Landgericht Traunstein: Prozess gegen Mann fortgesetzt - Hat er seine elfjährige Tochter sexuell missbraucht?

Der Angeklagte hatte im März diesen Jahres, kurz nach der Eröffnung des Prozesses, den sexuellen Missbrauch an seiner Tochter gestanden, dieses Geständnis aber später widerrufen. Und deshalb wollte das Gericht nun genauestens untersuchen, was sich zwischen Vater und Tochter in der väterlichen Wohnung abgespielt hat.
Nebenklage fordert Schmerzensgeld
Der Prozesstag begann mit einem Antrag der Nebenklage. Die Tochter des Angeklagten leide unter erheblichen posttraumatischen Belastungsstörungen, so führte die Verteidigerin der Nebenklage ihren Antrag aus, und deshalb beantrage man neben der Verurteilung des Vaters auch ein Schmerzensgeld in Höhe von 35.000 Euro.
Der Verteidiger des Angeklagten, Harald Baumgärtl, wies in seiner Entgegnung darauf hin, dass sein Mandant die Vorwürfe bestreite und es daher auch keine Grundlage für ein Schmerzensgeld gebe. Er wies in seiner Erklärung auch auf die gezeigten Videoaufnahmen von einer Geburtstagsfeier in der Familie hin, auf denen deutlich zu sehen gewesen sei, dass der Angeklagte und seine Tochter einen engen Kontakt gepflegt hätten und man von einer posttraumatischen Belastungsstörung wohl nichts erkennen könne.
„Tochter wollte Vater nicht zu Hause besuchen“
Die als Zeugin einvernommene Sozialpädagogin sagte dann aus, dass die Tochter des Angeklagten mit ihr mehrfach gesprochen habe. Sie habe immer wieder erklärt, dass sie ihren Vater, der von ihrer Mutter vor vielen Jahren geschieden worden sei, nicht bei ihm zu Hause treffen wolle. Sie schlug stattdessen eine Eisdiele als Treffpunkt vor. Hier könne man in Ruhe miteinander sprechen und sei doch nicht unbeobachtet.
Die Sozialpädagogin beschrieb die Tochter des Angeklagten als sehr umgänglich und hilfsbereit, sie habe nie Kontaktprobleme gehabt und sie betonte, dass sich das Mädchen eigentlich nie Geschichten ausgedacht habe. Sie berichtete aber auch davon, dass die Tochter des Angeklagten, dass sie in der Zeit kurz vor und nach der Anzeige gegen ihren Vater in der Schule die Möglichkeit hatte, den Unterricht zu verlassen und dass sie dies gelegentlich getan habe. Auch auf Nachfrage der Verteidiger des Angeklagten wiederholte die Sozialpädagogin nur, dass das Mädchen Besuche in der Wohnung ihres Vaters habe vermeiden wollen.
Im Anschluss daran wurde die Mutter der Tochter des Angeklagten vernommen. Sie berichtete, dass ihre Tochter die Gedanken nicht wegbekomme und ihre Tochter den Vater nicht verstehe, weil der so tue, als ob das alles „nicht gewesen“ sei.
Schließlich berief dann das Gericht die Großmutter mütterlicherseits des Mädchens in den Zeugenstand. Von den Vorwürfen gegen ihren Schwiegersohn, den Angeklagten, habe sie erst nach der Anzeige bei der Polizei erfahren, als ihre Tochter und ihre Enkelin von der Polizei gekommen seien. Sie berichtete, dass die Tochter des Angeklagten nach der Anzeige ihren Vater nicht mehr habe besuchen müssen, dass ihre Enkelin aber auch darunter gelitten habe.
Glaubhaftigkeitsgutachten der Sachverständigen ist eindeutig
Im Anschluss daran erstattete die vom Gericht bestellte Sachverständige ein Glaubhaftigkeitsgutachten über die Aussagen des Mädchens. Könnte sich die Tochter des Angeklagten all die Missbrauchsvorwürfe ausgedacht haben?
In akribisch-wissenschaftlich fundierter Weise stellte sie die Methodik für ein solches Glaubhaftigkeitsgutachten vor. Es gebe 19 Kriterien, an denen man den Wahrheitsgehalt einer Aussage dokumentieren könne. Die Tochter des Angeklagten sei von ihr zweimal ausführlich exploriert worden. Sie berichtete auch, dass sich die Tochter des Angeklagten stets auf Begegnungen mit ihrem Vater gefreut habe, es aber häufig Probleme gegeben habe, weil der Angeklagte recht viel Alkohol konsumiert habe. Er werde, so habe es ihr die Tochter berichtet, wenn er trinke, sehr schnell emotional und aggressiv.
Die Sachverständige berichtete über die Tochter des Angeklagten, dass sie gut zwischen der Realität und Träumen unterscheiden könne und dass es keine Hinweise auf Erfindungen in den Schilderungen des Mädchens gebe. Auf eine Anstoßfrage könne sie Erlebtes ausführlicher schildern, ohne dass man nachfragen müsse. Ihr Gedächtnis funktioniere gut.
Den Vorwurf, dass sie gerne lüge, wies die Sachverständige zurück. Auch könne sie persönlich Erlebtes sehr gut von Erlebnissen im Fernsehen oder von Videoclips oder -filmen sehr gut abgrenzen. Sie habe auch Scheu gehabt, über die Missbrauchserlebnisse mit ihrem Vater zu erzählen, weil man ihr dann vorwerfen könnte, das sei alles nicht so schlimm. Das Weinen, so berichtete die Sachverständige, habe das Mädchen oft nicht gut unterdrücken können.
Abschließend äußerte sich die Sachverständige zur These, dass die Tochter die Vorwürfe gegen ihren Vater erfunden habe.
Dies, so die Sachverständige, gehe immer wieder einher mit einem auffälligem Verhalten. Das könne man aber hier nicht beobachten. Im Gegenteil: Sie könne offen mit ihrer Mutter sprechen. Dass sie über die Missbrauchserlebnisse nicht habe sprechen wollen, liege in der Tatsache begründet, dass sie ihre Familie nicht habe „kaputt“ machen wollen. Außerdem liebe sie ihren Vater, habe aber Angst vor den Übergriffen.
Aussagen der Tochter „nachvollziehbar“ und „glaubhaft“
Sie schloss ihr Gutachten ab mit der These, dass die Aussagen der Tochter des Angeklagten insgesamt „nachvollziehbar“ und glaubhaft seien. Hypothesen, die das Gegenteil unterstellten, seien in der Untersuchung zu „verwerfen“ gewesen.
Daran anschließend vertagte sich das Gericht bis zum 13. November. An diesem Tag sollen dann die Plädoyers gehalten werden.
PR
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