hittenkirchen, auch ein Wirtschaftsbetrieb

Aufgrund seiner vielen Veranstaltungen ist das Trachtenheim auch ein Wirtschaftsbetrieb, dessen Einnahmen seit einem Jahr komplett fehlen, obwohl die Ausgaben teilweise weitergehen. „Immer wieder haben wir größere Maßnahmen zur Renovierung oder Erweiterung vorgenommen, zuletzt mit Küche und Heizung. Als wir vor ein paar Jahren deshalb den Mitgliedsbeitrag von 15 Euro auf 25 Euro anheben mussten, gab es von allen 360 Mitgliedern Zustimmung“, berichtet Kaufmann. Allein das Beschaffen von Theater-Büchern und Aufführungsrechten kostet rund 2.000 Euro. An staatliche Corona-Finanz-Hilfe hat der ehrenamtlich geführte Verein bislang noch nicht gedacht.

 

Ein Teil einer guten Dorfgemeinschaft

„Als langjähriger Jugendleiter und Vorplattler weiß ich, was uns besonders fehlt: das Zusammenkommen der jungen Leute und der Aktiven, seit einem Jahr keine Probe, kein Grillen, keine gemeinsamen Erlebnisse,“ bemerkt Kaufmann traurig.  Der Verein ist Teil einer Dorfgemeinschaft zusammen mit weiteren Ortsvereine wie Schützen und Feuerwehr und in ganz besonderer Weise mit der vor ein paar Jahren von Fritz Lampersberger gegründete Jugendblaskapelle. Mit ihnen allen hätte das 100-jährige Gründungsfest groß gefeiert werden sollen. „Aber sobald es wieder möglich ist, wollen wir wieder proben und um Auftrittsmöglichkeiten schauen oder den Jugend-Volkstanzkurs starten“.

 

Auch Bernaus Bürgermeisterin ist traurig

Für Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber bedeutet das Trachtenheim Hittenkirchen ein wichtiger Ort für die ganze Gemeinde. „Das Trachtenheim in Hittenkirchen ist eine wichtige infrastrukturelle Einrichtung. Dort finden die Wahlen statt, aber auch größere Versammlungen, Feste, wie Jahrtage oder Hoagarts oder auch alle zwei Jahre der Politische Aschermittwoch. Wenn wir die Bürgerversammlung im Herbst noch hätten machen können, wären wir auch dorthin ausgewichen“, sagt die Gemeindechefin. Dass es seit einem Jahr mehr oder weniger leer steht sei mehr als bitter. Biebl-Daiber: „Unheimlich traurig stimmt es mich, dass die Hittenkirchner Trachtler ihr 100-Jähriges nicht feiern können aufgrund der Pandemie. Es wäre sicherlich ein unvergessliches Fest geworden, zusammen mit der Feuerwehr Hittenkirchen. Und es wäre meine erste offizielle Schirmherrschaft gewesen, daher finde ich es auch persönlich sehr schade, dass es entfallen muss.“

Wenn man das alte Leben nach der Pandemie wieder aufnehmen könne, stünden die Vereine vor wichtigen Aufgaben. Die Mitglieder müssten motiviert werden, wieder mitzumachen und sich einzubringen. Auch gelte es, die Gesellschaft wieder zusammenzubringen, dazu könnten gerade so große Vereine, wie der Trachtenverein in Hittenkirchen, viel beitragen.  „Ich weiß, dass Christoph Kaufmann sich mit seiner Vorstandschaft da auch sehr engagieren wird, damit bald wieder alles beim Alten ist“, sagt die Bürgermeisterin.

Anton Hötzelsperger